Rn 22

Bei der Prüfung der Insolvenzgründe ist zwischen Partikular- und Sekundärinsolvenzverfahren zu unterscheiden. Während nach § 356 Abs. 3 InsO ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wird, ohne dass ein Insolvenzgrund festgestellt werden muss, muss bei einem Partikularverfahren ein Insolvenzgrund i. S. d. §§ 17 ff. InsO vorliegen. Dabei kann es sich – als Fremdantrag – nur um die Zahlungsunfähigkeit oder um die Überschuldung handeln.

3.6.1 Zahlungsunfähigkeit

 

Rn 23

Umstritten bei dem Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit ist, ob auf einen rein niederlassungsbezogenen Begriff der Zahlungsunfähigkeit abzustellen ist oder ob die Zahlungsunfähigkeit anhand eines weltweiten Maßstabes zu beurteilen sein soll. Für einen globalen Maßstab spricht, dass der Niederlassung keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt und das aus der Hauptniederlassung immer Geld in die Zweigniederlassung transferiert werden kann.[21] Würde man dem folgen, hätte der Gläubiger, der die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens beantragt, nachzuweisen, dass der Schuldner global nicht in der Lage ist, seine fälligen Leistungen zu erfüllen.[22] Dieser Nachweis kann bei einem weltweit agierenden Unternehmen von dem Gläubiger kaum erbracht werden bzw. würde umfangreiche Ermittlungen erfordern.[23] In einem vergleichbaren Fall hat der BGH entschieden, dass lediglich auf das Zahlungsverhalten der Niederlassung in Deutschland, der Hauptniederlassung und allenfalls der Niederlassungen in anderen europäischen Staaten abzustellen sei.[24] Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit sollte aus Praktikabilitätsgesichtspunkten mithin niederlassungsbezogen festgestellt werden.[25]

[21] Wimmer, ZIP 1998, 982, 986.
[22] Siehe für die EuInsVO, Wimmer, ZIP 1998, 982, 986; BK-Pannen, Art. 3 EuInsVO Rn. 33; Pannen, EuInsVO Art. 3 Rn. 133.
[23] Wimmer, ZIP 1998, 982, 986.
[24] BGH, ZIP 1991, 1014, 1015 [BGH 11.07.1991 - IX ZR 230/90]. Insoweit missverständlich: Braun-Liersch/Delzant, § 354 Rn. 18.
[25] Im Ergebenis auch MünchKomm-Reinhart, § 354 Rn. 25; a. A.: Braun-Liersch/Delzant, § 354 Rn. 18; Uhlenbruck-Lüer, § 354 Rn. 16.

3.6.2 Überschuldung

 

Rn 24

Im Gegensatz dazu muss bei der Überschuldung auf den hinter der Niederlassung stehenden Rechtsträger abgestellt werden. Überschuldet kann nämlich immer nur der Rechtsträger sein.[26] Der Insolvenzgrund der Überschuldung lässt sich also nur feststellen, wenn weltweit die Aktiva und Passiva betrachtet werden.[27]

[26] Wimmer, ZIP 1998, 982, 986.
[27] Braun-Liersch/Delzant, § 354 Rn. 17; MünchKomm-Reinhart, § 354 Rn. 27. Siehe auch für die EuInsVO Wimmer, ZIP 1998, 982, 987; BK-Pannen, Art. 3 EuInsVO Rn. 37.

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