Leitsatz (amtlich)

Belasten erschwerende Umstände den vorläufigen Insolvenzverwalter in gleicher Weise wie den endgültigen Insolvenzverwalter, sind die deswegen zu gewährenden Zuschläge zum Regelsatz der Vergütung grundsätzlich für beide mit dem gleichen Hundertsatz zu bemessen.

 

Normenkette

InsVV § 3 Abs. 1, §§ 10, 11 Abs. 1 Sätze 2-3

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Beschluss vom 26.01.2004; Aktenzeichen 3 T 1993/03)

AG Chemnitz

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Chemnitz v. 26.1.2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das LG zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 295.285,87 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde mit Beschluss des AG - Insolvenzgerichts - v. 3.4.2002 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) bestellt. Die Bestellung endete am 2.6.2002 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung des Antragstellers zum endgültigen Insolvenzverwalter.

Der Antragsteller hat beantragt, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 501.282,10 EUR festzusetzen. Er hat hierbei einen 25 %-igen Regelsatz und Zuschläge von insgesamt 170 % - u.a. 75 % für die Betriebsfortführung und 50 % für die Vermietung und Verwaltung von Immobilien - zu Grunde gelegt. Mit Beschluss v. 1.4.2003 hat das AG die Vergütung auf 205.996,23 EUR festgesetzt. Es hat - u.a. wegen der Betriebsfortführung und des Vorhandenseins von teils fertig zu stellenden, teils vermieteten Objekten - lediglich Zuschläge von insgesamt 55 % anerkannt, ohne diesen Prozentsatz aufzuschlüsseln. Das LG hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen, allerdings den Prozentsatz der gewährten Zuschläge nunmehr auf einzelne Zuschlagsfaktoren verteilt. Hierbei sind jeweils 15 % auf die Betriebsfortführung und die Vermietung/Verwaltung von Immobilien entfallen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 7 InsO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO); es führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Der Antragsteller macht geltend, das LG habe zwar die in dem Vergütungsantrag dargelegten Erhöhungstatbestände einzeln bewertet, jedoch weit weniger als beantragt zugebilligt, weil es zu Unrecht angenommen habe, die Zuschläge auf die Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters seien regelmäßig nur mit einem Bruchteil der für den endgültigen Verwalter in vergleichbaren Fällen anerkannten Zuschläge zu bemessen.

2. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob für die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters, die Zuschläge nach § 3 Abs. 1 InsVV rechtfertigt, regelmäßig nur ein Bruchteil der für den endgültigen Verwalter anerkannten Zuschläge anzusetzen ist (LG Braunschweig ZInsO 2001, 552 [553]; LG Berlin ZInsO 2001, 608 [611]; LG Neubrandenburg ZInsO 2003, 26 [27]; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 3 Rz. 72, § 11 Rz. 74; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 2000, Rz. 189; ebenso zur Konkursordnung LG Göttingen ZInsO 1998, 189 [190]) oder ob die Zuschläge - unter der Voraussetzung, dass sich die Tätigkeiten qualitativ und quantitativ nicht unterscheiden - ebenso hoch wie bei dem endgültigen Verwalter zu bemessen sind (OLG Frankfurt v. 7.5.2001 - 26 W 9/01, ZIP 2001, 1016 [1018]; Nowak in MünchKomm/InsO, § 11 InsVV Rz. 16; Eickmann, Vergütungsrecht, 2. Aufl., § 11 InsVV Rz. 22; Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § 11 InsVV, 2003, S. 74 f.).

3. Im vorliegenden Fall wird diese Frage erheblich, weil das LG sich wegen des Zuschlags für die Betriebsfortführung unter Berufung auf Haarmeyer/Wutzke/Förster (Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 3 Rz. 72, § 11 Rz. 74) an der von diesen Autoren für den vorläufigen Insolvenzverwalter genannten "Untergrenze" von 15 % orientiert hat. Da die genannten Autoren unter sonst gleichen Voraussetzungen für den endgültigen Insolvenzverwalter einen Zuschlag von 0,5 auf den Regelsatz befürworten, ist davon auszugehen, dass das LG die Betriebsfortführung unterschiedlich bewertet hat je nachdem, ob sie durch den vorläufigen oder den endgültigen Insolvenzverwalter vorgenommen wird.

4. Der Senat schließt sich im Grundsatz der Auffassung an, dass die Zuschläge für Umstände, welche die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters erschweren, mit dem gleichen Hundertsatz wie bei dem endgültigen Insolvenzverwalter zu bemessen sind, falls diese Umstände sich nicht von denen unterscheiden, die bei dem endgültigen Insolvenzverwalter zu einem Zuschlag führen würden.

a) Zwar ist die Gesamttätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig geringer zu vergüten als die des endgültigen Insolvenzverwalters, weil ihre Aufgaben unterschiedlich sind. Dementsprechend sieht § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV vor, dass die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters i.d.R. einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht überschreiten soll (zur Berechnung vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - IX ZB 50/03, MDR 2004, 656 = BGHReport 2004, 701 = NZI 2004, 251 [252]). Dies gilt insbes. für den einen Normalfall abgeltenden Regelsatz, der bei dem vorläufigen Insolvenzverwalter regelmäßig 25 % der Vergütung des Insolvenzverwalters beträgt (BGH, Beschl. v. 24.6.2003 - IX ZB 453/02, BGHReport 2003, 1245 = MDR 2003, 1252 = NZI 2003, 547 [548]; vgl. nunmehr auch Art. 1 Ziff. 4 der Verordnung zur Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung v. 4.10.2004, BGBl. I, 2569) und den das LG antragsgemäß auch in dieser Höhe festgesetzt hat.

b) Anders kann es sich indessen mit den erschwerenden Umständen i.S.v. § 3 Abs. 1 InsVV verhalten, die nach den §§ 10, 11 Abs. 1 S. 3 InsVV für den vorläufigen Insolvenzverwalter entsprechend zu berücksichtigen sind und denen durch Veränderung des Regelsatzes Rechnung zu tragen ist (BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - IX ZB 50/03, MDR 2004, 656 = BGHReport 2004, 701 = NZI 2004, 251 [253]). Derartige Umstände können sowohl vor als auch nach Insolvenzeröffnung vorliegen. Je nach Lage des Einzelfalles können sie sich für den vorläufigen Insolvenzverwalter in gleicher Weise belastend auswirken wie für den endgültigen Insolvenzverwalter. Ggf. wäre es nicht zu rechtfertigen, sie bei der Vergütung unterschiedlich zu berücksichtigen.

c) Führt der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb des Schuldners fort und wird hierdurch nicht die Masse entsprechend größer, rechtfertigen die durch die Fortführung verursachten Erschwernisse in analoger Anwendung des § 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 1 InsVV eine den Regelsatz übersteigende Vergütung (BGH v. 14.12.2000 - IX ZB 105/00, BGHZ 146, 165 [178] = MDR 2001, 592 = BGHReport 2001, 263; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 3 Rz. 72, § 11 Rz. 74). In diesem Stadium sind die auf die Betriebsfortführung zurückgehenden Erschwernisse häufig nicht weniger belastend als nach Insolvenzeröffnung für den Insolvenzverwalter, weil der vorläufige Insolvenzverwalter es oft mit einer wirtschaftlich noch ungeklärten Situation zu tun bekommt und erst die Grundlagen für die Fortführung des Geschäftsbetriebes schaffen muss. Beispielsweise muss er mit den Lieferanten wegen einer Wiederaufnahme oder Fortführung der Lieferungen und mit den Banken wegen neuer Kredite verhandeln, um die Liquidität wieder herzustellen. Hier werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Das dabei zu Leistende kann - was den Arbeitsaufwand sowie die Bereitstellung der erforderlichen sachlichen und persönlichen Mittel angeht - nicht weniger bedeutsam sein als die Betriebsfortführung durch den späteren Insolvenzverwalter. Auch ist, solange die wirtschaftliche Situation, insb. der Bestand der Masse, nicht geklärt ist, das Haftungsrisiko für den vorläufigen Insolvenzverwalter eher höher als für den Insolvenzverwalter.

Das Argument, Betriebsfortführungen durch den vorläufigen Insolvenzverwalter seien von kürzerer Dauer, trifft nicht in jedem Einzelfall zu. Der Zuschlag ist - unabhängig davon, ob er einen vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalter betrifft - stets nach der konkreten Dauer zu bemessen. Bei gleicher Dauer ist, falls auch sonst keine wesentlichen Unterschiede bestehen, der gleiche Zuschlag veranlasst.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller, wie vom LG festgestellt, das Unternehmen der Schuldnerin für ca. acht Wochen mit 19 Arbeitnehmern fortgeführt. Nach Ansicht des LG ist er dabei "wie ein endgültiger Verwalter tätig geworden". Es ging um die Bauleitung für die Fertigstellung von sieben Wohn- und Geschäftshäusern mit Tiefgaragenstellplätzen. Die noch ausstehende Bauleistung hatte einen Wert von etwa 2,5 Mio. EUR. Dabei war in Abstimmung mit der Gläubigerbank der Generalunternehmer zur Aufholung einer Bauverzögerung anzuhalten. Da das LG möglicherweise auf Grund der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung einem endgültigen Verwalter für eine entsprechende achtwöchige Betriebsfortführung einen höheren Zuschlag als 15 % zugebilligt hätte, kann die angefochtene Entscheidung insofern keinen Bestand haben.

d) Dasselbe gilt hinsichtlich des Zuschlags für die Vermietung und Verwaltung von Immobilienvermögen der Schuldnerin (§ 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2; §§ 10, 11 Abs. 1 S. 3 InsVV). Die Schuldnerin verfügte über 103 Objekte im Inland und ein Objekt in Italien. Auch insoweit sind die Erschwernisse, die den Zuschlag rechtfertigen, für den Antragsteller als vorläufigen Insolvenzverwalter nach den vom LG getroffenen Feststellungen nicht von vornherein geringer als für den endgültigen. Es hat auf die von dem Antragsteller angeführten "zahlreichen Verhandlungen mit Mietern und insbes. Versorgungsunternehmen" abgestellt sowie darauf, dass "die Zuordnung der einzelnen Dauerschuldverhältnisse überaus schwierig" gewesen sei. Auch seien zunächst "umfangreiche Nachforschungen" erforderlich gewesen. Nach den Angaben in der Antragsschrift hat der Antragsteller überdies persönliche Zahlungszusagen erteilt, um die Weiterbelieferung mit elektrischer Energie, Gas, Wärme und Wasser sicherzustellen.

Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht kann nicht ausschließen, dass das LG hierfür einen Zuschlag von mehr als 15 % gewährt hätte, wenn es von der vorstehend unter b) dargelegten Rechtsauffassung ausgegangen wäre.

III.

Hinsichtlich der übrigen Zuschlagsfaktoren - jeweils 5 % für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, die Prüfung des Vertrages mit dem Generalunternehmer, die Prüfung und Abwicklung von Kaufverträgen, Verhandlungen mit Gläubigerbanken über die Verwertung des Immobilienvermögens, insgesamt also (4x 5 =) 20 % - zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler auf; ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Dennoch ist der angefochtene Beschluss insgesamt aufzuheben, weil die Festsetzung der Vergütung nur einheitlich erfolgen kann (BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - IX ZB 50/03, MDR 2004, 656 = BGHReport 2004, 701 = NZI 2004, 251 [253]). Daran ändert auch der dem LG unterlaufene Additionsfehler nichts. Die von ihm ermittelten Zuschläge hätten insgesamt nur 50 % und nicht, wie dem Antragsteller zugebilligt, 55 % ergeben. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass dem Antragsteller wegen der Betriebsfortführung und der Verwaltung des Immobilienvermögens Zuschläge von insgesamt mehr als (55 ./. 20 =) 35 % gebühren.

Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das LG zurückzuverweisen. Die Bemessung der Zuschläge unter Berücksichtigung der Art unddes Umfangs der jeweils entfalteten Tätigkeit ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall (BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - IX ZB 50/03, MDR 2004, 656 = BGHReport 2004, 701 = NZI 2004, 251 [253]).

 

Fundstellen

BGHR 2005, 403

WM 2005, 45

WuB 2005, 321

ZIP 2004, 2448

DZWir 2005, 149

InVo 2005, 135

MDR 2005, 477

NZI 2005, 106

Rpfleger 2005, 157

ZInsO 2004, 1350

ZVI 2005, 227

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