Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Unterschied im Regelungsgehalt eines Wertfortschreibungs- und eines Nachfeststellungsbescheids

 

Leitsatz (NV)

1. Mit einer Wertfortschreibung wird nur Änderungen im Wert einer wirtschaftlichen Einheit, die bereits Gegenstand einer Einheitswertfeststellung war, Rechnung getragen; sie setzt daher Identität der wirtschaftlichen Einheit voraus. Dagegen beinhaltet eine Nachfeststellung des Einheitswerts nachträgliche und erstmalige Feststellungen über den Wert, über die Art und die Zurechnung einer neu gegründeten bzw. entstandenen wirtschaftlichen Einheit.

2. Da der Regelungsgehalt eines Wertfortschreibungsbescheids sich grundsätzlich von dem eines Nachfeststellungsbescheids unterscheidet, vermag eine nachträglich vom Finanzamt gegebene Erklärung, daß anstelle der Voraussetzungen einer Wertfortschreibung die einer Nachfeststellung gegeben sei, einen Wertfortschreibungsbescheid nicht in einen Nachfeststellungsbescheid zu korrigieren.

3. Die Unterschiede im Regelungsgehalt verbieten, einen Wertfortschreibungsbescheid nach § 128 Abs. 1 AO 1977 in einen Nachfeststellungsbescheid umzudeuten.

4. Ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kommt von vornherein dann nicht in Betracht, wenn lediglich von dem im Steuerrecht selbst eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht wird.

 

Normenkette

AO 1977 § 126 Abs. 1 Nr. 2; BewG 1965 § 22 Abs. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1; StAnpG § 6 (nunmehr § 42 AO 1977)

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Mit Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 19. Oktober 1972 wandelte die zunächst als C-GmbH firmierende Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) als Alleingesellschafterin der E-GmbH diese im Wege der Verschmelzung auf sich um. Als Umwandlungsstichtag wurde der 2. Juli 1972 bestimmt. Zugleich wurde der Firmenname der übernehmenden C-GmbH in den der Klägerin geändert. Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (1. Juli bis 30. Juni).

In der Vermögensaufstellung der Klägerin auf den 1. Januar 1973 zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs blieb das Vermögen der E-GmbH unberücksichtigt.

Bei einer Außenprüfung, die sich u. a. auf die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar der Jahre 1969 bis 1975 erstreckte, vertraten die Prüfer die Auffassung, daß das Vermögen der umgewandelten E-GmbH zum Abschlußzeitpunkt ihres Wirtschaftsjahres 1971/1972 bei der Wertfortschreibung des Einheitswerts der Klägerin auf den 1. Januar 1973 mitzuerfassen sei.

Dieser Ansicht folgend stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) mit einem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Wertfortschreibungsbescheid vom 12. Januar 1979 den Einheitswert der Klägerin auf den 1. Januar 1973 zunächst mit ... DM und schließlich während des Klageverfahrens mit Änderungsbescheid vom 18. September 1990 auf ... DM fest. Auf Antrag der Klägerin wurde der Einheitswert-Änderungsbescheid vom 18. September 1990 zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht (§ 68 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Den Einspruch der Klägerin wies das FA zwischenzeitlich mit der Begründung zurück, daß durch die Verschmelzung der C- GmbH, der jetzigen Klägerin, mit der E- GmbH bei wirtschaftlicher Betrachtung eine neue wirtschaftliche Einheit entstanden sei, für die auf den 1. Januar 1973 eine Nachfeststellung durchzuführen sei.

Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin weiterhin das Ziel, bei der Ermittlung des Einheitswerts ihres Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1973 das Vermögen der zuvor auf sie umgewandelten E-GmbH außer Ansatz zu lassen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und stellte unter Änderung des Änderungsbescheids vom 18. September 1990 den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1973 auf ... DM fest.

Das FA habe zu Unrecht das mit Wirkung vom 2. Juli 1972 auf die Klägerin übergegangene Betriebsvermögen der E-GmbH bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1973 miterfaßt. Bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1973 sei auf das zum Abschlußzeitpunkt 30. Juni 1972 ermittelte Betriebsvermögen abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt habe das Betriebsvermögen der Klägerin noch nicht das Vermögen der mit ihr verschmolzenen E-GmbH umfaßt, da der Abschlußzeitpunkt vor dem Umwandlungsstichtag 2. Juli 1972 liege. Das Vermögen der umgewandelten E- GmbH könne auch nicht im Wege einer Nachfeststellung in die Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1973 miteinbezogen werden.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Diese wird damit begründet, daß das Betriebsvermögen der mit der Klägerin fusionierten E-GmbH im Einheitswert der Klägerin auf den 1. Januar 1973 mit zu erfassen sei, da die Bestimmung des Umwandlungsstichtags auf den 2. Juli 1972 einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstelle. Deshalb sei der Steueranspruch so entstanden, wie er bei einer der wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. Daher sei als Umwandlungsstichtag der 30. Juni 1972 anzunehmen. Dies habe zur Folge, daß die Klägerin zum Abschlußzeitpunkt bereits an der E-GmbH beteiligt gewesen sei. Das FG habe zudem die Voraussetzungen für eine Nachfeststellung zu Unrecht verneint.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1973 sei gemäß § 106 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965 das Vermögen der Klägerin zum 30. Juni 1972 zugrunde zu legen. An dem für den Bestand und die Bewertung des Vermögens maßgeblichen Abschlußzeitpunkt 30. Juni 1972 hätten weder die Anteile noch das Vermögen der E-GmbH zu dem Vermögen der Klägerin gehört. Die Wahl des Umwandlungsstichtags zum 2. Juli 1972 sei auch keine unangemessene Gestaltung. Soweit die Revision auf § 23 BewG 1965 gestützt werde, bestünden auch verfahrensrechtliche Bedenken. Der angegriffene Einheitswertbescheid beruhe auf einer Wertfortschreibung nach § 22 BewG 1965. Eine Wertfortschreibung könne aber nicht in eine Nachfeststellung umgedeutet werden. Wenn der Gewerbebetrieb der Klägerin eine neue wirtschaftliche Einheit darstellen würde -- was bestritten werde --, müßte der Feststellungsbescheid aufgehoben werden und eine Nachfeststellung nach § 23 BewG 1965 erfolgen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden (vgl. § 126 Abs. 4 FGO), daß die Voraussetzungen für die vom FA durchgeführte Änderung der Wertfortschreibung des Einheitswerts des Gewerbebetriebs der Klägerin auf den 1. Januar 1973 unter Einbeziehung des im Wege einer verschmelzenden Umwandlung auf die Klägerin übergegangenen Vermögens der E-GmbH nicht vorliegen.

1. Der im Streit stehende Einheitswertbescheid des FA ist ein Wertfortschreibungsbescheid i. S. von § 22 BewG 1965.

a) Dieser Änderungsbescheid wurde nicht dadurch zum Nachfeststellungsbescheid i. S. von § 23 BewG 1965, daß das FA in der Einspruchsentscheidung die Voraussetzungen für eine Nachfeststellung bejaht hat.

aa) Die Fortschreibung eines Einheitswerts i. S. von § 22 BewG 1965 setzt voraus, daß für eine bereits bestehende wirtschaftliche Einheit schon vorher ein Einheitswert auf einen Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 21 Abs. 2 BewG), einen Nachfeststellungszeitpunkt (§ 23 Abs. 2 BewG) oder einen Fortschreibungszeitpunkt (§ 22 Abs. 4 BewG) festgestellt worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. Juni 1984 III R 131/80, BFHE 142, 70, BStBl II 1984, 816). Mit einer Wertfortschreibung wird nur Änderungen im Wert einer wirtschaftlichen Einheit, die bereits Gegenstand einer vorangegangenen Einheitswertfeststellung war, Rechnung getragen. Eine Wertfortschreibung setzt daher die Identität der wirtschaftlichen Einheit, die Feststellungsgegenstand war und bleibt, voraus. Dagegen beinhaltet eine Nachfeststellung des Einheitswerts nicht nur nachträgliche und erstmalige Feststellungen über den Wert, sondern auch über Art und Zurechnung einer -- abgesehen von den weiteren Fällen des § 23 Abs. 1 BewG 1965 -- nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt ggf. neu gegründeten bzw. entstandenen wirtschaftlichen Einheit (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965). Der Regelungsgehalt eines Wertfortschreibungsbescheids unterscheidet sich deshalb grundsätzlich von dem eines Nachfeststellungsbescheids. Die Bezeichnung eines Einheitswertbescheids als Wertfortschreibungsbescheid ist aus diesem Grund ebensowenig lediglich Teil der Begründung wie die Bezeichnung eines solchen Verwaltungsaktes als Nachfeststellungsbescheid. Daher vermag eine nachträglich zur Begründung gegebene Erklärung, daß anstelle der Voraussetzungen einer Wertfortschreibung die einer Nachfeststellung gegeben seien, einen Wertfortschreibungsbescheid nicht zu einem Nachfeststellungsbescheid zu korrigieren. Denn ein Begründungsaustausch -- wie er nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 grundsätzlich möglich ist -- setzt voraus, daß der Regelungsgegenstand selbst unverändert bestehen bleibt.

bb) Die im Streitfall vom FA im Einspruchsverfahren gegebene neue Begründung, wonach die im Wertfortschreibungsänderungsbescheid vorgenommene Maßnahme eine Nachfeststellung darstelle, entfaltet keine Wirkung. Denn der Regelungsgehalt des vom FA erlassenen Wertfortschreibungsänderungsbescheids wird durch die Begründungsänderung nicht berührt. Der Regelungsgehalt des angefochtenen Verwaltungsakts betrifft lediglich die vom FA angenommene Wertänderung des Einheitswerts der ursprünglichen wirtschaftlichen Einheit Gewerbebetrieb der Klägerin zum Bewertungsstichtag und beinhaltet nicht eine erstmalige Feststellung von Wert, Art und Zurechnung des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1973.

b) Auch eine Umdeutung (§ 128 AO 1977) des streitigen Wertfortschreibungsänderungsbescheids in einen Nachfeststellungsbescheid kommt nicht in Betracht. Die oben aufgezeigten Unterschiede im Regelungsgehalt verbieten eine Umdeutung. Denn nach § 128 Abs. 1 AO 1977 kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt nur umgedeutet werden, wenn er -- neben weiteren Voraussetzungen -- auf das gleiche Ziel gerichtet ist.

2. a) Im streitigen Verfahren ist die Überprüfung daher darauf beschränkt, ob die Voraussetzungen für den vom FA erlassenen Wertfortschreibungsänderungsbescheid vorgelegen haben. Es bleibt dahin gestellt, ob im Streitfall überhaupt eine Wertfortschreibung durchgeführt werden durfte oder ob -- wie das FA in seiner Revisionsbegründung zumindest auch angenommen hat -- eine Nachfeststellung auf den 1. Januar 1973 durchzuführen gewesen wäre, weil durch Umwandlung der E-GmbH auf die Klägerin möglicherweise eine neue wirtschaftliche Einheit entstanden ist. Auch wenn man mit dem FG von der Identität der wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens der Klägerin als Voraussetzung für eine Wertfortschreibung ausgeht, war jedenfalls die vom FA durchgeführte Änderung der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1973 nicht gerechtfertigt.

b) Entgegen der Auffassung des FA kann das Vermögen der E-GmbH auch unter dem Gesichtspunkt des Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht in die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin einbezogen werden. Denn in der Festlegung des steuerlichen Umwandlungsstichtags auf den 2. Juli 1972 liegt kein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. von § 6 des Steueranpassungsgesetzes -- StAnpG -- (nunmehr § 42 AO 1977).

Nach § 6 StAnpG kann die Steuerpflicht durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts nicht umgangen oder gemindert werden. Den Steuerpflichtigen ist es grundsätzlich aber nicht verwehrt, ihre rechtlichen Verhältnisse so zu regeln, daß sich eine geringere steuerliche Belastung ergibt. Die Gestaltungsmöglichkeiten finden ihre Grenze nur bei einer mißbräuchlichen Rechtsgestaltung zur Steuerumgehung. Eine solche mißbräuchliche Rechtsgestaltung ist jedoch nur dann denkbar, wenn die Parteien unter Ausnutzung einer zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeit den vom Steuergesetz erfaßten -- "angemessenen" -- Weg vermeiden und statt dessen einen Weg beschreiten, der zwar nach der Wertung des Steuergesetzes ebenfalls besteuerungswürdig ist, aber als solcher keinen Steuertatbestand erfüllt. Dagegen kommt ein Gestaltungsmißbrauch von vornherein dann nicht in Betracht, wenn -- wie im Streitfall -- lediglich von dem im Steuerrecht selbst eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht wird.

c) Nach § 2 des Umwandlungs-Steuergesetzes 1969 muß die bei der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung in das Handelsregister einzureichende Bilanz der Kapitalgesellschaft für einen Stichtag aufgestellt sein, der höchstens sechs Monate vor der Anmeldung liegt. Diese Regelung macht die steuerliche Rückbeziehung des Vermögensübergangs auf den steuerlichen Übertragungszeitpunkt lediglich davon abhängig, daß die vorgesehene Sechs-Monatsfrist nicht überschritten wird. Im übrigen steht die Wahl des Umwandlungsstichtags im Belieben der Parteien. Sie steht insbesondere nicht unter dem Vorbehalt der Kontinuität der Besteuerung des Vermögens der umgewandelten Kapitalgesellschaft.

Der Umstand, daß die Vermögenssteuerpflicht der E-GmbH bereits mit Ablauf des Jahres 1972 infolge ihrer Auflösung geendet hat, gestattet nicht, das Vermögen der E-GmbH entgegen der ausdrücklichen Regelung des § 106 Abs. 3 BewG 1965 dem Vermögen der Klägerin zu dem der Wertfortschreibung zugrundzulegenden Abschlußzeitpunkt 30. Juni 1972 zuzurechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420780

BFH/NV 1996, 17

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