Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerschuldner der Nachsteuer bei Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks durch eine Gesamthand

 

Leitsatz (NV)

Erwirbt eine GbR bestehend aus den Neugesellschaftern von einer GbR bestehend aus den Altgesellschaftern ein Grundstück (Anspruch auf Eigentumsverschaffung) und wird durch diesen Erwerbsvorgang gleichzeitig die Nachsteuer für einen vorangegangenen, zunächst vorläufig steuerfrei verwirklichten Erwerbsvorgang der GbR bestehend aus den Altgesellschaftern aus gelöst, ist Schuldnerin der Nachsteuer unabhängig davon, ob im übrigen durch den Gesellschafterwechsel die Identität der GbR gewahrt wurde, nicht die GbR, bestehend aus den Neugesellschaftern, sondern die GbR, bestehend aus den Altgesellschaftern (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Juni 1989 II B 111/88, BFHE 156, 527, BStBl II 1989, 803).

 

Normenkette

AO 1977 §§ 122, 157; GrEStG NW § 1 Abs. 1 Nr. 1, 5 und 7 (= GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, 5 und 7); GrEStWoBauG NW § 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

In ihrer Eigenschaft als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erwarben A und B durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 16. Dezember 1980 einen Grundbesitz in einer Größe von ... qm. Der Kaufpreis wurde zunächst mit ... DM vereinbart, später durch notarielle Änderungsvereinbarung vom 17. Dezember 1982 auf ... DM reduziert. Antragsgemäß stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) den Grunderwerb der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) nach § 1 Nr. 1 des früheren nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG NW) vorläufig von der Grunderwerbsteuer frei.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 3. März 1983 traten A und B ihre Ansprüche auf Übereignung und Auflassung aus dem o. g. Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von ... DM an C, Tochter des A, und D, die Mutter des B, in GbR ab. Erläuternd heißt es zunächst in dieser Urkunde, A und B hätten hinsichtlich des o. g. Grundbesitzes einen Grundstückskaufvertrag abgeschlossen und diesen Grundbesitz in GbR erworben. Die Umschreibung im Grundbuch sei noch nicht erfolgt. Es sei lediglich zugunsten des A und B eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Nach dem nicht schriftlich fixierten Gesellschaftsvertrag seien A und B zu jeweils 50 v. H. an der GbR beteiligt. C und D sollten in alle Rechte und Pflichten aus dem Grundstückskaufvertrag eintreten und verpflichtet sein, A und B von allen Verpflichtungen gegenüber dem Vorveräußerer, soweit noch bestehend, in jeder Weise freizustellen. Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr an dem Grundstück sollten auf C und D mit dem auf die Erfüllung der Freistellungsverpflichtung folgenden Monatsersten übergehen. Hinsichtlich des "Restkaufpreises von ... DM" waren C und D verpflichtet, auf dem o. g. Grundbesitz zugunsten des A und B eine brieflose Grundschuld in Höhe von ... DM zu bestellen. Schließlich waren sich die Vertragschließenden darüber einig, daß das Eigentum an dem veräußerten Grundbesitz auf C und D in GbR übergeht, die zugunsten der Verkäufer eingetragene Auflassungsvormerkung auf die Erwerber umgeschrieben und die Erwerber als neue Eigentümer in GbR in das Grundbuch eingetragen werden sollten. Ferner übertrugen A und B ihre Anteile an der GbR auf C und D.

In den Jahren 1983 bis 1985 veräußerte die GbR, die Klägerin, seinerzeit bestehend aus den Gesellschafterinnen C und D, von den erworbenen ... qm zwischenzeitlich parzellierte, unbebaute Grundstücke im Ausmaß von insgesamt ... qm. Erwerberin war u. a. C, die ihrerseits die Flächen zum Teil nach Bebauung weiterveräußerte. Die Restflächen, die zum Teil in einem Landschaftsschutzgebiet liegen, verblieben bei der Klägerin, ohne daß diese bebaut wurden.

Am 7. August 1985 übertrug D ihren Anteil an der Klägerin auf A, der wiederum am 17. Januar 1986 seinen Anteil auf E.

Aufgrund einer Betriebsprüfung wurde dem FA die Weiterveräußerung der unbebauten Teilflächen sowie der Umstand bekannt, daß die im Eigentum der Klägerin verbliebenen Flächen unbebaut waren. Es setzte deshalb durch Bescheid vom 29. Mai 1987 im Wege einer "Teil-Nacherhebung nach § 3 Abs. 4 GrEStWoBauG NW" gegen die "GbR C -- D" nach einer Gegenleistung von ... DM (anteiliger Kaufpreis für ... qm) unter Anwendung eines Steuersatzes von 7 v. H. sowie unter Einschluß eines Zuschlages nach § 3 GrEStWoBauG NW Grunderwerbsteuer fest.

Im anschließenden Einspruchsverfahren erließ das FA am 19. Februar 1990 gegen die GbR C -- D einen Änderungsbescheid und ermäßigte die Steuer auf insgesamt ... DM. Den Einspruch, den die Klägerin damit begründete, Teilflächen seien nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Nordrhein-Westfalen (Grundstückserwerb für Zweck des Naturschutzes und der Denkmalspflege) und nach § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG NW von der Steuer befreit, weil die Bebauung der Grundstücke durch C der Klägerin zugerechnet werden müsse, wies das FA durch Bescheid vom 6. November 1990 als unbegründet zurück. Als Inhaltsadressat dieses Bescheides wurde vom FA die GbR C -- D bezeichnet.

Das Finanzgericht (FG) gab der nachfolgenden Klage der Klägerin wegen fehlerhafter Bezeichnung der Klägerin als Inhaltsadressatin im angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid statt. Eine GbR könne grundsätzlich nur durch Angabe ihrer Gesellschafter charakterisiert werden, es sei denn, sie führe einen -- einem Firmennamen vergleichbaren -- Gesamtnamen, unter dem sie sich am Rechtsverkehr beteilige. Im Streitfall habe die Klägerin keinen entsprechenden Eigen- oder Gesamtnamen gehabt, so daß sie durch Angabe aller Gesellschafter hätte bezeichnet werden müssen. Das FA habe jedoch mit der Bezeichnung GbR C -- D nicht die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des angefochtenen Steuerbescheides maßgebliche aktuelle Zusammensetzung der Gesellschafter erfaßt. Dies könne nur so verstanden werden, das FA habe -- unzutreffenderweise -- die GbR in der Zusammensetzung der Gesellschafterinnen C und D als Steuerschuldnerin in Anspruch nehmen wollen. Dabei habe das FA nicht berücksichtigt, daß eine GbR unabhängig von eventuellen Gesellschafterwechseln in ihrer Identität als Steuerschuldnerin unberührt bleibe. Offenbleiben könne deshalb, ob der Erwerbsvorgang vom 16. Dezember 1980 in Gestalt des Änderungsvertrages vom 7. Dezember 1982 (teilweise) von der Grunderwerbsteuer befreit sei.

Mit der Revision macht das FA geltend, das FG gehe fehlerhaft davon aus, Steuerschuldnerin der nach § 3 GrEStWoBauG NW nacherhobenen Grunderwerbsteuer sei die GbR bestehend aus C und E. Vielmehr sei in dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid zutreffend die GbR bestehend aus C und D als Steuerschuldnerin bezeichnet. Bei einer Nacherhebung der Grunderwerbsteuer nach vorangegangener vorläufiger Steuerbefreiung sei Steuerschuldnerin die Gesellschaft in der Zusammensetzung, die die Befreiung beantragt und den begünstigten Zweck endgültig aufgegeben habe. Dies sei hier die GbR bestehend aus den Gesellschafterinnen C und D. Das Urteil verletze auch § 157 und § 122 der Abgabenordnung (AO 1977). Entgegen der Auffassung des FG sei die Klägerin als GbR bestehend aus C und D in dem an gefochtenen Bescheid auch eindeutig angegeben. Es habe nicht der geringste Zweifel bestanden, welche Gesellschaft gemeint gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat -- im Ergebnis zutreffend -- den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 29. Mai 1987 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 19. Februar 1990 und die Einspruchsentscheidung vom 6. November 1990 aufgehoben.

1. Der Senat kann offenlassen, ob er der Auffassung des FG folgen könnte, in den angefochtenen Bescheiden sei die Inhaltsadressatin (GbR) wegen des im Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide bereits eingetretenen Gesellschafterwechsels von D über A auf E fehlerhaft bezeichnet. Unentschieden kann auch die Annahme des FG bleiben, die Bezeichnung C -- D GbR könne -- trotz der ständigen Verwendung dieser Bezeichnung im Schriftverkehr zwischen der Klägerin und dem FA -- nicht als sog. Eigen- bzw. Gesamtname qualifiziert werden, weil es an einer klaren, vom Bestand der Gesellschafter unabhängigen Bezeichnung seit Beginn der Gesellschaft fehle.

2. Auf die Frage, ob die Klägerin nur als C -- E GbR zu bezeichnen gewesen wäre, oder ob -- wie das FA angenommen hat -- auch die Bezeichnung C -- D GbR ausgereicht hätte, kommt es im Streitfall schon deshalb nicht an, weil weder die GbR bestehend aus C und D noch die GbR bestehend aus C und E die wegen des Erwerbsvorganges vom 16. Dezember 1980 bzw. 17. Dezember 1982 gemäß § 3 GrEStWoBauG NW nachzuerhebende Grunderwerbsteuer schuldeten. Denn der Nacherhebungstatbestand wurde -- anders als das FA offensichtlich angenommen hat -- nicht durch die in den Jahren 1983 bis 1985 erfolgte Weiterveräußerung unbebauter Teilflächen ausgelöst. Vielmehr wurde der steuerbegünstigte Zweck i. S. von § 3 Abs. 4 GrEStWoBauG NW bereits dadurch aufgegeben, daß A und B das Grundstück unbebaut unter Abtretung ihrer Ansprüche aus dem Kaufvertrag vom 16. Dezember 1980 und der Ergänzungsvereinbarung vom 17. Dezember 1982 durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 3. März 1983 an C und D weiterveräußert haben. Hierdurch haben A und B in gesamthänderischer Verbundenheit in ihrer Person die Steuer aus dem zunächst durch sie steuerfrei verwirklichten Erwerbsvorgang zur Entstehung gebracht.

In dem notariell beurkundeten Vertrag vom 3. März 1983 haben A und B ihre in GbR erworbenen Ansprüche aus dem oben genannten Grundstückskaufvertrag auf C und D in GbR übertragen und insofern alle beim Abschluß eines Grundstückskaufvertrages üblichen Vereinbarungen (Zahlung, Belegung und Sicherstellung des Kaufpreises, Übergang von Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr sowie Eigentum und Sicherstellung des Übereignungsanspruchs durch Bewilligung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Erwerberinnen) getroffen. Der in diesen Vereinbarungen zum Ausdruck kommende Charakter des Vertrages vom 3. März 1983 als Grundstückskaufvertrag überlagert die zusätzlich vereinbarte Abtretung der Gesellschaftsanteile von A auf C und B auf D und schließt die Annahme einer fortbestehenden Gesamthand in bezug auf das Grundstück aus. Denn wenn die Vertragschließenden unter Fortführung der GbR lediglich einen Gesellschafterwechsel hätten vereinbaren wollen, hätte es weder einer notariellen Beurkundung, noch der Abtretung der Ansprüche und der Übernahme der Pflichten aus dem Grundstückskaufvertrag sowie der Vereinbarung des Besitz- und Eigentumsübergangs bedurft. C und D hätten nämlich bereits unmittelbar mit dem -- auch in privatschriftlicher Form möglichen -- Erwerb ihrer Gesellschafterstellung in gesamthänderischer Verbundenheit Inhaberinnen der Rechte und Pflichten aus dem Grundstückskaufvertrag werden können, weil durch den Gesellschafterwechsel der Fortbestand und die Identität der Gesellschaft nicht berührt worden wären (vgl. Senatsurteil vom 19. März 1980 II R 23/77, BFHE 130, 422, BStBl II 1980, 598). Durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 3. März 1983 hat die A -- B GbR das Grundstück unter Abtretung ihrer Ansprüche aus dem Grundstückskaufvertrag mit dem Voreigentümer an die C -- D GbR weiterveräußert. Dieser Vorgang unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nrn. 5 und 7 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer, weil die C -- D GbR durch den Vertrag vom 3. März 1983 von der A -- B GbR einen eigenen Anspruch auf Eigentumsverschaffung erworben hat. Hierin liegt gleichzeitig auch die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks durch die A -- B GbR i. S. von § 3 Abs. 4 GrEStWoBauG NW.

Erwirbt, wie im Streitfall, eine GbR bestehend aus den Neugesellschaftern von einer GbR bestehend aus den Altgesellschaftern ein Grundstück (Anspruch auf Eigentumsverschaffung) und wird durch diesen Erwerbsvorgang gleichzeitig die Nachsteuer für einen vorangegangenen, zunächst vorläufig steuerfrei verwirklichten Erwerbsvorgang der GbR bestehend aus den Altgesellschaftern ausgelöst, ist Schuldnerin der Nachsteuer unabhängig davon, ob im übrigen durch den Gesellschafterwechsel die Identität der GbR gewahrt wurde, nicht die GbR, bestehend aus den Neugesellschaftern, sondern die GbR, bestehend aus den Altgesellschaftern (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 7. Juni 1989 II B 111/88, BFHE 156, 527, BStBl II 1989, 803). Denn durch den Veräußerungsvorgang sind der Fortbestand und die Identität der GbR in bezug auf das Grundstück unterbrochen worden, weil das gesamthänderische Eigentum der Neugesellschafter an dem Grundstück nicht lediglich Ausfluß eines die Identität der Gesellschaft nicht berührenden Gesellschafterwechsels ist, sondern auf einem eigenständigen Erwerb des Grundstücks durch die Neugesellschafter zur gesamten Hand beruht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420776

BFH/NV 1996, 258

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