Leitsatz (amtlich)

Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten, in denen ein Entgelt für die Übertragung von Wertpapieren in ein anderes Depot gefordert wird, verstoßen gegen § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.

 

Normenkette

BGB § 307

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 29.01.2004; Aktenzeichen 2 U 112/03)

LG Stuttgart

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 29.1.2004 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der Verbraucherinteressen wahrnimmt und in die Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 22a AGBG (jetzt: §§ 4, 16 Abs. 4 UKlaG) eingetragen ist. Die beklagte Sparkasse verwendet im Geschäftsverkehr mit ihren Kunden ein Verzeichnis ihrer Depot-Preise, das u.a. folgende Klausel enthält:

"Übertragung von Wertpapieren:

innerhalb der Kreissparkasse B.

3 EUR (inkl. MwSt.) pro Wertpapiergattung

innerhalb der Sparkassenorganisation

3 EUR (inkl. MwSt.) pro Wertpapiergattung zzgl. fremde Kosten

an netzfremde Institute

15 EUR (inkl. MwSt.) pro Wertpapiergattung zzgl. fremde Kosten"

Die gegen diese Klausel, soweit sie nicht die Erstattung fremder Kosten vorsieht, gerichtete Unterlassungsklage ist in den Vorinstanzen (VuR 2003, 349 und 2004, 146) erfolgreich gewesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klausel unterliege der Inhaltskontrolle, soweit sie Gebühren für die Übertragung sog. Bucheffekten, d.h. gegenständlich nicht vorhandener Wertpapiere, vorsehe. In diesem Umfang enthalte sie eine unangemessene Benachteiligung der Kunden. Die Rückgabe der verwahrten Gegenstände stelle eine gesetzliche Pflicht des Verwahrers und keine zusätzlich zu vergütende Leistung dar. Dies gelte nicht nur für gegenständlich vorhandene Wertpapiere, die die Beklagte kostenlos ausliefere, sondern auch für Bucheffekten, deren Rückgabe im eigentlichen Sinne nicht möglich sei und deshalb durch die Übertragung der Effekten auf ein anderes Depot zu erfolgen habe. Dass nach § 9a Abs. 3 DepotG das Recht auf Auslieferung von Einzelurkunden ausgeschlossen werden könne, bedeute nicht, dass die Beendigung des Depotvertrages insoweit nicht zu den vertraglich geschuldeten Leistungen der Beklagten gehöre. Da die Übertragung von Bucheffekten auf ein anderes Depot keinen größeren Aufwand als die Auslieferung von Wertpapieren erfordere, sei es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht unbillig, dass bei Bucheffekten deren Übertragung auf ein anderes Depot an die Stelle der Rückgabe trete. Nach dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion sei die Klausel insgesamt unwirksam.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch gem. §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG auf Unterlassung der weiteren Verwendung der Klausel, soweit er sie angreift.

1. Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle, soweit der Kläger sie angreift, in vollem Umfang, und nicht nur, wie das Berufungsgericht meint, soweit sie ein Entgelt für die Übertragung sog. Bucheffekten vorsieht.

a) aa) Gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, der an die Stelle des früheren § 8 AGBG getreten ist, sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, kontrollfähig. Darunter fallen zwar weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung (BGH v. 7.5.1996 - XI ZR 217/95, BGHZ 133, 10 [13] = MDR 1996, 807; v. 14.10.1997 - XI ZR 167/96, BGHZ 137, 27 [30] = MDR 1998, 172). Hingegen stellen Regelungen, die kein Entgelt für Sonderleistungen, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht werden, zum Gegenstand haben, sondern Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders auf den Kunden abwälzen, eine kontrollfähige Abweichung von Rechtsvorschriften dar (BGH v. 14.10.1997 - XI ZR 167/96, BGHZ 137, 27 [30] = MDR 1998, 172; v. 18.5.1999 - XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380 [383] = MDR 1999, 1147; jeweils m.w.N.). Die streitige Klausel enthält eine solche Abrede in Bezug auf alle depotfähigen Wertpapiere.

bb) Die in der Klausel geregelte Übertragung von Wertpapieren ist die Erfüllung des gesetzlichen Herausgabeanspruchs des Kunden gegen die Beklagte gem. §§ 7, 8 DepotG bzw. §§ 695 S. 1, 985 BGB (zu dem darauf beruhenden Besitzmittlungsverhältnis: BGH, Urt. v. 18.1.1996 - IX ZR 81/95, MDR 1996, 639 = WM 1996, 518; Urt. v. 22.4.1997 - XI ZR 127/96, MDR 1997, 765 = WM 1997, 1136). Dies gilt unabhängig davon, ob eine körperliche Herausgabe der Wertpapierurkunden, die die Beklagte kostenlos vornimmt, möglich ist.

Wenn die Ausgabe einzelner, herausgabefähiger Wertpapiere gem. § 9a Abs. 3 S. 2 DepotG ausgeschlossen ist, kann der - auf die Verschaffung eines mittelbaren Mitbesitzes an der Sammelurkunde gerichtete (Kümpel in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 8/100b) - Herausgabeanspruch nur durch eine Umbuchung bei der die Sammelurkunde verwahrenden Wertpapiersammelbank (§ 1 Abs. 3, § 5 DepotG, Nr. 11 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte) erfüllt werden. Auch in den hiervon, was das Berufungsgericht verkannt hat, zu unterscheidenden Fällen urkundlich nicht verkörperter Wertrechte (Bucheffekten), z.B. Bundesschatzbriefen (Gössmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 72 Rz. 68; Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 22. Aufl., WPR Rz. 93), ist zur Herausgabe eine depotmäßige Umbuchung erforderlich. Aber auch bei allen Wertpapieren, deren effektive Auslieferung möglich ist, wird der gesetzliche Herausgabeanspruch nach den im heutigen Massengeschäft geltenden Börsenusancen i.d.R. ohne körperliche Bewegung von Wertpapierurkunden im Effektengiroverkehr, ohne den ein geordnetes Effektenwesen nicht mehr denkbar wäre, erfüllt (Than in Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 40. Aufl., S. 849). Dabei wird die Besitzverschaffung mittels Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft durch die Umbuchung von Girosammel-Depotgutschriften ersetzt (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rz. 11.344 und 11.365). Da eine körperliche Auslieferung der Wertpapierurkunden, auch sofern sie möglich ist, wie die Revision selbst einräumt, i.d.R. nicht erfolgt, stellt die an ihre Stelle getretene Übertragung der Wertpapiere auf ein anderes Depot die tatsächliche Erfüllung des gesetzlichen Herausgabeanspruchs, nicht aber eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbrachte Sonderleistung dar.

b) Ein Entgelt für ihren personellen und sachlichen Aufwand bei der Erfüllung des Herausgabeanspruchs kann die Beklagte nach dispositiven Gesetzesrecht nicht beanspruchen.

2. Der somit eröffneten Inhaltskontrolle hält die Klausel, soweit sie angegriffen ist, in vollem Umfang nicht stand. Die Berechnung eines Entgelts für die Herausgabe verwahrter Wertpapiere ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB).

a) aa) Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten besteht nur, wenn dies im Gesetz vorgesehen ist. Andernfalls können die Kosten nicht auf Dritte abgewälzt werden, indem die Erfüllung gesetzlicher Pflichten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur individuellen Dienstleistung ggü. dem Vertragspartner erklärt wird. Die Beklagte beruft sich insoweit ohne Erfolg darauf, der Kunde, der Wertpapiere kaufe, deren körperliche Herausgabe nicht möglich sei, setze damit die entscheidende Ursache für eine spätere Übertragung dieser Wertpapiere auf ein anderes Depot. Diese Argumentation geht fehl, weil das Verursacherprinzip für die Preisgestaltung im nicht regulierten Wettbewerb keine rechtliche Bedeutung hat (BGH v. 18.5.1999 - XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380 [385] = MDR 1999, 1147). Entgelte können nur für Leistungen verlangt werden, die auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbracht werden. Jede Entgeltregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sich nicht auf eine solche Leistung stützt, sondern Aufwendungen für die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht des Verwenders offen auf dessen Kunden abwälzt, stellt nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung dar und verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (BGH v. 18.5.1999 - XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380 [385 f.] = MDR 1999, 1147; Urt. v. 19.10.1999 - XI ZR 8/99, WM 1999, 2545 [2546]; jeweils m.w.N.).

bb) Die Beklagte erbringt durch die Übertragung von Wertpapieren keine (Sonder-)Dienstleistung für ihre Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage, sondern handelt vorrangig im eigenen Interesse zur Erfüllung einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung. Wenn der gesetzliche Herausgabeanspruch des Kunden nicht durch die effektive Auslieferung von Wertpapierurkunden, sondern durch die Umbuchung auf ein Depot bei einem anderen Kreditinstitut erfüllt wird, liegt dies zwar auch im Interesse des Kunden, der die Beklagte mit der Umbuchung beauftragt hat. Dies ist aber nur ein Nebeneffekt und nicht der eigentliche Grund dafür, dass die Beklagte den Herausgabeanspruch auf diese Weise erfüllt. Entscheidend hierfür ist vielmehr, dass die Bewältigung der Papierflut im heutigen Massengeschäft eine Rationalisierung des Effekten- und Depotgeschäfts (Kümpel in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 104 Rz. 68 ff.) erfordert. Zu diesem Zweck haben die Kreditinstitute - und nicht ihre Kunden - den Effektengiroverkehr eingeführt (Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 5 Rz. 4 f.). Dadurch haben sie ihren personellen und sachlichen Aufwand, wie der Kläger in den Tatsacheninstanzen unbestritten vorgetragen hat, im Verhältnis zu einer körperlichen Bewegung konkreter Wertpapierurkunden wesentlich verringert.

Vor diesem Hintergrund unterscheidet sich die Umbuchung von Wertpapieren auf ein Depot bei einem anderen Kreditinstitut entgegen der Auffassung von Krüger/Bütter, Das Recht der Bankentgelte, 2. Aufl., Rz. 5.3, S. 390 f.; Steuer, FS Hadding 2004, S. 1169, 1184 ff. grundlegend von einer Geldüberweisung im Rahmen eines Girovertrages, für die unzweifelhaft in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Entgelt vorgesehen werden kann. Während die Umbuchung von Wertpapieren auf ein anderes Depot geringeren Aufwand als die effektive Auslieferung der Urkunden verursacht und deshalb dem Rationalisierungs- und Vereinfachungsinteresse der Kreditinstitute entspricht, hat ein Kreditinstitut kein besonderes Interesse, den Auszahlungsanspruch eines Girokunden, den es ohne weiteres am Schalter oder am Geldausgabeautomaten erfüllen kann, durch die Überweisung auf ein anderes Konto zu befriedigen. Geldüberweisungen erfolgen vielmehr im ausschließlichen Interesse des Girokunden an der Abwicklung seines Zahlungsverkehrs. Gerade zu diesem Zweck unterhält der Kunde anders als bei einem Depot, bei dem es ihm um die Verwahrung und sachkundige Verwaltung von Wertpapieren geht, ein Girokonto.

Hinter dem Rationalisierungsinteresse der Kreditinstitute, das für die Erfüllung des Herausgabeanspruchs durch Umbuchung auf ein anderes Depot anstatt durch effektive Auslieferung entscheidend ist, tritt das Interesse des Kunden, seine Dispositionsbefugnis über den Depotbestand auszuüben und ihn auf ein anderes Depot übertragen zu lassen, zurück. Dies gilt nicht nur, soweit ein Anspruch auf Auslieferung konkreter Urkunden nicht besteht, etwa weil er gem. § 9a Abs. 3 S. 2 DepotG ausgeschlossen ist oder weil die Rechte des Kunden nicht urkundlich verkörpert sind. Auch wenn eine effektive Auslieferung der Urkunden an den Kunden möglich ist, fällt dessen Dispositionsinteresse ggü. dem Interesse des Kreditinstituts, den mit der effektiven Auslieferung der Urkunden, die in Fällen des § 9a Abs. 3 S. 1 DepotG erst noch hergestellt werden müssten, verbundenen Aufwand zu vermeiden, nicht ins Gewicht. Die Festsetzung eines vom Kunden zu zahlenden Entgelts für Wertpapierübertragungen ist daher mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

b) Eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten ist damit indiziert. Gründe, die die Klausel bei der gebotenen umfassenden Abwägung der berechtigten Interessen aller Beteiligten (BGH v. 28.1.2003 - XI ZR 156/02, BGHZ 153, 344 [350] = MDR 2003, 704 = BGHReport 2003, 545 m.w.N.) gleichwohl nicht als unangemessen erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Der mit der Übertragung von Wertpapieren auf ein anderes Depot verbundene EDV-mäßige Aufwand, auf den sich die Revision beruft, reicht hierfür nicht aus, weil er - wie dargelegt - geringer ist als die personellen und sachlichen Aufwendungen, die eine effektive Auslieferung der Wertpapiere verursacht.

III.

Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

DStR 2005, 566

BGHR 2005, 520

EBE/BGH 2005, 4

NJW-RR 2005, 1135

EWiR 2005, 337

WM 2005, 274

WuB 2005, 311

ZIP 2005, 248

MDR 2005, 405

VP 2005, 73

ZBB 2005, 142

LMK 2005, 72

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