Leitsatz

1. Das Gericht, an das der BFH die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweist, ist an die rechtliche Beurteilung durch den BFH gebunden.

2. Der BFH ist im 2. Rechtsgang ebenfalls an seine im zurückverweisenden Urteil zugrunde gelegte Rechtsauffassung nach dem Grundsatz der Selbstbindung gebunden.

3. Die Bindung entfällt nur in besonderen Ausnahmefällen, nicht jedoch bereits dann, weil das zurückverweisende Urteil formell- oder materiell-rechtlich unrichtig ist oder der BFH nunmehr im konkreten Fall zu einer abweichenden Auffassung gelangen würde.

* Leitsatz nicht amtlich

 

Normenkette

§ 179 Abs. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO 1977, § 705 BGB, § 15 Abs. EStG, 126 Abs. 5 FGO ,

 

Sachverhalt

Die Klägerin meldete zum 1.7.1976 ein Gewerbe "Teppichreinigungen" an und nahm in der Folgezeit weitere An- und Ummeldungen vor. 1987 meldete sie zusätzlich eine Handelsvertretung an. 1992 meldete sie das Gewerbe ab. Das Unternehmen firmierte unter der Bezeichnung "X Teppich- und Polster-Meisterreinigung". Rechnungen wurden auf entsprechenden Briefbögen erteilt und in gleicher Weise der Schriftverkehr mit dem FA geführt. Die Schreiben wurden jeweils vom Ehemann der Klägerin unterschrieben.

Inhaberin des angegebenen Kontos war die Klägerin. Der Ehemann war allerdings ebenfalls verfügungsberechtigt. Dem FA teilte die Klägerin mit, der Betrieb sei ausschließlich von dem Ehemann ausgeübt worden und nur "pro forma" auf ihren Namen gelaufen.

Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Ansicht, das Gewerbe sei im Rahmen einer GbR ausgeübt worden. Der BFH hob das Klage abweisende Urteil des FG mit Urteil vom 1.7.2003, VIII R 61/02 (BFH/NV 2004, 27) auf und verwies die Sache an das FG zurück, weil das für die Annahme einer Mitunternehmerschaft maßgebende Merkmal der Mitunternehmerinitiative nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen belegt sei.

Der BFH hob auch das im 2. Rechtsgang erneut die Klage abweisende Urteil des FG (veröffentlicht in EFG 2004, 1449) auf und gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Verfahrensfehlerhaft sei das FG davon ausgegangen, im 2. Rechtsgang nicht an die Würdigung des Senats und die im zurückverweisenden Urteil aufgestellten Anforderungen für die Annahme einer Mitunternehmerschaft gebunden zu sein. Entgegen der Interpretation des FG habe der Senat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, die im 1. Rechtsgang vom FG getroffenen Feststellungen reichten – ohne Hinzutreten weiterer Indizien – für die Annahme einer Mitunternehmerschaft nicht aus.

Die Ergebnisse einer gewerblichen Betätigung seien dem Unternehmer i.S.v. § 15 Abs. 2 EStG als dem steuerlichen Träger des Unternehmens zuzurechnen. Weder komme es dabei auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung ihrer Rechtsbeziehungen noch auf den nach außen durch Handelsregistereintragung oder gewerbepolizeiliche Anmeldung gesetzten Rechtsschein an. Entscheidend sei vielmehr, wer (Mit-)Unternehmerinitiative entfalten könne und (Mit-)Unternehmerrisiko trage.

Diese Kriterien seien auch in Fällen offener oder verdeckter Stellvertretung maßgebend. Auch in diesen Fällen sei der Vertretene Unternehmer, sofern das Unternehmen auf seine Rechnung und Gefahr betrieben werde und er dem Vertreter gegenüber weisungsberechtigt sei. Ausschlaggebend sei auch hier, wer den Tatbestand der Einkünfteerzielung erfülle (BFH, Urteil vom 4.11.2004, III R 21/02, BFH-PR 2005, 94).

Nur ausnahmsweise komme es entscheidend auf das Merkmal der Unternehmerinitiative an, wenn die unternehmerische Tätigkeit wesentlich durch den persönlichen Arbeitseinsatz geprägt werde und – wie häufig bei Handelsvertretern – nicht kapitalintensiv sei.

Da das FG indes im 2. Rechtsgang keine weiteren Indizien für oder gegen die Annahme einer Mitunternehmerschaft habe feststellen können, verbleibe es bei der rechtlichen Würdigung im zurückverweisenden Urteil des Senats. Für die angefochtenen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen fehle es mithin an der verfahrensrechtlichen Grundlage, sodass sie ersatzlos aufzuheben seien.

 

Hinweis

1. Nach § 126 Abs. 5 FGO hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung durch den BFH zugrunde zu legen. Diese Bindung tritt nicht nur hinsichtlich derjenigen Gründe ein, die zur Aufhebung des Urteils geführt haben, sondern auch hinsichtlich der Gründe, die zur Zurückverweisung der Sache an das FG führen (BFH, Urteil vom 4.11.2004, III R 38/02, BStBl II 2005, 271).

2. Auch der BFH selbst ist im 2. Rechtsgang nach dem in seiner Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Selbstbindung an die im zurückverweisenden Urteil zugrunde gelegte Rechtsauffassung gebunden, und zwar unabhängig davon, ob das zurückverweisende Urteil formell- oder materiell-rechtlich unrichtig ist oder ob der BFH zwischenzeitlich zu einer abweichenden Erkenntnis gelangt ist.

3. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann die Bindung bzw. die Selbstbindung entfallen, wenn sich nachträglich die...

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