Leitsatz (amtlich)
1. Ist einem Beamten Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet, so entfällt diese Gewährleistung nicht dadurch, daß der Beamte im Rahmen eines Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes enthoben ist. Auch ein solcher Beamter ist "in Betrieben oder im Dienste tätig" (RVO § 169 Abs 1 S 1), solange nicht das Beamtenverhältnis beendet ist.
2. Ist ein Beamter, der während eines Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes enthoben ist, ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis eingegangen, so erstreckt sich die durch RVO § 169, RVO § 1229 Abs 1 Nr 3 begründete Versicherungsfreiheit nicht auf dieses Beschäftigungsverhältnis.
Normenkette
RVO § 169 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1945-03-17, § 1229 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 6. Oktober 1959 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger, damals Postassistent bei der Deutschen Bundespost, wurde im Jahre 1956 wegen mehrerer Dienstvergehen unter Einbehaltung der Hälfte seiner Dienstbezüge seines Dienstes vorläufig enthoben. Das Disziplinarverfahren endete mit seiner Entfernung aus dem Dienst (Urteil des Bundesdisziplinarhofes vom 16. Dezember 1958). Während der Zeit seiner vorläufigen Dienstenthebung war der Kläger im Jahre 1956 bei mehreren Arbeitgebern als Arbeiter beschäftigt gewesen. Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) sah diese Beschäftigungsverhältnisse im Hinblick auf die immer noch bestehende Anwartschaft des Klägers auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung als nicht versicherungspflichtig an und veranlaßte die Rückzahlung der einbehaltenen Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung an den Kläger.
In den Jahren 1957 und 1958 war der Kläger bei den Beigeladenen zu 3) bis 5) beschäftigt. Er erhielt auf seine Anfrage, die sich auf sein am 25. Januar 1957 bei der Beigeladenen zu 3), der Firma T., eingegangenes Beschäftigungsverhältnis bezog, von der beklagten AOK den Bescheid, dieses Beschäftigungsverhältnis sei versicherungspflichtig, weil sein Lohn (394,- DM monatlich) höher als die während des Disziplinarverfahrens gewährten Dienstbezüge sei (Bescheid vom 9. März 1957). Seinen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der beklagten AOK mit der Begründung zurück, die Vorschrift über die Versicherungsfreiheit (§ 169 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) beziehe sich nur auf die "tätigen" Beamten; hierzu gehöre der Kläger z. Z. aber nicht (Bescheid vom 3. September 1957).
Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) machte der Kläger geltend, die in §§ 169, 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO geregelte Versicherungsfreiheit der Beamten erstrecke sich auch auf die außerhalb des Beamtenverhältnisses ausgeübten abhängigen Beschäftigungsverhältnisse. Ein Beamter bedürfe keines Schutzes durch die Sozialversicherung; das gelte auch während eines Disziplinarverfahrens. Auch dann sei der Dienstherr zur Gewährung von Beihilfe während einer Erkrankung verpflichtet. Scheide der Beamte aus dem Dienstverhältnis aus, so müsse er nachversichert werden. Allenfalls bestehe in der Arbeitslosenversicherung ein Bedürfnis nach Versicherungsschutz.
Er hat beantragt,
den Bescheid der beklagten AOK vom 9. März 1957 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1957 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die gezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu erstatten.
Die beklagte AOK hat
Klageabweisung
beantragt. Nach ihrer Auffassung bezieht sich die in § 169 RVO statuierte Versicherungsfreiheit der Beamten nicht auf außerhalb des Beamtenverhältnisses ausgeübte Beschäftigungsverhältnisse. Das müsse besonders dann gelten, wenn das privatwirtschaftlich erzielte Einkommen höher als die Dienstbezüge seien. Bei einem vom Dienst suspendierten Beamten könne überhaupt nicht mehr von einem "tätigen" Beamten im Sinne des § 169 RVO gesprochen werden.
Die beigeladenen Versicherungsträger (Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - BfArB - und Landesversicherungsanstalt - LVA -) haben sich den Ausführungen der Beklagten angeschlossen.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Juli 1958).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 6. Oktober 1959). Das LSG ist davon ausgegangen, daß der Kläger während seines Disziplinarverfahrens Beamter geblieben sei und seine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung fortbestanden habe. Die Versicherungsfreiheit solcher Personen nach §§ 169, 1229 RVO sei jedoch nur für "tätige" Beamte gegeben, wie die Neufassung des § 169 RVO durch die Verordnung (VO) vom 17. März 1945 klar zum Ausdruck bringe. An einer solchen tatsächlichen Beschäftigung als Beamter habe es aber bei dem Kläger gefehlt, da ihm die Dienstbefugnisse entzogen worden seien. Es habe zwar noch ein Beamtenstatus, aber kein Beschäftigungsverhältnis mehr bestanden. Demnach unterliege das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der beigeladenen Firma T. der Versicherungspflicht.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt mit dem Antrag,
unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides der beklagten AOK, des Urteils erster Instanz und des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, die aus Anlaß der Tätigkeit des Klägers bei der beigeladenen Firma T. abgeführten Arbeitnehmeranteile zur Kranken-, Arbeitslosen- und Arbeiterrentenversicherung zurückzugewähren.
Zur Begründung machte er geltend:
Die Versicherungsfreiheit nach den §§ 169, 1229 RVO sei den Personen, denen Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet sei, deshalb gewährt worden, weil sie des Versicherungsschutzes nicht bedürften. Dieser Zweckgedanke behalte auch dann seine volle Geltung, wenn eine solche Person noch anderweitig abhängig beschäftigt sei. Die vom LSG getroffene Unterscheidung zwischen "tätigen" und "untätigen" Beamten sei mit § 169 RVO nicht vereinbar. Ob ein Beamter von seinem Dienstherrn mit Aufgaben betraut oder vom Dienst entbunden werde, habe nur innerdienstliche Bedeutung, berühre aber nicht den Bestand des beamtenrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses. - Auch der Hinweis des LSG auf die für Ruhestandsbeamte nach § 173 RVO gegebene Möglichkeit, sich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, gehe fehl. Daraus folge nicht, daß aktive Beamte, die in der Privatwirtschaft abhängig beschäftigt seien, in dieser Tätigkeit der Versicherungspflicht unterlägen. Das Sicherungsbedürfnis sei unterschiedlich. Ein Ruhegehaltsempfänger sei nicht immer ausreichend gesichert. Deshalb sei es ihm überlassen zu entscheiden, ob er von der Versicherungspflicht befreit sein wolle.
Die beklagte AOK hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält den Standpunkt des LSG für richtig, daß Versicherungsfreiheit nach § 169 RVO nur für tatsächlich tätige Beamte gegeben sei. - Zu Unrecht habe sich der Kläger zur Stütze seiner Ansicht auf den Bescheid des Reichsarbeitsministers vom 30. Juni 1939 (Amtliche Nachrichten für Reichsversicherung - AN - S. 335) berufen, wonach Studienassessoren, die für die Tätigkeit an Privatschulen aus dem öffentlichen Schuldienst beurlaubt worden waren, als versicherungsfrei angesehen worden waren. Der entscheidende Unterschied gegenüber der Lage dienstenthobener Beamter sei der, daß die Studienassessoren unter Aufrechterhaltung ihrer Versorgungsanwartschaften nur vorübergehend beurlaubt worden seien und jederzeit von ihrer Behörde hätten zurückgerufen werden können, während die mit dem Ziel der Dienstentlassung dienstenthobenen Beamten weit weniger gesichert seien. So wäre ein solcher Beamter - wäre er nicht wegen seiner abhängigen Beschäftigung pflichtversichert - gegen das Risiko der Krankheit nur ungenügend geschützt, wie sich dann besonders zeige, wenn die endgültige, auf Dienstentlassung lautende Disziplinarentscheidung während einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung dieses Beamten erginge und alle bisherigen Leistungen des Dienstherrn entfielen.
Die beigeladene LVA hat sich dem Antrag und den Ausführungen der beklagten AOK angeschlossen.
Die beigeladene BfArb hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen, soweit die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im Streit sind.
Sie weist darauf hin, daß die Beklagte für die Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht passiv legitimiert sei. Hierfür sei ausschließlich das Arbeitsamt zuständig, in dessen Bezirk die Einzugsstelle ihren Sitz habe (§ 165 a des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG - a. F., § 169 AVAVG n. F.).
Die Revision ist nicht begründet. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG die Beschäftigung des Klägers im Jahre 1957 bei der beigeladenen Firma T. als versicherungspflichtig angesehen.
Der Kläger ist in der Zeit vom 25. Januar 1957 bis zum Juni 1957 als Arbeiter bei der Firma T. beschäftigt gewesen. Hieraus folgt, falls keine Befreiungsvorschrift Platz greift, seine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO). Diese wiederum begründet seine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, und zwar für die Zeit bis 31. März 1957 nach § 69 AVAVG i. d. F. der Bekanntmachung vom 12. Oktober 1929 (RGBl I, 62), für den Zeitraum vom 1. April 1957 an nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AVAVG i. d. F. der Bekanntmachung vom 3. April 1957 (BGBl I, 321). Das gleiche gilt - beschränkt auf den Zeitraum bis zum 28. Februar 1957 - für die Invalidenversicherung (§ 1226 Abs. 1 Nr. 1 RVO i. d. F. der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 - RGBl I, 41). Demnach ist für die Versicherungspflicht des Klägers in allen Versicherungszweigen für die Zeit seiner Beschäftigung bis zum 28. Februar 1957 maßgebend, ob er nach den Vorschriften über die Krankenversicherung versicherungspflichtig gewesen ist.
Die nach der Sachlage allein in Frage kommende Befreiungsvorschrift - § 169 RVO i. d. F. der VO vom 17. März 1945 - greift nicht durch. Zutreffend ist das LSG im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, daß der Kläger Bundesbeamter, dem Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet war, auch während des schwebenden Disziplinarverfahrens geblieben ist. Sein Beamtenstatus mit der hierauf gegründeten Versorgungsanwartschaft hat erst mit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesdisziplinarhofs sein Ende gefunden. Unrichtig ist allerdings die Auffassung des LSG, ein vorläufig des Dienstes enthobener Beamter sei nicht mehr "tätig" i. S. des § 169 Abs. 1 Satz 1 RVO; diese Vorschrift setze eine "tatsächliche" Beschäftigung voraus. Wie schon das Reichsversicherungsamt - RVA - (Grunds. Entsch. Nr. 4235, AN 1931, 487, 488) bei der Auslegung des § 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) a. F. - der Vorschrift, die offensichtlich bei der Neufassung des § 169 RVO durch die VO vom 17. März 1945 als Leitbild gedient hat - überzeugend dargelegt hat, stellt das Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung nicht immer auf die rein tatsächliche Beschäftigung ab.
Vielmehr ist für Urlaubs- und ähnliche Fälle anerkannt, daß keine Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses eintritt. Auch für das Fortbestehen eines beamtenrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ist entscheidend, ob die Verfügungsgewalt des Dienstherrn über den Beamten aufrechterhalten geblieben ist (so außer der zitierten Entscheidung des RVA auch RVA, Grunds. Entsch. Nr. 3947, AN 1931, 32).
Die Verfügungsgewalt des Dienstherrn bleibt aber bei der rein innerdienstlichen Maßnahme der vorläufigen Dienstenthebung eines Beamten bestehen. Diese kann jederzeit durch einseitige Entscheidung des Dienstherrn beendet werden mit der Folge, daß der Beamte - im Rahmen des aufrechterhalten gebliebenen Dienstverhältnisses - seinen Dienstobliegenheiten wieder nachzukommen hat. Deshalb ist auch ein vorläufig des Dienstes enthobener Beamter im öffentlichen Dienst "tätig" im Sinne des § 169 RVO. Die Einfügung des Begriffsmerkmals "tätig" in § 169 RVO i. d. F. der VO vom 17. März 1945 erklärt sich aus dem Bestreben des Gesetzgebers, den veränderten Sachgehalt der Vorschrift gegenüber der vorher gültigen Regelung (§ 169 RVO i. d. F. der VO vom 12. Dezember 1939; RGBl I 2414) zu verdeutlichen. Nach der früheren Fassung des § 169 RVO waren auch gegen Entgelt beschäftigte Ruhe- und Wartegeldempfänger des öffentlichen Dienstes versicherungsfrei, während sie nach der Neuregelung durch die VO vom 17. März 1945 versicherungspflichtig - mit der Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag (§ 173 RVO) - wurden (vgl. hierzu den im Einverständnis mit dem Bundesminister für Arbeit ergangenen Bescheid der BfArb vom 3. November 1953, Betriebskrankenkasse 1953, 612). Deshalb hebt § 169 RVO n. F. durch das Merkmal "tätig" hervor, daß die Versicherungsfreiheit nach dieser Vorschrift nur für im Dienst stehende Beamte und sonstige im öffentlichen Dienst Beschäftigte gilt (so wohl auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 6. Aufl. Stand: 1. Januar 1963, Bd. II S. 318 b, der zwar davon spricht, daß Versicherungsfreiheit nach § 169 RVO "nur für die Dauer der tatsächlichen Tätigkeit bei diesem Dienstherrn begründet wird", und deshalb auch vom LSG für die im angefochtenen Urteil vertretene Meinung in Anspruch genommen wird; wie die später folgenden Ausführungen zeigen, dürfte aber Brackmann mit der "tatsächlichen Tätigkeit" nur das Dienstverhältnis des aktiven Beamten - im Gegensatz zum Ruhestands- oder Wartestandsbeamten - gemeint haben). Demnach ist § 169 RVO im Falle des Klägers nicht schon deshalb unanwendbar, weil dieser vorläufig des Dienstes enthoben war.
Vielmehr hängt die Entscheidung der Frage, ob der Kläger mit seiner Beschäftigung bei der beigeladenen Firma T. versicherungsfrei ist, davon ab, ob § 169 RVO Versicherungsfreiheit nur für das Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst, das die Grundlage der Gewährleistung der Versorgungsanwartschaft ist, oder schlechthin, also auch für ein daneben eingegangenes - "privates" - Beschäftigungsverhältnis, gewährt. Die Frage taucht im allgemeinen deshalb nicht auf, weil ein Beamter aufgrund seiner Verpflichtung, "sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen" (§ 54 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes - BBG -), die Genehmigung seiner Dienstbehörde zur Übernahme einer Nebenbeschäftigung gegen Vergütung (vgl. § 65 Abs. 1 Nr. 2 BBG) nur unter der Voraussetzung erhält, daß die Nebentätigkeit die dienstlichen Interessen nicht beeinträchtigt (vgl. § 65 Abs. 2 BBG). Regelmäßig wird daher die Nebenbeschäftigung eines aktiven Beamten den Rahmen von gelegentlich oder nebenher ausgeübten Dienstleistungen nicht überschreiten, die ohnehin nach § 168 RVO versicherungsfrei sind. Überschreitet jedoch die außerhalb des Beamtenverhältnisses ausgeübte Beschäftigung - wie im vorliegenden Fall - diesen Rahmen, so wäre dieses Versicherungsverhältnis nur dann versicherungsfrei, wenn § 169 RVO auf einen solchen Fall Anwendung fände.
Nach Auffassung der Revision ist § 169 RVO überhaupt nur auf die neben dem Beamtendienstverhältnis ausgeübten Beschäftigungsverhältnisse anwendbar: Das Beamtendienstverhältnis sei ohnehin versicherungsfrei, da "Beamte" in den die Versicherungspflicht regelnden Vorschriften (§§ 165 ff. RVO) überhaupt nicht aufgeführt seien. Diese Meinung ist irrig. Schon der Wortlaut des § 169 RVO - ... "Beamten und sonstigen Beschäftigten" - läßt erkennen, daß die RVO das Beamtenverhältnis zu den abhängigen Beschäftigungsverhältnissen rechnet, die grundsätzlich Versicherungspflicht begründen, wenn den in § 169 RVO genannten Beschäftigten nicht Versorgungsanwartschaft gewährleistet ist. Beamte sind sozialversicherungsrechtlich Arbeitnehmer - regelmäßig "Angestellte" im Sinne des § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO -, wie auch in der Rechtsprechung des RVA niemals zweifelhaft gewesen ist (vgl. Grunds. Entsch. Nr. 4235, AN 1931, 487, 488; Grunds. Entsch. Nr. 4926, AN 1935, 413, 414). Demnach erfaßt die in § 169 RVO geregelte Versicherungsfreiheit auf jeden Fall und in erster Linie das Beamtendienstverhältnis selbst, dem die Versorgungsanwartschaft entspringt.
Darüber hinaus hat allerdings das RVA angenommen, daß die durch Gewährleistung der Versorgungsanwartschaft begründete Versicherungsfreiheit auf außerhalb des Beamtendienstverhältnisses ausgeübte Beschäftigungsverhältnisse ausstrahlen kann. So hat es Gerichtsassessoren, die vorübergehend zu anderen Dienstleistungen beurlaubt worden waren, als versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung angesehen (Grunds. Entsch. Nr. 4235, AN 1931, 487, 488 und Grunds. Entsch. Nr. 4926, AN 1935, 413, 414). Im gleichen Sinne ist der Bescheid des Reichsarbeitsministers vom 30. Juni 1939 über die Versicherungsfreiheit von Studienassessoren ergangen, die zur Beschäftigung an Privatschulen beurlaubt sind (AN 1939, 335). Ob dieser Auffassung unter den wesentlich veränderten Verhältnissen des heutigen Rechts beigepflichtet werden kann, ist zweifelhaft. Die Frage der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung spielte bei dem genannten Personenkreis keine Rolle; denn die damals zur Beurteilung stehenden Beschäftigungsverhältnisse der beurlaubten Gerichtsassessoren und Studienassessoren waren als Tätigkeit von Angestellten in höherer Stellung nach der damaligen Fassung des § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO ohnehin versicherungsfrei. In der Angestelltenversicherung waren kurzfristige Versicherungsverhältnisse für den Versicherten wenig lohnend: Wurde das Versicherungsverhältnis nach Beendigung der Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung nicht unter Aufbringung erheblicher Beitragsleistungen freiwillig fortgesetzt, so blieben die im Rahmen des Pflichtversicherungsverhältnisses geleisteten Beiträge ohne wirtschaftlichen Nutzen für den Versicherten; eine Möglichkeit der Beitragserstattung, wie sie nach heutigem Recht besteht (§ 1303 RVO = § 82 AVG), war damals nicht gegeben.
Vor allem aber muß als wesentliche Veränderung der Rechtslage angesehen werden, daß das geltende Recht eine Entlastung der Arbeitgeber von ihrer Beitragspflicht aus einem allein in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund bei Beschäftigungsverhältnissen, die in jeder Beziehung den sonst versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen entsprechen, ausschließen will. Deshalb sieht § 113 AVG (= § 1386 RVO) vor, daß der Arbeitgeber für Versicherte, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AVG (= § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO) versicherungsfrei oder nach § 7 Abs. 1 AVG (= § 1230 Abs. 1 RVO) von der Versicherungspflicht befreit sind, den Beitragsanteil zu entrichten hat, den er entrichten müßte, wenn der Versicherte versicherungspflichtig wäre. § 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG (= § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO) ist in diesem Zusammenhang nicht genannt, hätte aber wegen der Gleichheit des Rechtsgrundes hier aufgeführt werden müssen, wenn das Gesetz nicht ohnehin diese Arbeitgeber wegen der Versicherungspflicht der von ihnen beschäftigten Beamten und öffentlichen Bediensteten als beitragspflichtig angesehen hätte.
Selbst wenn aber die aufgezeigten Zusammenhänge nicht zu berücksichtigen wären und § 169 RVO, wie die Revision meint, allein vom Schutzbedürfnis des anderweit beschäftigten Beamten her auszulegen wäre, könnten die von einem vorläufig des Dienstes enthobenen Beamten eingegangenen Beschäftigungsverhältnisse nicht als versicherungsfrei angesehen werden. Wie der Senat bereits im Zusammenhang mit § 173 RVO ausgeführt hat (BSG 14, 185, 191), läßt sich die Durchbrechung des das Recht der Sozialversicherung beherrschenden Grundsatzes der Solidarität der Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes zu Versicherungsgemeinschaften zusammengeschlossen sind, nur rechtfertigen, wenn der sonst durch die Sozialversicherung gegebene Schutz anderweitig gewährleistet ist. Das ist aber bei einem Beamten, der im Rahmen eines Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes enthoben ist, nicht der Fall. Hier ist fraglich geworden, ob das Beamtenverhältnis mit seinen Sicherungen bestehen bleibt. Die Möglichkeit, daß das beamtenrechtliche Dienstverhältnis in Kürze beendet wird, muß bei der Würdigung des Sicherungsbedürfnisses des dienstenthobenen Beamten mit in Rechnung gestellt werden.
In diesem Falle aber erweisen sich die Sicherungen aus dem Beamtenverhältnis als ungenügend. Die mit Entfernung aus dem Amt bestraften Beamten sind zwar grundsätzlich nachzuversichern (§ 1232 RVO). Die Nachversicherung wird aber nur auf der Grundlage der gewährten Bezüge durchgeführt (vgl. § 1402 Abs. 1 RVO), so daß die nach § 79 der Bundesdisziplinarordnung einbehaltenen und nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 ebenda "verfallenen" Dienstbezüge bei der Nachversicherung außer Ansatz bleiben (vgl. hierzu RVA, Grunds. Entsch. Nr. 3947, AN 1931, 32). Würde der dienstentlassene Beamte nicht zum Ausgleich dafür beitragspflichtige Entgelte aus den Beschäftigungsverhältnissen nachweisen können, die er ja gerade zur Aufbesserung seiner unzulänglich gewordenen Dienstbezüge während des Disziplinarverfahrens eingegangen ist, so würden u. U. erhebliche Beträge bei der späteren Gewährung der Rente unberücksichtigt bleiben müssen, auf die er aber nach seiner veränderten Lebenssituation angewiesen ist.
Wie in der Rentenversicherung besteht auch in der Krankenversicherung ein starkes Bedürfnis danach, das vom dienstenthobenen Beamten eingegangene weitere Beschäftigungsverhältnis in die Versicherungspflicht einzubeziehen. Der vorläufig des Dienstes enthobene Beamte behält zwar seinen Anspruch auf Hilfe des Dienstherrn nach den Beihilfegrundsätzen; auch wird er regelmäßig - wie der Kläger - während des Disziplinarverfahrens in der vom Dienstherrn geförderten Krankenversorgungseinrichtung der Beamten bleiben können. Vielfach werden jedoch die dem Beamten während des Disziplinarverfahrens belassenen Dienstbezüge im Falle einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung kein vollwertiger Ersatz für das Krankengeld nebst Arbeitgeberzuschuß sein, das dieser Beamte aus dem anderweitigen Beschäftigungsverhältnis erhalten würde (vgl. § 182 Abs. 4 RVO und § 1 i. V. m. § 2 des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall vom 26. Juni 1957 i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 12. Juli 1961 - BGBl 1957, I, 649 und 1961 I, 913). Hinzu kommt, daß auch dieses gekürzte Diensteinkommen bei Beendigung des Disziplinarverfahrens - wenn nämlich auf Dienstentlassung ohne Zubilligung eines Unterhaltsbeitrags erkannt wird - ganz entfallen kann, so daß der in diesem Zeitpunkt Arbeitsunfähige völlig ungesichert wäre.
Ähnlich ausgeprägt ist in der Arbeitslosenversicherung das Sicherungsbedürfnis des vorläufig des Dienstes enthobenen Beamten, der eine anderweite Beschäftigung aufgenommen hat. Die Gewährung von Versicherungsleistungen in der Arbeitslosenversicherung setzt die Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus (§ 87 Nr. 2 AVAVG a. F., § 74 Abs. 1 AVAVG n. F.); der Arbeitslose muß grundsätzlich wenigstens 26 Wochen in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden haben (§ 95 Abs. 1 AVAVG a. F., § 85 AVAVG n. F.). Der nach seiner Dienstentlassung aus dem Dienstverhältnis arbeitslose ehemalige Beamte hat daher nur dann Anspruch auf die Versicherungsleistungen der Arbeitslosenversicherung, wenn er entsprechende Vorversicherungszeiten aufzuweisen hat. Auch dieser Zusammenhang legt eine Einbeziehung des vom dienstenthobenen Beamten ausgeübten weiteren Beschäftigungsverhältnisses in die Versicherungspflicht nahe.
Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß die Versicherungsfreiheit nach § 169 RVO sich nicht auf abhängige Beschäftigungsverhältnisse erstreckt, die vorläufig des Dienstes enthobene Beamte neben ihrem Beamtenverhältnis eingehen. Damit ist klargestellt, daß der Kläger während der ganzen Zeit seiner Beschäftigung bei der beigeladenen Firma T. versicherungspflichtig in der Kranken- und in der Arbeitslosenversicherung sowie für die Zeit bis zum 28. Februar 1957 versicherungspflichtig in der Invalidenversicherung war.
Soweit es sich um die Versicherungspflicht des Klägers in der Rentenversicherung der Arbeiter für die Zeit vom 1. März 1957 an handelt, ist § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO i. d. F. d. Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) maßgebend (vgl. Art. 3 § 8 Satz 2 ArVNG). Die dem § 169 RVO entsprechende Befreiungsvorschrift ist § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO. Bereits bei der Auslegung des § 169 RVO ist der Zusammenhang mit der Rentenversicherung dargelegt und gewürdigt worden. Wenn auch die Versicherungspflicht in den Vorschriften über die Rentenversicherung der Arbeiter nunmehr eigenständig geregelt ist, so hat sich doch der Sachgehalt der dem § 169 RVO entsprechenden Befreiungsvorschrift - jetzt § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO - nicht geändert. Durch die Weglassung des in § 169 RVO verwandten Merkmals: "... in Betrieben oder im Dienste tätigen Beamten ..." ist nur im Sinne der bereits dargelegten Auffassung deutlicher geworden, daß das Dienstverhältnis des aktiven Beamten, nicht die tatsächliche Tätigkeit als Beamter gemeint ist. Aus den bereits dargelegten Gründen, die auch in der Rentenversicherung das ausgeprägte Sicherungsbedürfnis des dienstenthobenen, anderweit beschäftigten Beamten und die Notwendigkeit der Gleichbehandlung der Arbeitgeber aufzeigten, muß auch für § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO gelten, daß diese Befreiungsvorschrift in einem Falle wie dem vorliegenden nicht anwendbar ist.
Die Revision ist somit in vollem Umfange unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen