3.2.1 Grundsatz

 

Rn 23

Grundsätzlich treten die von einer Fremdfinanzierung ausgehenden Nachteile für die Gläubigergesamtheit (siehe oben Rn. 3) unabhängig davon ein, ob das Darlehen der Gesellschaft – im konkreten Fall – von einem Gesellschafter oder aber von einem gesellschaftsfremden Dritten gewährt wurde. Das Gesellschafterdarlehen ist daher per se nicht "gefährlicher" als irgendein Drittdarlehen.[82] Wenn dem aber so ist, dann bedarf eine Finanzierungsfolgenverantwortung, die allein dem Gesellschafter obliegt einer besonderen Rechtfertigung. Diese wird vielfach gesehen[83] in dem (potentiellen) unternehmerischen Einfluss des die Hilfe gewährenden Gesellschafters auf die Geschicke der Gesellschaft, dem Informationsvorsprung des Gesellschafters gegenüber außenstehenden Gläubigern sowie der Zwitterstellung (bzw. dem widersprüchliche Verhalten) des darleihenden Gesellschafters, nämlich zum einen Gesellschafter zu sein und zum anderen der Gesellschaft wie ein außenstehender Gläubiger gegenüberzutreten.

 

Rn 24

Wie diese verschiedenen Kriterien sich zueinander verhalten, ist wenig gesichert. Letztlich können dem Gesellschafter die negativen Folgen seiner Kreditierung nur vorwerfbar sein, wenn dieser die Rolle eines außenstehenden Kreditgebers (deutlich) verlässt, es also widersprüchlich wäre, ihn auf seine Stellung als Fremdkapitalgeber zu reduzieren. Dies ist dann der Fall, wenn zum einen der Gesellschafter aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung einen Informationsvorsprung hat, d.h. anders als die außenstehenden Gläubiger um die wirtschaftliche Schieflage der Gesellschaft weiß, und zum anderen dieses Wissen zum Nachteil der Gläubigergesamtheit im Rahmen seiner Finanzierungsentscheidung ausnutzt.[84] Letzteres trifft etwa dann zu, wenn der Gesellschafter eine vergleichsweise geringe Fortführungschance der kriselnden Gesellschaft ergreift, um sich die mit seiner Gesellschafterstellung verbundenen Vorteile zu erhalten. Misslingt dann der Sanierungsversuch, stellen sich die Gesellschaftsgläubiger in aller Regel schlechter als vorher. Hier spekuliert der Gesellschafter also auf Kosten der (unwissenden) Gläubiger, die – hätten sie denselben Informationsstand – ihre Außenstände augenblicklich eingezogen und damit die Gesellschaft in den Zusammenbruch geführt hätten. Letztlich nimmt der Gesellschafter – wirtschaftlich besehen – seinen Sanierungsversuch auf dem Rücken der übrigen Gläubiger vor, anstatt auf ein geordnetes (die Interessen aller Gläubiger angemessen berücksichtigendes) Liquidationsverfahren hinzuwirken.[85] Mithin liegt also der Grund für einen besonderen Verantwortungsbeitrag des Gesellschafters in dem Ausnutzen einer gesellschaftsrechtlichen Insiderstellung in der Krise der Gesellschaft.

[82] s. Haas, NZI 2001, 1, 2 f.
[83] s. etwa v. Gerkan/Hommelhoff, Rn. 2.20; Hommelhoff/Goette/Kleindiek, Rn. 8; Haas, NZI 2001, 1, 2 ff.; ders., NZI 2002, 457, 459; s. auch Habersack, ZGR 2000, 384, 393 ff.
[84] Vgl. Häsemeyer, Rn. 30.60; s. aber auch K. Schmidt, ZIP 1981, 689, 690.
[85] s. auch Haas, NZI 2001, 1, 8 f.

3.2.2 Korrekturen

 

Rn 25

Die Annahme, dass jeder und nur der Gesellschafter Zugang zu (Insider-)Informationen hat und diesen Informationsvorsprung um den Erhalt seiner Beteiligung willen zum Nachteil der Gläubigergesamtheit ausnutzt, ist freilich eine – mitunter grobe – Typisierung. Daher sieht das Gesetz in § 32a Abs. 3 GmbHG verschiedene Korrekturen des persönlichen Anwendungsbereichs des Kapitalersatzrechts vor. Diese sind – h.M. zufolge – auch im Rahmen des § 135 zu beachten.

3.2.2.1 Einschränkungen des persönlichen Anwendungsbereichs

 

Rn 26

Dass jeder GmbH-Gesellschafter im Rahmen seiner Finanzierungshilfe einen (gesellschaftsrechtlich vermittelten) Informationsvorsprung tatsächlich ausnutzt, geht insbesondere dort, wo der Gesellschaftsanteil als Kapitalanlage gehalten wird, an der Lebenswirklichkeit vorbei.[86] Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG eine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs des Kapitalersatzrechts vorgenommen, die – h.M. nach – auch im Rahmen des § 135 Beachtung findet.[87] Danach unterliegt – grundsätzlich – nur der Gesellschafter der Finanzierungsfolgenverantwortung, der mindestens 10 % am Stammkapital hält. Dahinter steht die Vorstellung, dass nur der Gesellschafter, dessen wirtschaftliche Interessen eng mit denen der Gesellschaft verbunden sind, typischerweise auch von den ihm zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten im Rahmen einer Finanzierungsentscheidung Gebrauch macht.[88] Freilich handelt es sich auch hier wiederum um eine (mehr oder weniger grobe) Typisierung; denn das Näheverhältnis und das gesellschaftsinterne Engagement des einzelnen Gesellschafters lassen sich mit Hilfe einer abstrakten Beteiligungshöhe nicht abschließend messen.[89] Dies hat wohl letztlich auch der Gesetzgeber gesehen und § 32a Abs. 3 Satz 2GmbHGumeine weitere Alternative bereichert. Danach kommt es für die Zurechnung der Folgenverantwortung auf die Höhe der Beteiligung am Stammkapital dann nicht an, wenn der Gesellschafter auch Geschäftsführer...

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