Leitsatz

Billigkeitsmaßnahmen nach den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 27.03.2003, IV A 6 – S 2140 – 8/03 (BStBl I 2003, 240) sind in Fällen von unternehmerbezogenen Sanierungen nicht möglich.

 

Normenkette

§ 227 AO, § 3 Nr. 66 EStG a.F.

 

Sachverhalt

Die Kläger führten als Gesellschafter der L-GbR im gesellschaftseigenen Tagungshotel gegen Entgelt verschiedenste Aus- und Fortbildungsmaßnahmen durch. Die von der L-GbR seit 1990 erwirtschafteten Verluste führten bei den Klägern zu Verlustvorträgen, bis Ende 1997 i.H.v. circa 73 000 DM. 1998 wurde die L-GbR aufgelöst, die Immobilie 1999 zwangsversteigert. Von den 4 Mio. DM Verbindlichkeiten konnten 1,4 Mio. DM durch den Versteigerungserlös getilgt werden. In der Folgezeit schlossen die Kläger mit den Hauptgläubigern der L-GbR Vergleichsvereinbarungen. Im Ergebnis erließen diese der L-GbR Anfang 2002 circa 1,8 Mio. DM. Die Kläger beantragten, ihre ESt für 1998 bis 2002 zu erlassen, soweit darin ein Sanierungsgewinn enthalten sei. Das FA lehnte den Antrag ab.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG sah die Ablehnung des Erlasses der Steuer wegen sachlicher Billigkeit im Jahr 1998 als rechtswidrig, für die Jahre 1999 bis 2002 als ermessensfehlerfrei an (FG Köln, Urteil vom 24.04.2008, 6 K 2488/06, Haufe-Index 2024585, EFG 2008, 1555).

Gegen das Urteil wandten sich sowohl die Kläger (wegen der Streitjahre 1999 bis 2002) als auch das FA (wegen des Streitjahrs 1998).

 

Entscheidung

Aus den oben dargestellten Gründen hat der BFH die Revision der Kläger als unbegründet zurückgewiesen und auf Revision des FA das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

Bis Ende 1997 waren Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden – kurz Sanierungsgewinne – nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. steuerfrei. Diese Steuerbefreiung wurde durch das UntStRFoG aufgehoben, weil Verluste zu dieser Zeit unbeschränkt vortragsfähig waren. Bereits in der Gesetzesbegründung war jedoch darauf verwiesen worden, dass nach der Streichung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. persönlichen oder sachlichen Härtefällen in Einzelfällen im Stundungs- und Erlasswege begegnet werden könne.

Zur Vereinheitlichung der Anwendung einer Stundung/eines Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen hat die Finanzverwaltung am 27.03.2003 (BStBl I 2003, 240) den sog. Sanierungserlass veröffentlicht. Danach sind Billigkeitsmaßnahmen nur in Fällen einer unternehmensbezogenen Sanierung möglich; nicht begünstigt ist dagegen die unternehmerbezogene Sanierung. Erst mit dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009 (BStBl I 2010, 18) sind auch in Fällen der Restschuldbefreiung und der Verbraucherinsolvenz bei unternehmerbezogenen Sanierungsmaßnahmen Billigkeitserlasse möglich. Dieses BMF-Schreiben war jedoch im Streitfall nicht relevant, da für die gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung der Finanzbehörde die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist und dieser Zeitpunkt vor dem Dezember 2009 lag.

Während aufgrund der Wirtschaftkrise die steuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen eine immer größere Rolle spielte, kam es durch zwei divergierende FG-Urteile in den Jahren 2007 und 2008 in der Praxis zu erheblichen Verunsicherungen. Das FG München (Urteil vom 12.12.2007, 1 K 4487/06, Haufe-Index 1917606, EFG 2008, 615) sah den Sanierungserlass ohne Rechtsgrundlage, während das FG Köln in dem vier Monate später ergangenen und dem BFH-Verfahren zugrunde liegenden Urteil den Sanierungserlass insoweit als zu eng gefasst ansah, als er eine Unbilligkeit nur dann annimmt, wenn ein Sanierungsgewinn vorliegt und die Sanierung unternehmensbezogen ist.

Das vorliegende BFH-Urteil enthält für die Steuerpflichtigen sowohl gute als auch schlechte Nachrichten:

1. Der X. Senat kann der Auffassung des FG München, die Finanzverwaltung habe mit dem Sanierungserlass eine Verwaltungspraxis contra legem eingeführt, in dieser Allgemeinheit nicht folgen. Nach seiner Auffassung durfte die Finanzverwaltung in einer Verwaltungsvorschrift regeln, in welchen Fällen der Erlass von auf Sanierungsgewinnen beruhenden Steuern aus sachlichen Billigkeitsgründen möglich ist.
2. Ob die Verwaltung im Sanierungserlass zu weitreichende Billigkeitsmaßnahmen für möglich hält, brauchte der BFH im Streitfall nicht zu entscheiden, da im Streitfall von einer unternehmerbezogenen Sanierung auszugehen war.
3. Die auf einem Sanierungsgewinn beruhenden Steuern können aufgrund von sachlichen Billigkeitsgründen nicht erlassen werden, wenn die von der Verwaltung formulierten Voraussetzungen in den beiden Sanierungserlassen (BStBl I 2003, 240 und BStBl I 2010, 18) nicht vorliegen.
4. Persönliche Billigkeitsgründe können dagegen unabhängig davon geltend gemacht werden.
5. Ob in Einzelfällen (große, sich über mehrere Jahre hinziehende Sanierungsverhandlungen) die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. ab dem Veranlagungszeitraum 1...

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