Rn 2

Wesentlicher Vorzug der Eigenverwaltung ist die Möglichkeit des Schuldners, selbst Herr im Unternehmen zu bleiben. Der Schuldner ist im Eigenverwaltungsverfahren berechtigt, über die Gegenstände der Insolvenzmasse weiterhin selbst zu verfügen. Im Gegensatz dazu geht im "normalen" Insolvenzverfahren die Verwaltungs- und- Verfügungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter über. Der Schuldner wird bei der Eigenverwaltung jedoch durch den gemäß § 270c gerichtlich bestellten Sachwalter beaufsichtigt. Nach § 270 a.F. konnten die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung oft nicht mit hinreichender Sicherheit dargestellt werden, so dass vor allem aus Sicht des den Antrag stellenden Schuldners eine große Unsicherheit bestand, ob das Gericht auf seinen Antrag hin die Eigenverwaltung anordnen oder schlichtweg einen (vorläufigen) Insolvenzverwalter bestellen würde. Mit den durch das ESUG an § 270 eingeführten Änderungen sollen "alle Beteiligten eine größere Planungssicherheit hinsichtlich des Ablaufs des Verfahrens erhalten".[3] Nach dieser Gesetzesänderung ist nicht mehr davon auszugehen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung aus der Sicht des Gesetzgebers eine seltene Ausnahme sein soll.[4] Allerdings werden sich auch in der Zukunft die meisten Verfahren nicht für die Anordnung der Eigenverwaltung eignen.

 

Rn 3

Mit Recht wird darauf hingewiesen,[5] dass selbstverständlich auch die Sanierung im Rahmen der Eigenverwaltung dazu dienen muss, die für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehende Masse zu maximieren. Nur unter Einhaltung dieser Prämisse kann eine Reorganisation des Unternehmens zugelassen werden, gleich ob im Verfahren der Eigenverwaltung oder außerhalb. Dass die InsO also die Möglichkeit der Eigenverwaltung bietet und dass das ESUG nunmehr deren Anordnung erleichtern will, bedeutet deswegen nicht, dass dadurch eine Schlechterstellung der Gläubiger in Kauf genommen werden dürfte.

 

Rn 4

Ein Vorteil der Eigenverwaltung ist, dass unternehmerisches Wissen, Kenntnise und Erfahrungen der Geschäftsleitung erhalten bleiben, sofern diese nicht ausgetauscht wird, und dass Kundenbeziehungen daher unverändert bestehen bleiben können. Ein besonderer Aspekt ist auch, dass durch die Erhaltung des Rechtsträgers personengebundene Genehmigungen erhalten bleiben. Auch ein Kostenargument spricht für das Eigenverwaltungsverfahren, weil die Vergütung des Sachwalters nach § 12 InsVV lediglich 60% der Verwaltervergütung beträgt. Nicht vernachlässigt werden darf hierbei aber, dass der Aufgabenbereich des Sachwalters enger gefasst ist als der des Insolvenzverwalters, so dass nicht vom Sachwalter zu übernehmende Aufgaben ggf. gesondert vergütet werden müssen.[6] In der Praxis werden häufig Personen, die bereits erfahrene Insolvenzverwalter sind, zu diesem Zweck als Organ in die Geschäftsleitung des Schuldners bestellt. Unverändert bleibt durch die Anordnung der Eigenverwaltung der zentrale insolvenzrechtliche Grundsatz, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Einzelvollstreckungen auf ein Verfahren der Gesamtvollstreckung übergegangen wird. Bei der Eigenverwaltung wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis jedoch nicht wie im Standardinsolvenzverfahren auf den Insolvenzverwalter, sondern auf den Schuldner selbst übertragen. Der Schuldner wird damit zum Amtswalter in eigenen Angelegenheiten mit bestimmten gesetzlichen Rechten und Pflichten. Er muss mit Anordnung der Eigenverwaltung die in § 1 festgelegten Ziele des Insolvenzverfahrens beachten und im Sinne einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung handeln.

 

Rn 5

Die Aufgabenverteilung zwischen dem Schuldner und dem Sachwalter ist nicht zentral, sondern in verschiedenen Vorschriften geregelt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird nicht einem Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen übertragen, sondern dem Schuldner selbst, der dadurch ähnlich wie ein fremder Insolvenzverwalter in die insolvenzrechtliche Amtswalterstellung einrückt, die ihm besondere Befugnisse verleiht. Die Kompetenzabgrenzung folgt dem Grundsatz, dass die laufenden Geschäfte vom Schuldner geführt werden und der Sachwalter einerseits diese Geschäftsführung kontrolliert und unterstützt, andererseits die besonderen Aufgaben wahrnimmt, die sonst dem Insolvenzverwalter in erster Linie im Interesse der Gläubiger übertragen sind. Mit der Berechtigung des Schuldners im Eigenverwaltungsverfahren, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, geht seine Verpflichtung einher, auch alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen.[7] Nach § 270c Satz 2 sind die Forderungen der Insolvenzgläubiger beim Sachwalter anzumelden, die Erstellung der Verzeichnisse erfolgt gemäß § 281 Abs. 1 allerdings durch den Schuldner. Gemäß § 274 Abs. 2 hat der Sachwalter die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie ggf. die Ausgaben für die Lebensführung des Schuldners zu ...

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