Beteiligte

Kläger und Revisionsbeklagter

Beklagter und Revisionskläger I

Revisionsklägerin II

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Spruchs des beklagten Bundesschiedsamtes über eine bundeseinheitliche interlokale Punktwertregelung für Prothetikleistungen.

Aufgrund einer Ergänzungsvereinbarung zu § 26 Abs. 7 des Bundesmantelvertrages Zahnärzte (BMV-Z) galt bis zum 30. Juni 1976 bundesweit ein einheitlicher Punktwert für den Bewertungsmaßstab bei Prothetikleistungen. Eine Folgevereinbarung ist nicht zustande gekommen. Dies hat zu unterschiedlichen Punktwerten in den Bezirken einzelner Kassenzahnärztlicher Vereinigungen (KZVen) geführt.

Nach vergeblichen Verhandlungen zwischen der beigeladenen Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) einerseits und den Bundesverbänden der Orts-, Innungs-, Betriebs- und landwirtschaftlichen Krankenkassen andererseits leitete die Beigeladene beim Beklagten ein Schiedsverfahren mit dem Antrag ein, folgenden § 6 in den Bewertungsmaßstab für kassenzahnärztliche Leistungen (Bema) einzufügen:

"Die Vergütung von Zahnersatz und Zahnkronen errechnet sich nach dem Punktwert, den die Kassenzahnärztliche Vereinigung, der der behandelnde Zahnarzt angehört, mit dem Landesverband der jeweiligen Kassenart abgeschlossen hat."

Zur Begründung trug die Beigeladene vor: Die Anwendung des am Sitz des Zahnarztes geltenden Punktwertes für prothetische Leistungen sei notwendig und zweckmäßig. Denn der Zahnarzt müßte vor Beginn der prothetischen Behandlung einen Heil- und Kostenplan erstellen, der nicht nur die Beziehungen zur zuständigen Krankenkasse betreffe, sondern auch im Verhältnis zum Patienten dessen Eigenanteil ausweise. Dabei könne sich der Zahnarzt nur auf die mit seiner eigenen KZV getroffene Regelung stützen. Der klagende Bundesverband der Betriebskrankenkassen meinte dagegen, die beantragte Regelung wäre unzulässig. Sie führe zu unterschiedlichen Punktbewertungen und damit zu unterschiedlichen Eigenanteilen der Versicherten. Außerdem verursache sie einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand. Der Beklagte machte am 2. Mai 1977 einen dem Antrag der Beigeladenen inhaltlich entsprechenden Regelungsvorschlag. Während der Kläger diesen Vorschlag ablehnte, erklärten sich die übrigen Bundesverbände der Krankenkassen bereit, ihren Verbandsmitgliedern die Anwendung der vorgeschlagenen Regelung zu empfehlen; sie wurden aus dem Verfahren entlassen.

Am 28. September 1977 erließ der Beklagte folgenden Beschluß:

Zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen wird festgesetzt: "Für die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen errechnet sich die Vergütung nach dem Punktwert, der zwischen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, der der Zahnarzt angehört, und den innerbereichlichen Krankenkassen gilt. Die Regelung gilt ab 1.10.1977".

In den Gründen des Beschlusses heißt es, es bestehe allgemeines Einverständnis darüber, daß es eines Vermittlungsvorschlages nach § 368h Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht bedürfe. Mit dem Schiedsspruch werde der allgemeine Inhalt der Gesamtverträge i.S. des § 368g Abs. 3 RVO geregelt. Entgegen der Auffassung des Klägers verletze die Regelung nicht die Gesamtvertragsautonomie der KZVen und der Krankenkassen, weil sie nicht an die Stelle innerbereichlich vereinbarter Bema-Punktwerte andere setze; denn zwischen der Krankenkasse des prothetisch versorgten Versicherten und der KZV des ihn behandelnden Fremdzahnarztes bestehe keine gesamtvertragliche Punktwertregelung.

Mit seiner Klage hat der Kläger vorgebracht, der Beklagte habe mit seinem Schiedsspruch seine Regelungskompetenz in rechtswidriger Weise überschritten. Der Schiedsspruch verletze die Vertragsautonomie der überbereichlichen Betriebskrankenkassen, den Grundsatz der gleichmäßigen Versorgung und einheitlichen Honorierung der jeweiligen Krankenkasse, verstoße gegen das Verbot des Abschlusses sogenannter abgestufter Verträge und enthalte schließlich eine Vergütungsregelung, die nicht Gegenstand eines Bundesmantelvertrages sein könne. Dagegen führte die Beigeladene unter anderem aus, überbereichliche Krankenkassen hätten durchaus die Möglichkeit, für Teilgebiete aufgrund der dort vorhandenen regionalen Unterschiede unterschiedliche Punktwerte zu vereinbaren. Von einer Beeinträchtigung der gleichmäßigen Versorgung der Versicherten einer Kasse könne bei gleichem Leistungskatalog und nur geringfügig unterschiedlicher Honorierung keine Rede sein. Es sei zwingend notwendig zu regeln, welcher Punktwert bei prothetischen Leistungen durch einen Fremdzahnarzt gelte.

Das Sozialgericht (SG) hat den Schiedsspruch aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Schiedsämter müßten dann eingreifen, wenn keine Verträge bestehen und aus diesem Grund die kassenärztliche Versorgung nicht In ausreichendem Maße sichergestellt sei. Das bedeute, daß das Schiedsamt nur dann tätig werden dürfe, wenn ein regelungsbedürftiger Tatbestand vorliege. An einem solchen Tatbestand mangele es im vorliegenden Fall, denn die Frage der Anwendung des lokalen oder interlokalen Punktwertes für Prothetik-Leistungen gefährde die kassenärztliche Versorgung nicht. Außerdem leide das Schiedsverfahren an einem wesentlichen Mangel, da der Beklagte es unterlassen habe, den zwingend vorgeschriebenen förmlichen Vermittlungsvorschlag zu machen. Der Schiedsspruch verletze ferner die Vertragsautonomie der überbereichlichen Krankenkassen. Insbesondere sei nämlich Art und Höhe der von der Krankenkasse zu entrichtenden Vergütung dem Gesamtvertrag überlassen.

Gegen dieses Urteil haben der Beklagte und die Beigeladene Revision eingelegt. Der Beklagte macht geltend, am 8. Dezember 1976 sei ein Einigungsversuch unternommen worden, dem am 22. Mai 1977 ein Regelungs- (=Vermittlungs-) Vorschlag gefolgt sei. Den Verfahrensmangel des fehlenden Vermittlungsvorschlags habe der Beklagte nicht gerügt. Der Schiedsspruch greife nicht in die Autonomie der einzelnen Kasse ein; zwischen ihr und der KZV im fremden Bereich bestehe nämlich kein Vertrag über den streitigen Gegenstand.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene trägt vor, das angefochtene Urteil verletze § 368g Abs. 1 bis 3 und § 368h RVO. Der Schiedsspruch treffe eine allgemeine Regelung darüber, welcher Punktwert anzusetzen sei, wenn ein Kassenarzt einen Versicherten prothetisch behandele, der einer Krankenkasse aus einem anderen Bereich angehört. Es sei keine gesamtvertragliche Regelung denkbar, die entweder einen Kassenzahnarzt an den für die Fremdkasse oder die Betriebskrankenkasse an den für die Fremd-KZV geltenden Punktwerte bindet.

Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht geltend, bei der Frage, ob für die Anwendbarkeit des Punktwertes für prothetische Leistungen bei überbereichlichen und bundesweiten Krankenkassen der am Kassensitz maßgebende Punktwert maßgeblich ist, handele es sich um eine reine Rechtsfrage. Zwischen der Betriebskrankenkasse der Bundespost und der KZBV bestehe ein Vertrag, nach dem der Punktwert auch für die Prothetik einheitlich für alle von der Krankenkasse zu betreuenden Versicherten und deren Familienangehörigen im Bundesgebiet feststehe. Diesen Vertrag ändere der Schiedsspruch ab. Er greife auch rechtswidrig in den Gesamtvertrag zwischen der KZV Bayern und dem dortigen Landesverband der Betriebskrankenkassen ein. Darin sei geregelt, daß die nach Einzelleistungen berechnete Gesamtvergütung auch für Leistungen gelte, die außerhalb des Bereichs der KZV Bayern erbracht werden. Wenn sich daher das Mitglied einer Betriebskrankenkasse mit Sitz in Bayern außerhalb dieses Landes prothetisch versorgen lasse, habe der behandelnde Zahnarzt Anspruch auf die am bayerischen Kassensitz geltende Vergütung.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Sprungrevisionen sind begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben. Der angefochtene Schiedsspruch ist rechtmäßig.

Insbesondere ist der Schiedsspruch nicht schon deshalb rechtswidrig, weil das beklagte Bundesschiedsamt keinen Vermittlungsvorschlag gemacht hat. Ein Vermittlungsvorschlag ist allerdings in § 368h Abs. 1 RVO zwingend vorgeschrieben. Einen Verfahrensmangel durch Unterlassen dieses Vorschlags haben aber die Beteiligten des Schiedsverfahrens, der Kläger und die Beigeladene, durch ihr Verhalten in der mündlichen Verhandlung vor dem beklagten Bundesschiedsamt am 28. September 1977 geheilt. Dies folgt aus § 295 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der bei der Unterlassung des Vermittlungsvorschlags nach § 368h Abs. 1 RVO anzuwenden ist (BSGE 51, 58 = SozR 2200 § 368h RVO Nr. 3). Der Kläger hat auf die Einhaltung der Vorschrift des § 368h Abs. 1 RVO verzichtet. Wie in den Gründen des Schiedsspruchs, auf die das SG Bezug genommen hat, festgestellt wird, hat nämlich allgemeines Einverständnis darüber bestanden, daß es eines Vermittlungsvorschlags nicht bedarf. Einen Verzicht hält der Senat jedenfalls dann für zulässig, wenn er in der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsamt, die zu dem Schiedsspruch führen soll, ausgesprochen wird.

Die Voraussetzungen für einen Schiedsspruch nach § 368h Abs. 1 RVO - ein regelungsbedürftiger Tatbestand - haben vorgelegen. Eine Vereinbarung darüber, nach welchem Punktwert sich die Vergütung der Versorgung in den sogenannten "Fremdarztfällen" - also in den Fällen, in denen die Krankenkasse des behandelten Versicherten und der Kassenarzt nicht demselben Gesamtvertrag unterliegen - errechnet, besteht nicht. Der vom Schiedsamt festzusetzende Vertragsinhalt liegt auch im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung, und eine der Vertragsparteien will ihn geregelt wissen.

In der Sache ist der Schiedsspruch nicht zu beanstanden. Inhalt eines Schiedsspruchs kann nur sein, was die Beteiligten in freier Vereinbarung hätten regeln können (BSGE 20, 73, 76 = SozR RVO § 368h Nr. 1). Die Beteiligten am Schiedsverfahren, der Kläger und die Beigeladene, durften eine Regelung des Inhalts wie der Schiedsspruch vereinbaren.

Die Zuständigkeit des Klägers und der Beigeladenen für eine Vereinbarung wie im Schiedsspruch ergibt sich aus § 368g Abs. 3 RVO. Durch den Schiedsspruch wird der allgemeine Inhalt der Gesamtverträge geregelt. Die Regelung betrifft den Punktwert für die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen durch einen Zahnarzt mit Sitz außerhalb des Bereichs der KZV, die einen Gesamtvertrag für die Versorgung des betreffenden Patienten geschlossen hat. Mit dem Schiedsspruch wird aber nicht die Höhe der Vergütung geregelt, die im Gesamtvertrag nach § 368g Abs. 2 RVO zu vereinbaren ist. Vielmehr geht es bei dem "interlokalen" Punktwert darum, daß bestehende Gesamtverträge auf davon nicht erfaßte Fälle angewendet werden. Die im Schiedsspruch vom 28. September 1977 getroffene Regelung nimmt nur Bezug auf die innerbereichlichen Gesamtverträge. Damit regelt sie nicht die Vergütungshöhe. Diese steht vielmehr bereits fest oder wird in neuen innerbereichlichen Gesamtverträgen festgesetzt. Durch den Schiedsspruch wird lediglich eine Regelung vor die Klammer gezogen, die im einzelnen Leistungsfall nur den maßgebenden innerbereichlichen Gesamtvertrag bestimmt.

Mit der im Schiedsspruch vom 28. September 1977 getroffenen Regelung hat das beklagte Bundesschiedsamt das ihm zustehende Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt (§ 54 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Es hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten und die Frage, nach welchen Punktwerten sich die Vergütung bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen errechnet, dem Zweck der Ermächtigung entsprechend geregelt. Insbesondere enthält das Gesetz keine Bestimmung, die zu einer vom Schiedsspruch abweichenden Festsetzung der Punktwerte in interlokalen Versorgungsfällen zwingt.

Die Revisionen führen aus diesen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage gegen den Schiedsspruch.

Kosten sind gem. § 193 Abs. 4 SGG nicht zu erstatten.

 

Fundstellen

BSGE, 253

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