Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 4. September 2020 (7 FH 40/20) abgeändert:

Der Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Beschwerdewert wird auf 10.524 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

1.Der Antragsgegner ist der Vater der am ... .04.2007 geborenen Antragstellerin. Am 12.05.2020 beantragte die Antragstellerin, vertreten durch das Jugendamt des Landkreises B... als Beistand, gegen den Antragsgegner im vereinfachten Verfahren Kindesunterhalt in Höhe von 110 % des jeweiligen Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes seit dem 01.06.2019 sowie Zinsen in gesetzlicher Höhe aus einem Unterhaltsrückstand von 5.184 EUR festzusetzen.

Mit Beschluss vom 04.09.2020 hat das Amtsgericht Bernau bei Berlin - nach Anhörung des Antragsgegners - den Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren antragsgemäß festgesetzt.

Gegen den am 09.09.2020 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit einem am 06.10.2020 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, dass das Kind T... zu gleichen Teilen von beiden Elternteilen betreut, versorgt und erzogen werde. Jeder Elternteil trage sämtliche Kosten für das Kind während seiner Betreuungszeit.

2.Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 04.09.2020 ist begründet. Der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren ist bereits unzulässig.

Nach § 256 Satz 1 FamFG können mit der Beschwerde nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens (§ 252 Abs. 1 Satz 1 FamFG), die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG sowie die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung oder Kostenfestsetzung, sofern sie nach allgemeinen Grundsätzen anfechtbar sind, geltend gemacht werden.

Gemäß § 249 Abs. 1 FamFG ist das vereinfachte Verfahren nur statthaft, wenn der Unterhalt eines minderjährigen Kindes, das mit dem in Anspruch genommenen Elternteil nicht in einem Haushalt lebt, festgesetzt werden soll. Hierbei handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung des vereinfachten Unterhaltsfestsetzungs-verfahrens im Sinne von § 252 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren ist auf den Fall und denjenigen Zeitraum beschränkt, dass das Kind nicht im Haushalt des in Anspruch genommenen Elternteils lebt und dieser allein barunterhaltspflichtig ist (vgl. dazu OLG Celle, FamRZ 2003, 1475; OLG Stuttgart, FamRZ 2014, 1473 für den Fall der Barunterhaltspflicht beider Elternteile, weil das Kind von einem Dritten betreut wird; BGH, FamRZ 2017, 816 für den Fall eines Obhutswechsels während des laufenden Verfahrens).

Das vereinfachte Unterhaltsfestsetzungsverfahren ist mithin unzulässig, wenn das Kind auch bei dem in Anspruch genommenen Elternteil lebt. Ein Kind lebt aber noch nicht im Haushalt des anderen Elternteils, wenn es sich im Einverständnis mit dem hauptsächlich betreuenden Elternteil zum Zwecke des Umgangs regelmäßig beim anderen Elternteil aufhält, denn ein bloßer Umgangsaufenthalt verlagert den Lebensmittelpunkt des Kindes nicht. Nur wenn die Eltern ein echtes Wechselmodell praktizieren, d. h. das Kind in etwa gleich langen Zeiträumen abwechselnd in den jeweiligen Haushalten eines Elternteils lebt, sind die Voraussetzungen des § 249 Abs. 1 FamFG nicht erfüllt (OLG Dresden, FamRZ 2020, 112; OLG Frankfurt, FamRZ 2020, 838; erkennender Senat, Beschluss vom 28.08.2017 - 9 WF 160/17 - NZFam 2017, 1062; OLG Celle, a.a.O.; Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl., § 249 Rz. 13). Letzteres ist hier der Fall.

Nach dem unstreitigen Vorbringen des Antragsgegners wird die Minderjährige T... (Antragstellerin) zu gleichen Teilen von beiden Elternteilen betreut, versorgt und erzogen. Die Eltern praktizieren seit ihrer Trennung in Bezug auf das gemeinsame Kind ein paritätisches Wechselmodell. Die Tochter lebt im Haushalt des einen als auch in dem des anderen Elternteils. Bei gleichrangiger Betreuung des Kindes durch die Eltern - wie hier - fehlt es an den Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gemäß den §§ 249 ff. FamFG; der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung ist vorliegend unzulässig und unterliegt deshalb der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 40, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14286993

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