Rn 6

Wirkungen des deutschen Insolvenzverfahrens (z. B. §§ 104, 115, 116, 117 InsO, aber auch durch die Restschuldbefreiung oder einen Insolvenzplan), die vor der Einstellung eingetreten sind und nicht auf die Dauer des Verfahrens beschränkt sind, bleiben auch wirksam, wenn sie den Wirkungen des ausländischen Verfahrens nach der fremden lex fori concursus widersprechen.

 

Rn 7

Da die Einstellung das Verfahren nicht mit rückwirkender Kraft beendet,[9] behalten alle vom Insolvenzverwalter vorgenommenen Rechtshandlungen ihre Wirksamkeit. Damit wird der Rechtssicherheit Genüge getan. Es würde zu untragbaren Ergebnissen führen, wenn Verträge und Verfügungen des Insolvenzverwalters rückwirkend unwirksam werden.

 

Rn 8

Hat der deutsche Insolvenzverwalter beispielsweise einen Gegenstand aus der Insolvenzmasse veräußert oder belastet, so bleiben diese Verfügungen auch nach der Einstellung wirksam.[10]

 

Rn 9

Wirksam bleiben ebenfalls Rechtshandlungen, die gegenüber dem Insolvenzverwalter vorgenommen wurden.

 

Rn 11

Umstritten ist, ob die Eröffnung des Verfahrens in fahrlässiger Unkenntnis über den früheren ausländischen Eröffnungsbeschluss ebenfalls die Anwendung des Art. 102 § 4 Abs. 2 EGInsO durch die EuInsVO sperrt.[13]

 

Rn 10

Dies gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht, wenn das zweite Insolvenzverfahren im Inland nicht irrtümlich, sondern in Kenntnis des ersten Hauptinsolvenzverfahrens im Ausland eröffnet worden ist, Art. 102 § 4 Abs. 2 findet dann keine Anwendung. Diese Norm ist mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar und wird durch den Anwendungsvorrang der EuInsVO suspendiert.[11] In Hinblick auf Art. 17 Abs. 1 EuInsVO (Art. 20 Abs. 1 EuInsVO n. F.) kann die Eröffnung des zweiten Hauptinsolvenzverfahrens keine Wirkung entfalten. Ein zweiter Eröffnungsbeschluss ist schwebend unwirksam, und erlangt erst Wirkung, wenn der zuerst ergangene Eröffnungsbeschluss aufgehoben wird. Der Grundsatz der Wirkungserstreckung gilt so lang, als im Anerkennungsstaat kein Partikularverfahren nach Art. 3 Abs. 2 (Art. 3 Abs. 2 EuInsVO n. F.) EuInsVO eröffnet wurde.[12]

[10] BGH, Beschl. v. 29.05.2008, IX ZB 102/07, NZI 2008, 572 (574 f.).
[13] Nerlich/Römermann-Commandeur, Art. 102 § 4 EGInsO Rn. 12; FK-Wenner/Schuster, Art. 102 § 4 EGInsO Rn. 8, HK-Stephan Art. 102 § 4 EGInsO Rn. 8.
[11] Dafür FK-Wenner/Schuster, Art. 102 § 4 EGInsO Rn. 7; HK-Stephan Art. 102 § 4 EGInsO Rn. 8, da die Anerkennung nach Art. 16, 17 EuInsVO automatisch ohne Formerfordernisse und damit unabhängig vom Kenntnisstand des nationalen Gerichts erfolgt; a. A. Herchen, EWiR 2009, 17 [BGH 29.05.2008 - IX ZB 103/07].
[12] Nerlich/Römermann-Commandeur, Art. 102 § 4 EGInsO Rn. 2.

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