Der Grundsatz der Bilanzidentität fordert, dass die Wertansätze der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahres mit denen der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres übereinstimmen müssen (§ 252 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Damit ist handelsrechtlich festgeschrieben, dass zwischen einer Schlussbilanz und einer Eröffnungsbilanz

  • keine Buchung,
  • keine Änderung des Bilanzinhalts und
  • keine Bewertungsänderung

vorgenommen werden darf.

Der Bilanzenzusammenhang nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG bestimmt für das Steuerrecht nichts anderes, wenn dieser zur steuerlichen Gewinnermittlung den Bestandsvergleich zwischen dem Betriebsvermögen (BV) am Ende des Wirtschaftsjahres und dem BV am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres anordnet. Somit determiniert die Schlussbilanz des abgeschlossenen Wirtschaftsjahres die Bestandsermittlung des folgenden Jahres. Beachten Sie: Eine willkürliche Beeinflussung – und damit eine Nichtbesteuerung von BV-Änderungen – wird auf diese Weise verhindert.

Formeller Bilanzenzusammenhang: Mit Beschluss vom 29.11.1965 hat der GrS des BFH den formellen Bilanzenzusammenhang für Zwecke der steuerbilanziellen Gewinnermittlung – auch wegen seiner Vereinfachungswirkung – bestätigt.[1] Demnach ist beim Bestandsvergleich das Endvermögen des vorangegangenen Wirtschaftsjahres anzusetzen, welches tatsächlich der Steuerveranlagung zugrunde lag. Auf die materielle Fehlerlosigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht abzustellen.

Beachten Sie: Der formelle Bilanzenzusammenhang gilt auch dann, wenn eine handelsrechtliche Buchführungspflicht besteht.[2]

Beraterhinweis Der Bilanzenzusammenhang ist gewahrt, wenn die

  • einzelnen Bilanzposten
  • identisch fortgeführt werden.

Denn um das Ziel, eine möglichst zutreffende Ermittlung und Besteuerung des Totalgewinns der Unternehmung zu erreichen, ist die lediglich zutreffende Fortführung des Eigenkapitals nicht ausreichend.

Interpersoneller Bilanzenzusammenhang: Der Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs gilt interpersonell[3] und ist in allen Fällen des zwingenden oder wahlweisen Buchwertübergangs anzuwenden.

 

Beispiele:

  • unentgeltliche Betriebsübertragung,[4]
  • Einbringung eines Betriebs,[5]
  • formwechselnde Umwandlung,[6]
  • Verschmelzung[7] oder
  • Realteilung.[8]

Schätzung durch Finanzamt: Der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs gilt auch dann, wenn im Vorjahr der Gewinn vom Finanzamt (FA) nach Bilanzierungsgrundsätzen geschätzt wurde. Nur bei völlig freier Schätzung (Vollschätzung) besteht demgegenüber keine Anknüpfungspflicht.[9]

Wirkung des Bilanzenzusammenhangs: Aus der fehlerausgleichenden Zweischneidigkeit der Bilanz ergibt sich die Fehlertransportfunktion: Fehlerhafte Bilanzansätze und deren Auswirkung im vorangegangenen Wirtschaftsjahr führen zu entgegen gesetzten Auswirkungen im Folgejahr (s. Abb. 1).

Abb. 1: Zweischneidigkeit der Bilanz und Fehlertransportfunktion

[1] BFH v. 29.11.1965 – GrS 1/65, BStBl. III 1965, 142. Der Beschluss setzt die Rechtsprechung des RFH fort, vgl. RFH v. 19.2.1936 – VI A 1019/34, RStBl. 1936, 788. Bis heute wurde in verschiedenen Urteilen diese Sichtweise bekräftigt, vgl. BFH v. 22.10.2003 – I R 37/02, BStBl. II 2004, 121; BFH v. 13.6.2006 – I R 58/05, BStBl. II 2006, 928 = EStB 2006, 315 (Luxem); BFH v. 10.2.2016 – VIII R 43/13, BFH/NV 2016, 1313. Auch von der Praxis als rechtspraktische Lösung anerkannt, z.B. Hoffmann, StuB 2009, 827; a.A. Koschmieder, FR 1997, 130.
[8] Vgl. BFH v. 20.10.2015 – VIII R 33/13, BStBl. II 2016, 596 = EStB 2016, 202 (Reiter); zum neuen Recht s. Otto, BB 2016, 1202.

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