Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 24.09.1991)

SG Itzehoe (Urteil vom 07.03.1991)

 

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. September 1991 aufgehoben, soweit zur Erstattung von Beiträgen verurteilt worden ist. Insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 7. März 1991 zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung.

Der Kläger war versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt sowie bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse krankenversichert. Als er arbeitsunfähig erkrankt war und die Lohnfortzahlung geendet hatte, bezog er vom 19. Januar 1985 bis 6. Juni 1986 Krankengeld. Auf seinen Antrag erkannte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 21. August 1986 einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) an. Dabei stellte sie den Eintritt des Versicherungsfalles am 3. Januar 1985 fest, den Rentenbeginn jedoch erst am 1. Juli 1985.

Auf den Antrag des Klägers vom 29. Juni 1988 erstattete ihm die Beklagte die Beiträge zur Rentenversicherung für die Zeit vom 19. Januar 1985 bis zum 6. Juni 1986. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erstattete die Beklagte jedoch nur für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis 6. Juni 1986. Hierüber erteilte sie den Bescheid vom 27. Juli 1988. Die mit dem Widerspruch vom Kläger begehrte Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auch für die Zeit vom 19. Januar bis 30. Juni 1985 lehnte die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 6. April 1989 ab.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 7. März 1991 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) hat der Berufung des Klägers stattgegeben. Die nach § 149 letzte Alternative des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung sei begründet, weil dem Kläger die vom 19. Januar bis 30. Juni 1985 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gemäß § 185a Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (HBegleitG) iVm § 26 Abs 3 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV), ebenfalls idF des HBegleitG, zu erstatten seien. Diese Beiträge seien zu Unrecht entrichtet worden. § 186 Abs 1 AFG in der genannten Fassung schreibe nämlich in der hier maßgeblichen Alternative vor, daß der Träger der Krankenversicherung Beiträge für Zeiten der Krankengeldzahlung nur zu entrichten habe, wenn eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung durch Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden sei. Daraus folge, daß der Kläger nicht beitragspflichtig gewesen sei, weil bei ihm mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die beitragspflichtige Beschäftigung beendet, aber nicht unterbrochen worden sei. Insofern müsse der Begriff „unterbrechen” bei § 186 Abs 1 AFG genauso ausgelegt werden, wie ihn die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Rahmen des § 1259 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgelegt habe. Da somit die Anfechtungsklage gegenüber der Beklagten auf alle Fälle Erfolg habe, könne es dahinstehen, ob die Beklagte nach den „Gemeinsamen Grundsätzen für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung” vom 23. Mai 1977 zum Erlaß der angefochtenen Bescheide unzuständig war und die Bescheide schon deshalb aufzuheben seien. Für die Leistungsklage sei die Beklagte nach § 185a Abs 3 Nr 3 AFG in der seit dem 1. Januar 1989 geltenden Fassung in Verbindung mit Nr 3.3.3 der genannten Grundsätze idF vom 9. November 1989 passiv legitimiert.

Mit der Revision rügt die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit (BA) eine Verletzung des § 185a Abs 1 AFG iVm § 26 Abs 3 SGB IV sowie des § 186 Abs 1 AFG, sämtliche Vorschriften idF des HBegleitG.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts abzuändern, soweit zur Erstattung von Beiträgen verurteilt worden ist, und insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist begründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung des von ihm getragenen Teils der vom 19. Januar bis 30. Juni 1985 auf Krankengeld entrichteten Beiträge hat.

Die Beklagte ist zu der beantragten Beitragserstattung – entgegen der Auffassung des LSG – schon wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit nicht verpflichtet.

Nach § 185a Abs 1 Satz 1 AFG sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. Für die Rückzahlung und damit auch für die Entscheidung über die Erstattung war nach Satz 1 der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung des § 185a Abs 3 AFG das Arbeitsamt zuständig. Nach Satz 2 der Vorschrift wurden die Beiträge durch die Einzugsstelle zurückgezahlt, soweit dies die BA mit den Bundesverbänden der Krankenkassen vereinbart hatte. Die hierzu vereinbarten „Gemeinsamen Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung” vom 23. Mai 1977 (Die Beiträge 1977, S 241) sahen zwar dementsprechend – außer im Fall der Ablehnung – die Zuständigkeit der Einzugsstellen für die Erstattung vor. Es war aber nach damaligen Recht bereits zweifelhaft, ob diese Vereinbarung auch auf Beiträge aus Entgeltersatzleistungen wie die nach § 186 AFG anwendbar war.

Für die vorliegende Leistungsklage ist hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit das seit dem 1. Januar 1989 geltende Recht maßgebend. Die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene Neufassung des § 185a Abs 3 AFG, nach der nunmehr das Landesarbeitsamt zuständig ist, beruht auf Art 5 Nr 6 Buchst b des Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2330). Nach Nr 3 der Vorschrift werden Beiträge durch die zuständige Einzugsstelle oder den Leistungsträger erstattet, soweit die BA dies mit den Einzugsstellen oder den Leistungsträgern vereinbart hat. Eine Vereinbarung, daß die nach § 186 Abs 1 Satz 1 AFG zur Beitragszahlung verpflichtete beklagte Krankenkasse zuständig ist, zu Unrecht entrichtete Beitragsanteile des Versicherten nach § 186 AFG diesem zu erstatten, besteht nicht. Insbesondere ist, nachdem der Gesetzgeber in § 185a Abs 3 Nr 3 AFG nunmehr ausdrücklich zwischen Einzugsstellen und Leistungsträgern unterscheidet, hierfür nicht die Neufassung der „Gemeinsamen Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung” vom 9. November 1989 (Die Beiträge 1990, S 44) maßgeblich, weil sie den Krankenkassen als Einzugsstellen, nicht aber als Leistungsträgern bestimmte Zuständigkeiten einräumen.

Der Kläger hat in der Berufungsbegründung beantragt, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, ihm die streitigen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu erstatten. Da das LSG dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben hat, brauchte es über den Hilfsantrag nicht zu befinden. Anders verhält es sich nun, nachdem der erkennende Senat den gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf Beitragserstattung schon an deren fehlender Zuständigkeit scheitern läßt. Zwar könnte die Beigeladene im Rahmen des § 75 Abs 5 SGG verurteilt werden, ohne daß sie ihrerseits einen Verwaltungsakt erlassen und ein Vorverfahren durchgeführt hat (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 5. Mai 1988 in SozR 2200 § 1425 Nr 3 mwN); das Erstattungsbegehren ist aber auch gegenüber der beigeladenen BA unbegründet.

Eine Erstattung nach § 185a AFG scheidet nämlich aus, weil die zurückverlangten Beiträge nicht zu Unrecht entrichtet worden sind. In seinem Urteil vom 19. März 1992 (SozR 3-4100 § 186 Nr 1) hat der erkennende Senat in einem vergleichbaren Fall die Erstattung von im Jahre 1985 entrichteten Beiträgen auf Krankengeld durch die BA verneint und entschieden, daß die Beitragspflicht des Krankengeldes zur BA nach § 186 AFG bei EU nicht vor dem Zeitpunkt endet, an dem entweder die Rente beginnt oder an dem der Rentenversicherungsträger die EU feststellt. Die Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet worden, daß vor der Feststellung der EU durch den zuständigen Rentenversicherungsträger nach § 105a AFG Arbeitslosengeld nicht versagt werden darf, dann aber für die fragliche Zeit auch Beiträge entrichtet werden müssen, da der Gesetzgeber ein Auseinanderfallen von Beitrags- und Leistungsseite in diesem Falle nicht beabsichtigt hat. Dementsprechend war und ist – entgegen der Auffassung des LSG – der in § 186 Abs 1 Satz 1 AFG enthaltene Begriff des Unterbrechens nicht in dem Sinne zu verstehen, daß die Wiederaufnahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung nach dem Krankengeldbezug und damit eine „Umrahmung” dieser Zeit Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist. Der Senat hält die in den Gründen der genannten Entscheidung enthaltenen Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Entrichtung von Beiträgen, die vor Feststellung der EU oder vor Rentenbeginn aufgrund des Bezuges von Krankengeld an die BA entrichtet worden sind, auch im vorliegenden Fall für zutreffend und verweist hinsichtlich der Begründung im einzelnen auf dieses Urteil.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173040

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge