Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage. Klärungsbedürftigkeit. Maßstab
Orientierungssatz
Für die Frage nach der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage kommt es im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf den Bedarf nach Klärung durch das BVerfG an, sondern entscheidend ist die Frage nach der Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit innerhalb des Revisionsverfahrens (vgl BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B = Sozr 3-1500 § 160a Nr 34 und vom 2.11.2009 - B 13 R 291/09 B).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Beschluss vom 11.01.2012; Aktenzeichen L 5 R 107/11) |
SG Kassel (Entscheidung vom 10.01.2011; Aktenzeichen S 7 R 14/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Beschluss vom 11.1.2012 hat das Hessische LSG den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Rente wegen Erwerbsminderung verneint. Dieser hatte sich mit seiner Klage gegen den zusätzlichen Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner iHv 0,9 Prozent und gegen die Minderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres gewandt. Ferner hatte er die Feststellung von Zurechnungszeiten über das 60. Lebensjahr hinaus begehrt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 18.4.2012 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzeigen (vgl zum Ganzen BSG vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Der Kläger bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam die Frage, |
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"ob die Eingriffe in die Anwartschaft bzw. das Rentenvollrecht auf Erwerbsminderungsrente, so insbesondere die Verminderung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungsrenten bei Inanspruchnahme vor der Regelaltersgrenze, ebenso wie ausgebliebene oder verminderte und im Hinblick auf die Inflation unzureichende Rentenanpassungen, aber auch der Zusatzbeitrag der Krankenversicherung der Rentner i.H.v. 0,9 Prozent, wie auch die alleinige Tragung des Pflegeversicherungsbeitrags durch die Rentner, zusammengenommen als additiver Grundrechtseingriff das Maß des verfassungsrechtlich Zumutbaren nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG überschreiten. |
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Sollte der Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht für einschlägig befunden werden, so stellt sich die Frage, ob die genannten Belastungen in ihrer Kumulation nach Art. 2 Abs. 1 GG als verfassungswidrig einzustufen sind." |
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit hinreichend konkrete Rechtsfragen im oben genannten Sinne formuliert hat. Jedenfalls fehlt es bereits an der erforderlichen Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit.
Der Kläger trägt vor, es sei nach der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass mehrere Einwirkungen als sogenannter additiver Eingriff zusammenzurechnen sein könnten und so möglicherweise zu einer Beeinträchtigung des Grundrechtsinhabers führten, die das Maß der rechtsstaatlichen Eingriffsintensität überschreite, und zitiert hierzu auch Rechtsprechung des BVerfG. Dieses habe jedoch über die Verfassungsmäßigkeit der Kumulation der in den gestellten Fragen benannten Belastungen noch nicht entschieden (S 10 der Beschwerdebegründung); anhängig seien aber Verfassungsbeschwerden zu BSG-Urteilen, die sich ua mit der Rentenanpassung 2005, dem Krankenversicherungszusatzbeitrag von 0,9 Prozent und dem vollen Pflegeversicherungsbeitrag für Rentner befassten (Senatsurteil vom 13.11.2008 - B 13 R 13/08 R; Urteil vom 21.1.2009 - B 12 R 11/06 R; S 3 und 11 der Beschwerdebegründung). Der Kläger versäumt allerdings, sich mit dieser Rechtsprechung des BSG auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob nicht diese bereits die von ihm gestellten Fragen beantwortet. Wenn dies der Fall gewesen wäre, er jedoch der Rechtsauffassung des BSG nicht zugestimmt hätte, hätte er Argumente vortragen müssen, die nicht bereits das BSG behandelt hat.
Darüber hinaus enthält die Beschwerde aber auch keine hinreichenden Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen. Aus ihrer Begründung ergibt sich, dass weder die ausdrücklich erwähnten "Rentenanpassungen" noch die "alleinige Tragung des Pflegeversicherungsbeitrags durch die Rentner", die zusammen mit den anderen dort bezeichneten Maßnahmen einen "das Maß des Zumutbaren" überschreitenden additiven Grundrechtseingriff in Art 14 Abs 1 GG und/oder Art 2 Abs 1 GG ergeben sollen, Gegenstand des Berufungsverfahrens waren. Dann aber hätte der Kläger aufzeigen müssen, warum dennoch über die von ihm gestellten Fragen in einem zukünftigen Revisionsverfahren entschieden werden könnte.
Für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblich ist, dass zu den von dem Kläger aufgeworfenen Problemkreisen noch Verfassungsbeschwerden beim BVerfG anhängig sind. Denn hier kommt es nicht auf den Bedarf nach Klärung durch das BVerfG an, sondern entscheidend ist die Frage nach der Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit innerhalb des Revisionsverfahrens (vgl BSG vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72; Senatsbeschluss vom 2.11.2009 - B 13 R 291/09 B - BeckRS 2009, 74206 RdNr 11); für diese fehlen aber - wie aufgezeigt - hinreichende Ausführungen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen