Rn 1

Die Vorschrift regelt in ihrem Abs. 1 zunächst generalklauselartig die Befugnis und gleichzeitig die Pflicht des Insolvenzgerichts, für die Dauer des Insolvenzantragsverfahrens Sicherungsmaßnahmen zu treffen, um die spätere Insolvenzmasse, d.h. das schuldnerische Vermögen, schon in diesem Verfahrensstadium in ihrem Bestand zu erhalten. Dabei ist in die Konzeption der Vorschrift die praktische Erfahrung eingeflossen, dass häufig von der Antragstellung bis zur endgültigen Entscheidung über die Verfahrenseröffnung ein erheblicher Zeitraum vergehen kann, in dem zum einen die notwendigen Ermittlungen durchgeführt und zum anderen oft die Voraussetzungen für eine Verfahrenseröffnung überhaupt erst geschaffen werden. Eine erhebliche Verkürzung dieses Zeitraums ermöglicht die in §§ 4a ff. für natürliche Personen vorgesehene Stundung der Verfahrenskosten. Liegen ihre Voraussetzungen vor, kann das Gericht regelmäßig kurzfristig die Eröffnungsvoraussetzungen bejahen. Bei Eigenanträgen natürlicher Personen kommt mithin die Anordnung vorläufiger Maßnahmen selten in Betracht.

 

Rn 2

In jedem Fall ist für eine effektive Sicherung ein klar umrissenes und im Einzelnen durchnormiertes Instrumentarium erforderlich. Zu diesem Zweck werden in Abs. 2 der Vorschrift einzelne vorläufige Maßnahmen ausdrücklich geregelt, von denen vor allem die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder nunmehr eines vorläufigen Gläubigerausschusses hervorzuheben sind. Ergänzend hierzu werden explizit geregelte Sicherungsmaßnahmen in den §§ 22 bis 24 weiter präzisiert. Daneben enthält § 21 eine Klarstellung der im Eröffnungsverfahren möglichen Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen. Es steht damit ein umfassendes und differenziertes Instrumentarium zur Verfügung, um die im jeweiligen Einzelfall bestehenden Sicherungs- und Mitwirkungsbedürfnisse angemessen zu befriedigen.

 

Rn 3

Darüber hinaus wird in Abs. 3 der Vorschrift ausdrücklich geregelt, dass auch in diesem Verfahrensstadium die zwangsweise Vorführung und Haftanordnung gegen den Schuldner bzw. seine Organe zulässig sind. Insgesamt sind damit die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners bzw. seiner organschaftlichen Vertreter im Eröffnungsverfahren klar umrissen. Die hierzu in den Vorschriften § 20, § 21 Abs. 3 enthaltenen Regelungen werden noch ergänzt durch die speziellen Pflichten des Schuldners gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 22 Abs. 3.

 

Rn 4

Im Hinblick auf die Erfahrungstatsache, dass das Eröffnungsverfahren entscheidenden Einfluss auf den späteren Erfolg des Insolvenzverfahrens hat, kommt der hier besprochenen Regelung in der Praxis im Zusammenwirken mit § 22 überragende Bedeutung zu. Diese besteht nicht nur darin, das Instrumentarium der unterschiedlichen Kombinationen von Sicherungsmaßnahmen zu beherrschen und effektiv einzusetzen, sondern auch eine professionelle und vor allem geeignete Verwalterpersönlichkeit auszuwählen. Mit Rücksicht auf die Aufgaben und Anforderungen in einem modernen Insolvenzverfahren müssen die Insolvenzgerichte zukünftig noch sorgfältiger die Frage prüfen, ob der ins Auge gefasste Verwalter ausreichend qualifiziert und leistungsfähig ist, um das Verfahren erfolgreich und effektiv zu bewältigen. Die Erfüllung dieser Auswahlaufgabe dürfte vor allem durch die Bildung von Schwerpunktgerichten erleichtert und damit i.S. der beteiligten Gläubiger besser erfüllt werden, weil mit einer solchen Konzentration und der damit verbundenen intensiveren Befassung des Gerichts mit der insolvenzrechtlichen Spezialmaterie auch eine Verbesserung des insolvenzrechtlichen Sachverstands des eingesetzten Justizpersonals verbunden sein dürfte.[1] Leider sind die Konzentrationsbemühungen des Gesetzgebers in § 2 Abs. 2 unzulänglich und werden durch eine Absenkung des errechneten Personalbedarfs (sog. PEBB §Y- Fortschreibung 2014) konterkariert.

[1] Ausführlich: Bericht der Ständigen Deputation des Deutschen Restrukturierungs- und Insolvenzgerichtstags, ZInsO 2022, 1850; vgl. hierzu auch § 22 Abs. 6 GVG und § 18 Abs. 4 RPflG in ihrer ab 01.01.2013 geltenden Fassung.

1.1 Anordnungsvoraussetzungen

 

Rn 5

Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob vorläufige Maßnahmen angeordnet werden müssen. Im Gesetz wird zwischen Eigen- und Fremdanträgen nicht differenziert.[2] Auch findet § 21 bei Verbraucherinsolvenzanträgen ebenfalls Anwendung (vgl. § 306 Abs. 2 Satz 1), wenn auch die praktische Bedeutung eher gering ist (vgl. die Kommentierung bei § 306 Rdn. 20 ff). Bei seiner Prüfung muss das Gericht im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.[3] Die Erforderlichkeit der angeordneten Maßnahmen muss vom Gericht auch nach Erlass noch fortlaufend überprüft werden. Entfallen die Anordnungsvoraussetzungen nachträglich, müssen die Maßnahmen aufgehoben werden (vgl. § 25 Rdn. 6). Ändert sich das Sicherungsbedürfnis, müssen die vorläufigen Maßnahmen fortlaufend angepasst werden.[4]

[2] FK-Schmerbach, § 21 Rn. 38.

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