4.1 Rechtslage bei Nichtvorliegen eines vollstreckbaren Schuldtitels

 

Rn 30

§ 184 setzt voraus, dass der Schuldner der angemeldeten Forderung widerspricht. Ein Widerspruch in diesem Sinne liegt nach Auffassung des BGH auch dann vor, wenn der Schuldner nur der rechtlichen Einordnung einer als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zur Tabelle angemeldeten Forderung widerspricht.[51] Der sich anschließende Feststellungsrechtsstreit bezieht sich demgemäß nicht auf das Bestehen der Forderung als solcher, sondern deren Rechtsgrund.

 

Rn 31

Für die Klärung der Rechtsnatur der angemeldeten Forderung besteht in diesem Fall nach Ansicht des BGH auch ein Rechtsschutzinteresse. Wird dem Schuldner im Anschluss an das Insolvenzverfahren eine Restschuldbefreiung erteilt, ist eine Zwangsvollstreckung aus der Eintragung in die Tabelle nur zulässig, wenn eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung vorliegt (§ 302 Nr. 1). Durch den Widerspruch macht der Schuldner deutlich, dass er diese Zwangsvollstreckung nicht hinnehmen will und nach Erteilung der Restschuldbefreiung Vollstreckungsgegenklage erheben würde. Nach der zutreffenden Auffassung des BGH besteht in dieser Situation kein Anlass, den Streit um den Rechtsgrund der angemeldeten Forderung auf das Verfahren über die Vollstreckungsgegenklage zu verschieben.[52] Liegt noch kein vollstreckbarer Schuldtitel über die Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung vor, so hat der Gläubiger – schon deshalb, weil er sonst in Beweisnot geraten könnte – ein Interesse an einer raschen Klärung.[53] Die rasche Klärung des Rechtsgrundes liegt auch im Interesse des Schuldners, da von der Antwort möglicherweise abhängt, ob er den Antrag auf Restschuldbefreiung überhaupt weiterverfolgt.[54]

[51] BGH ZIP 2007, 541 = ZInsO 2007, 265 m.w.N.; NJW 2006, 2922 = ZVI 2006, 311 [BGH 18.05.2006 - IX ZR 187/04] mit Anm. Hattwig/Richter 373 und Anm. Ahrens, EWiR 2006, 539; BGH WM 2003, 2342 (2343) = ZInsO 2003, 1044; LG Potsdam ZInsO 2006, 615; siehe ferner BGHZ 152, 166 (171); aus der Literatur zustimmend HK-Landfermann, § 302 Rn. 7; HambKomm-Herchen, § 184 Rn. 13; HambKomm-Streck, § 302 Rn. 11; Braun-Kießner, § 184 Rn. 6; Braun-Buck, § 302 Rn. 8; Kohte/Ahrens/Grote-Ahrens, Verfahrenskostenstundung, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, 3. Aufl., § 302 Rn. 11; Kahlert, ZInsO 2006, 409 (410); Peters, KTS 2006, 127 (128).
[52] BGH ZIP 2007, 541 [BGH 18.01.2007 - IX ZR 176/05] (542, dort Rn. 11) = ZInsO 2007, 265.
[53] BGH a.a.O.
[54] BGH a.a.O.

4.2 Rechtslage bei Vorliegen eines vollstreckbaren Schuldtitels

4.2.1 Bedeutung der Feststellung des Rechtsgrundes im Titel

 

Rn 32

Auch im Falle eines auf den Rechtsgrund beschränkten Widerspruchs des Schuldners kann § 184 Abs. 2 zur Anwendung gelangen. In der Literatur ist § 184 Abs. 2 n.F. so verstanden worden, dass der Schuldner stets – auch dann, wenn der Titel nur einen Leistungsausspruch, keine verbindliche Feststellung des Rechtsgrundes enthält – seinen Widerspruch binnen Monatsfrist verfolgen müsse.[55] Nach der hier vertretenen Auffassung ist zu differenzieren: § 184 Abs. 2 gilt für die Feststellung des Rechtsgrundes nur dann, wenn der Titel zugleich auch eine entsprechende verbindliche Feststellung enthält. Anders ist zu entscheiden, wenn ein Titel gegeben ist, der nur einen Leistungsausspruch, aber keine verbindliche Feststellung des Rechtsgrundes enthält. Legt der Schuldner hier einen Widerspruch nur gegen den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ein, so liegt es weiterhin am Gläubiger, ebendiesen Rechtsgrund nach § 184 Abs. 1 durch Urteil feststellen zu lassen. Allein dies entspricht dem (beschränkten) Zweck des § 184 Abs. 2. Die Vorschrift will lediglich verhindern, dass sich der Gläubiger zwei auf dieselbe Feststellung gerichtete Titel besorgen muss. Liegt noch keine verbindliche Feststellung des Rechtsgrundes vor, so besteht kein Anlass, die Klagelast insoweit auf den Schuldner zu übertragen.

 

Rn 33

Ist ein vollstreckbarer Schuldtitel gegeben, der keine verbindliche Feststellung über den Rechtsgrund enthält, so müssen ggf. sowohl der Schuldner als auch der Gläubiger eine Feststellungsklage erheben. Der Schuldner muss, was das Bestehen der Forderung anbelangt, seinen hiergegen eingelegten Widerspruch im Wege der Feststellungsklage verfolgen. Tut er dies nicht, so steht gem. § 184 Abs. 2 Satz 2 fest, dass eine Forderung in der angemeldeten Höhe besteht. Noch nicht festgestellt ist dadurch allerdings, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Will der Gläubiger den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung festgestellt wissen, liegt es an ihm, insoweit Feststellungsklage zu erheben.

[55] Vgl. Hattwig/Richter, ZVI 2006, 373 (376) (Dies bedeute, "dass der Schuldner das Attribut der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht nur bestreiten, sondern auch gegen den Vollstreckungsbescheid innerhalb von einem Monat vorgehen muss…").

4.2.2 Vorliegen einer Feststellung des Rechtsgrundes im Titel

4.2.2.1 Kontradiktorische Urteile

 

Rn 34

Nach der hier vertretenen Auffassung kommt es somit für die Abgrenzung von § 184 Abs. 1 und Abs. 2 darauf an, ob sich dem jeweiligen Titel eine verbindliche Feststellung des...

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