Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung der Restschuldbefreiung aufgrund unrichtiger Angaben des Schuldners über seine wirtschaftlichen Verhältnisse. Schriftliche Erklärung des Schuldners. Niederschrift der Schuldnerangaben durch Vollstreckungsbeamten in einer öffentlichen Urkunde

 

Leitsatz (amtlich)

Eine schriftliche Erklärung des Schuldners liegt auch dann vor, wenn eine Urkundsperson dessen Erklärungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit in einer öffentlichen Urkunde niederlegt.

 

Normenkette

InsO § 290 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 07.12.2004; Aktenzeichen 1 T 485/04)

AG Köln (Entscheidung vom 20.09.2004; Aktenzeichen 72 IK 97/01)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Köln vom 7.12.2004 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

[1]I.

Auf Antrag des Schuldners, eines Zahnarztes, wurde über sein Vermögen am 17.9.2001 ein Insolvenzverfahren eröffnet, in dem er Restschuldbefreiung begehrt. Der (weitere) Beteiligte zu 2) (Finanzverwaltung) beantragte im Schlusstermin, die Restschuldbefreiung zu versagen, weil der Schuldner bei einem erfolglosen Vollstreckungsversuch am 15.1.2001 ggü. dem Gläubiger hinsichtlich seiner Erwerbstätigkeit falsche Angaben gemacht habe. Aus diesem Grund hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO versagt. Die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das LG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.

[2]II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6 Abs. 1, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2, 575 ZPO). Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet; die Vorinstanzen haben dem Schuldner mit Recht die begehrte Restschuldbefreiung versagt.

[3]1. Das LG hat ausgeführt, der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO liege vor. Der Schuldner habe selbst eingeräumt, ggü. dem Vollziehungsbeamten des Gläubigers am 15.1.2001 unwahre Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht zu haben. Er habe wahrheitswidrig angegeben, zur Zeit erwerbslos zu sein, während er in Wahrheit in einer Zahnarztpraxis gegen Entgelt als Assistent beschäftigt gewesen sei. Aus diesem Grund sei in der Zeit von Februar bis Oktober 2001 der Zugriff auf die pfändbaren Anteile aus dem Nettoeinkommen i.H.v. insgesamt 8.203,50 DM unterblieben. Unerheblich sei, dass der Schuldner die Aufzeichnung seiner Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht unterzeichnet habe.

[4]2. Der angefochtene Beschluss hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

[5]a) Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Restschuldbefreiung auf rechtzeitigen Antrag eines Insolvenzgläubigers zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Da der Schuldner einräumt, wahrheitswidrig seine Erwerbstätigkeit verschwiegen zu haben, kommt es für den objektiven Tatbestand dieses Versagungsgrundes allein darauf an, ob der Schuldner schriftlich unrichtige Angaben gemacht hat. Dies ist indes zu bejahen.

[6]aa) Mit der Beschränkung des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf schriftliche Angaben wollte der Gesetzgeber die Feststellung erleichtern, ob der Versagungsgrund vorliegt (BT-Drucks. 12/2443, 190, Begründung zu § 239 RegE). Die gerichtliche Entscheidung darüber sollte nicht von - unter Umständen langwierigen und aufwendigen - Beweiserhebungen abhängen (BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - IX ZB 456/02, MDR 2003, 1138 = BGHReport 2003, 975 = WM 2003, 1382 [1383]). Der Schuldner hat aber auch dann schriftlich unrichtige Angaben gemacht, wenn er die entsprechenden Erklärungen nicht selbst formuliert, sondern durch einen Dritten hat abfassen lassen. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO setzt kein vom Schuldner unterzeichnetes eigenhändiges Schriftstück voraus. Unrichtige schriftliche Angaben, die der Schuldner zwar nicht persönlich niedergelegt hat, die jedoch mit seinem Wissen und seiner Billigung an den Empfänger weitergeleitet worden sind, entsprechen daher dem Unrechtsgehalt, den § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sanktionieren will; sie werden von der Vorschrift in gleicher Weise erfasst (BGH v. 11.9.2003 - IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139 [144] = BGHReport 2003, 1441 m. Anm. Rigol = MDR 2004, 172). Darauf, ob der Schuldner seine von einem Dritten niedergelegten Angaben nochmals durchgelesen hat, bevor dieser sie an den Gläubiger weitergeleitet hat, kommt es nicht an (BGH, Beschl. v. 21.7.2005 - IX ZB 80/04, MDR 2006, 230 = BGHReport 2005, 1557 = WM 2005, 1858 [1859]).

[7]bb) Danach hat der Schuldner schriftlich unwahre Angaben gemacht:

[8](1) Er hat selbst eine schriftliche Erklärung abgegeben. Zwar trifft es zu, dass der Schuldner die Aufzeichnungen des Vollstreckungsbeamten über seine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht gesondert unterzeichnet hat. Er hat aber die Niederschrift über die fruchtlose Pfändung des Finanzamts B. am 15.1.2001 unterzeichnet. In diesem Protokoll heißt es unter Ziff. 3.3. ausdrücklich: "Ich habe die angetroffene Person zu den wirtschaftlichen Verhältnissen d. Vs. [des Vollstreckungsschuldners] - insb. zu ausstehenden Forderungen und anderen Vermögenswerten - befragt und die Antworten in der Anlage (Vordruck Nr. 767/17) festgehalten." Auch dieser Verweis auf die - hier unrichtigen - Angaben des Schuldners ist von seiner nachfolgenden Unterschrift gedeckt; denn der Schuldner unterzeichnete das Protokoll unterhalb des von Hand gekennzeichneten vorgedruckten Textes: "Die Niederschrift ist den Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt worden. ... Die Niederschrift wurde genehmigt und unterschrieben." Das gilt auch für die Anlage; denn diese ist durch die Bezugnahme Bestandteil der Niederschrift geworden.

[9](2) Auch wenn man nicht von eigenen schriftlichen Angaben des Schuldners ausgehen wollte, sind die Anforderungen erfüllt, die der Senat in seiner in BGHZ 156, 139 [144] abgedruckten Entscheidung aufgestellt hat. Das LG hat ausdrücklich festgestellt, dass der Vollziehungsbeamte die Auskunft des Schuldners in seinem Beisein und mit dessen Billigung schriftlich niedergelegt hat. Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerde erachtet der Senat nicht für durchgreifend; von einer Begründung wird gem. §§ 577 Abs. 6 Satz 2, 564 Satz 1 ZPO abgesehen. In Fällen, in denen - wie hier - eine Urkundsperson im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Erklärungen des Schuldners mit dessen Kenntnis und Billigung in einer öffentlichen Urkunde niederlegt, ist von einer eigenen schriftlichen Erklärung des Schuldners auszugehen. Im Blick auf die den Vollziehungsbeamten treffenden Dienstpflichten steht dem nicht der Umstand entgegen, dass dieser an sich dem Lager des betreibenden Gläubigers zuzurechnen ist. Die Vorinstanz hat weiter festgestellt, der Schuldner habe eingeräumt, sein Monatseinkommen verschwiegen zu haben, um eine Lohnpfändung zu vermeiden; damit hatte er in den Monaten Februar 2001 bis Oktober 2001 auch Erfolg. Somit hat das LG festgestellt, dass die unwahren, vom Vollstreckungsbeamten niedergelegten Angaben des Schuldners mit dessen Wissen und Billigung an das die Vollstreckung betreibende Finanzamt weitergeleitet worden sind.

[10](3) Fehl geht der Hinweis der Rechtsbeschwerde auf Äußerungen in der Literatur, wonach unzutreffende Erklärungen im Rahmen einer Zwangsvollstreckung unbeachtlich sein sollen (Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 290 Rz. 30; Wenzel in Kübler/Prütting, InsO, § 290 Rz. 10a; FK-InsO/Ahrens, 3. Aufl., § 290 Rz. 23; Stepahn in MünchKomm/InsO, § 290 Rz. 36). Denn damit sind nur solche Fälle gemeint, in denen der durch den subjektiven Tatbestand geforderte Zusammenhang mit dem Ziel, Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, nicht besteht (deutlich etwa Wenzel in Kübler/Prütting, InsO, § 290 Rz. 10a; FK-InsO/Ahrens, 3. Aufl., § 290 Rz. 23; Stepahn in MünchKomm/InsO, § 290 Rz. 36). Liegt dieser Zusammenhang hingegen - wie hier (s.u. Buchst. b) - vor, erfüllen auch unrichtige Angaben ggü. dem Vollstreckungsbeamtem des Finanzamts den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO (so auch für die hier gegebene Fallgestaltung Fuchs, NZI 2003, 664; ferner Kraemer, Das neue Insolvenzrecht, Rz. 383-385; Kraemer, DStZ 1995, 399 [401]).

[11]Die weitere Einwendung der Rechtsbeschwerde, der Schuldner habe die Feststellungen des Vollstreckungsbeamten über seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu lesen bekommen, verfängt nicht. Zum einen war es Sache des - in Vollstreckungsangelegenheiten erfahrenen - Schuldners, ob er eine Niederschrift erst nach Durchsicht auch der Anlagen durch seine Unterschrift genehmigt. Zum anderen behauptet er selbst nicht, dass die schriftliche Wiedergabe seiner Angaben zu der angeblichen Erwerbslosigkeit durch den Vollstreckungsbeamten nicht zutrifft.

[12]cc) Entgegen der im Schrifttum teilweise erhobenen Kritik an der Entscheidung BGH v. 11.9.2003 - IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139 [144] = BGHReport 2003, 1441 m. Anm. Rigol = MDR 2004, 172 (Pape, ZInsO 2004, 647 [657]; Pape, WuB VI C, § 290 InsO 1.04; HK-InsO/Landfermann, 4. Aufl., § 290 Rz. 5; zust. hingegen Wenzel in Kübler/Prütting, InsO, § 290 Rz. 11; Fuchs, NZI 2003, 664; Huber, LMK 2004, 39 [40]; Rigol, BGHReport 2003, 1442 [1443]) hat der Senat den abschließenden Charakter des Katalogs des § 290 Abs. 1 InsO nicht verkannt (so bereits BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - IX ZB 456/02, MDR 2003, 1138 = BGHReport 2003, 975 = WM 2003, 1382 [1383]), sondern das Tatbestandsmerkmal "schriftlich" entsprechend dem Sinn und Zweck des in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO normierten Versagungstatbestandes ausgelegt. Die vom Gesetzgeber angestrebten Beweiserleichterungen (BT-Drucks. 12/2443, 190) bleiben auch dann gewahrt. Der Senat teilt für die bisher entschiedenen Fallgruppen nicht die Einschätzung, die Feststellung, ob "Wissen und Billigung" des Schuldners vorliegen, werde praktische Schwierigkeiten verursachen. Im Gegenteil wird sich auf der Grundlage der zum subjektiven Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu treffenden Feststellungen regelmäßig auch diese Frage beantworten lassen.

[13]b) Das LG hat festgestellt, der Schuldner habe absichtlich falsche Angaben gemacht, um eine Lohnpfändung zu vermeiden. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht. Damit ist auch der subjektive Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt.

 

Fundstellen

BGHR 2006, 1064

MDR 2006, 1432

NZI 2006, 414

NZI 2007, 35

Rpfleger 2006, 493

ZInsO 2006, 601

ZVI 2007, 206

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