Rn 4

§ 162 verfolgt den Zweck, zu verhindern, dass das Unternehmen von Personengruppen mit besonderen Insiderinformationen aufgrund des Informationsvorsprungs gegenüber Dritten besonders günstig erworben wird.

Ein "besonders interessierter" Insider in diesem Sinne ist eine natürliche oder juristische Person, die besonderen Einblick in den Betrieb des Schuldners nehmen und daher auch besondere Kenntnisse erlangen kann, die für eine Übernahme hilfreich sind.[9] Auf diese Weise vermag der Insider möglicherweise den Betrieb zu Lasten der Masse unter Preis erwerben. Die Stellung eines Insiders kann sich aus verschiedenen Merkmalen ergeben:

[9] Ebenso zu den ähnlichen Insiderbegriffen im Anfechtungsrecht einerseits Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 879 (894), Rn. 28 und im Wertpapierhandelsrecht andererseits Kübler, Gesellschaftsrecht, § 31 IV 3a) bb) S. 377.

3.1 Näheverhältnis oder finanzielle Verbundenheit des Erwerbers selbst (§ 162 Abs. 1 1. Halbsatz 1. Fall)

 

Rn 5

In Abs. 1 Nr. 1 bestimmt § 162 zunächst, dass ein Erwerb durch eine dem Schuldner nahestehende Person der Zustimmung der Gläubigerversammlung bedarf (zu dem Begriff der nahe stehenden Person siehe § 138 Rn. 2 ff.). Handelt es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person, wird durch § 162 die Veräußerung an deren Familienmitglieder – also vor allem an Ehegatten und nahe Verwandte – erfasst. Der Begriff der Familie ist dabei allerdings, anders als beispielsweise im Verfassungsrecht, weit auszulegen, so dass auch nichteheliche Lebensgefährten einbezogen werden (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 1 a)[10].

Ist der Schuldner eine juristische Person, gelten gem. § 138 Abs. 2 die Organmitglieder, die sonstigen leitenden Angestellten sowie die diesen persönlich nahe stehenden Personen als Insider i. S. d. § 162.[11] Es ist dabei stets eher auf das tatsächliche als auf das rechtliche Näheverhältnis abzustellen, so dass auch dieser Tatbestand weit auszulegen ist.

 

Rn 6

Daneben kann auch eine hinreichend große Beteiligung an den gegen den Schuldner bestehenden Forderungen eine solche enge Beziehung begründen. Daher unterfallen nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 sowohl Absonderungsberechtigte (§§ 4951) als auch nicht nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 38) dem Zustimmungserfordernis, wenn sie mehr als 20 % der geltend gemachten Forderungen des Verfahrens auf sich vereinigen. Dabei hat das Insolvenzgericht eine Schätzung der insgesamt jeweils bestehenden Absonderungsrechte und Forderungen vorzunehmen. Die Vorschrift entspricht insoweit den Mehrheitenregelungen des § 75, die für die Einberufung einer Gläubigerversammlung maßgeblich sind. Hat der Interessent mehrere nicht nachrangige Forderungen gegen den Schuldner, so werden diese ins Verhältnis zu der Summe aller Insolvenzforderungen gesetzt. Ebenso ist die Quote bezüglich eines Absonderungsrechts zu ermitteln. Stehen dem Gläubiger sowohl Forderungen als auch Absonderungsrechte zu, so sind diese zunächst zu addieren, wobei letztere mit ihrem Wert berücksichtigt werden. Diese Summe ist dann ins Verhältnis zur Summe aller Forderungen und Absonderungsrechte zu setzen. Eine Zustimmung der Versammlung ist nötig, sobald die so errechnete Quote ein Fünftel überschreitet.

Nach herrschender Meinung gilt die 20 %-Grenze auch für einen Zusammenschluss mehrerer Gläubiger. In diesem Fall ist darauf abzustellen, ob ihre geltend gemachten Forderungen gemeinsam 20 % übersteigen, da die Missbrauchgefahr in diesem Fall mit der von einem einzigen Gläubiger mit entsprechender Forderungshöhe ausgehenden gleichzusetzen ist.[12]

[10] MünchKomm-Janssen, § 162 Rn. 7; Uhlenbruck-Zipperer, § 162 Rn. 6.
[11] Zum Begriff des Insiders ausführlich: Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, 1 ff.
[12] Ebenso MünchKomm-Janssen, § 162 Rn. 10; HambKomm-Decker, § 162 Rn. 5; Uhlenbruck-Zipperer, § 162 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork-Webel, § 162 Rn. 6.

3.2 Beteiligung am Erwerber (§ 162 Abs. 1 1. Halbsatz 2. Fall)

 

Rn 7

Der Erwerb ist ebenfalls dann zustimmungspflichtig, wenn zwar nicht der Erwerber selbst die genannten Kriterien erfüllt, aber eine Person, die zu mindestens 20 % am Erwerber beteiligt ist. Dadurch soll die Gründung von übernehmenden Gesellschaften verhindert werden, deren Gesellschafter zu einem nicht unerheblichen Anteil letztlich wieder dem unter Rn. 5 beschriebenen Personenkreis entstammen.

 

Rn 8

Eine Beteiligung von "mindestens einem Fünftel" i. S. d. Abs. 1 ist dann gegeben, wenn dem Beteiligten im Falle der Liquidation der Gesellschaft, an der er beteiligt ist, mindestens ein Fünftel des Gesellschaftsvermögens zusteht,[13] er also ein Fünftel des Liquidationserlöses zu beanspruchen hat. Dass insoweit praktische Umgehungsmöglichkeiten bestehen, liegt auf der Hand.

[13] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 383.

3.3 Ausdehnung auf Umgehungstatbestände (§ 162 Abs. 2)

 

Rn 9

Um Strohmanngeschäfte und Umgehungen zu vermeiden, dehnt § 162 Abs. 2 die Zustimmungspflicht der Gläubigerversammlung weiter aus.

 

Rn 10

In seiner ersten Variante erklärt § 162 Abs. 2 es für unerheblich, ob eine Person direkt oder über ein von ihr i. S. d. §§ 16 bis 18 AktG abhängiges Unternehmen an dem Erwerber beteiligt ist. Es soll so die Umgehung der Beteiligungsgrenze des § 162 Abs. 1 durch einfache ...

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