Leitsatz (amtlich)

Läßt ein Unternehmer, dem die Genehmigung zum Güterfernverkehr erteilt ist, das Unternehmen durch einen anderen führen und führt dieser das Unternehmen im Namen und für Rechnung des Inhabers der Genehmigung, so betreibt der andere auch dann keinen nicht genehmigten Güterfernverkehr, wenn mit der Führung des Unternehmens durch ihn gesichert werden soll, daß die Erträgnisse des Unternehmens zur Abdeckung von Schulden des Inhabers der Genehmigung verwendet werden; unerheblich ist, daß der das Unternehmen Führende selbst zu den Gläubigern gehört.

 

Normenkette

BefStG 1955 § 11 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Bg. ist Mitinhaber der Firma A. u. B. Diese Firma hatte am 4. Juni 1956 eine Forderung von 9109 DM gegen den Güterfernverkehrsunternehmer C. Unter anderem war sie in ihrer Eigenschaft als Bürge einer Forderung, die der Sparkasse X. (im folgenden Sparkasse genannt) gegen den Unternehmer C. zustand, wiederholt in Anspruch genommen worden. Um insbesondere die von dem Unternehmer C. sowohl an die Sparkasse als auch an die Firma A. u. B. noch zu leistenden Zahlungen sicherzustellen, schlossen der Bg. und der Unternehmer C. am 4. Juni 1956 einen Vertrag unter anderem folgenden Inhalts:

"a) Herr C. -- als Konzessionsinhaber -- vereinbart während der Dauer der Konzession mit

Herrn A. (= Bg.) -- als eingesetzten Treuhänder -- zum Zwecke der Schuldtilgung folgendes:

Herr A. verfügt selbständig geschäftsführend über den jeweils notwendigen Einsatz des Lastzuges mit Anhänger sowie über die Personalbesetzung und enthält sich während der Dauer dieser Vereinbarung Herr C. jedweder Einsatzverfügung.

Herr A. als Treuhänder verpflichtet sich, aus den sämtlichen Frachteinnahmen mit diesem Fahrzeug alle laufenden Unkosten wie Pflege, Reparaturen, Löhne, soziale Lasten, Steuern und Versicherungen usw. zu bezahlen.

Nach Abzug der unbedingt notwendigen Ausgaben erfolgt die Schuldtilgung für folgende Gläubiger:

1. Sparkasse X.,

2. Firma A. u. B.,

3. Firma K.,

4. verbleibt ein Restbetrag, so wird dieser an Herrn C. hinausgegeben, was aber erst nach Schuldtilgung möglich sein wird.

b) Während der Dauer dieser Vereinbarung halten die Gläubiger, Sparkasse X. und die Firma A. u. B. still und nehmen von Weiterungen Abstand.

c) Der geschäftsführende Treuhänder, Herr A., verpflichtet sich, ein Separatkonto bei der Sparkasse in X. auf seinen Namen zu errichten und nach kaufmännischen Grundsätzen ordnungsgemäß monatlich mit Herrn C. abzurechnen.

Herr C. hat jederzeit ein Überprüfungsrecht. Die Belege sind alsdann zum Zwecke der Buchung Herrn C. zur Verfügung zu stellen.

Die Abrechnung erfolgt jeweils in der ersten Kalendermonatswoche.

Stirbt Herr A. oder verliert Herr C. die Konzession, so hebt sich der Vertrag formlos auf.

Die Geschäftsführung der Treuhänderschaft ist unentgeltlich. Die nachgewiesenen Auslagen werden ersetzt bzw. werden verrechnet.

Während der Dauer dieses Vertrages tritt Herr C. seine Fuhrlohnansprüche an den Treuhänder ab.

Die Parteien sind sich darüber einig, daß der Vertrag nur so lange wirksam ist, als Herr C. im Besitz der Konzession ist."

Entsprechend dem Vertrag wurde dem Bg. als geschäftsführendem Treuhänder der Lastzug des Unternehmers C. übergeben. Die Beförderungen wurden unter der Firmenbezeichnung "C., Ferntransporte, Abrechnungsstelle X." durchgeführt und abgewickelt. Der Bg. beschaffte die Beförderungsaufträge zum weit überwiegenden Teil selbst. Die vereinnahmten Beförderungsentgelte zahlte er auf ein bei den Vereinigten Sparkassen errichtetes Sonderkonto "A. betr. C., Ferntransporte, Zweigstelle X." ein. Aus diesem Sonderkonto wurden die laufenden Ausgaben für den Lastzug bestritten. Über Einnahmen und Ausgaben wurde Buch geführt. Der Lastzug befand sich teils in X. und teils auswärts. In den ersten Tagen nach Inkrafttreten des Vertrags wurde der Lastzug noch von bereits gekündigtem Personal des Unternehmers C. gefahren. Als Kraftfahrer und Beifahrer wurden alsdann zwei in X. wohnende Personen beschäftigt und aus den Frachteinnahmen entlohnt. Der Bg. hat für seine Tätigkeit mit Ausnahme der Vergütung für entstandene Auslagen keinen Lohn oder sonstige Bezüge erhalten oder für sich aus den Beförderungseinnahmen einbehalten. Ein Arbeitnehmerverhältnis zum Unternehmer C. lag nicht vor. Beförderungen wurden nur in der Zeit vom 11. Juni 1956 bis zum 7. August 1956 durchgeführt, wobei sich 274 734 Tonnenkilometer ergaben. Die Durchführung weiterer Beförderungen wurde dadurch unmöglich, daß die Gläubigerfirma K. den Lastzug sicherstellen ließ. An Frachteinnahmen wurden nach den vorhandenen Aufzeichnungen insgesamt 22 075,46 DM erzielt, denen 22 375,66 DM Ausgaben gegenüberstanden. Das Defizit von 300,20 DM hat nach seiner Angabe vorläufig der Bg. getragen. Von den Einnahmen wurden neben den allgemeinen Unterhaltungskosten, Steuern, Löhnen und sozialen Lasten je 1400 DM an die Sparkasse X. gezahlt, ferner 1300 DM an die Firma A. u. B. und für laufende Rechnungen 1445,45 DM. Außerdem hat Unternehmer C. für gelegentliche Beschaffung von Beförderungsaufträgen verschiedentlich 100 DM erhalten. Zwangsweise wurden auch mehrmals alte Verbindlichkeiten des Unternehmers C. beglichen. An Beförderungsteuer wurde in dieser Zeit lediglich für die ersten 12 durchgeführten Beförderungen ein Betrag von 374,48 DM an das für den Unternehmer C. zuständige Zentralfinanzamt Y. abgeführt.

Das Finanzamt X. forderte hierauf vom Bg. mit Bescheid vom 24. April 1957 Beförderungsteuer in Höhe von 8242 DM und 824,20 DM Zuschlag nach § 168 Abs. 2 AO, wobei es von einer Beförderungsleistung von 274 734 Tonnenkilometern und einer Steuer von 0,03 DM je Tonnenkilometer ausging. Es sah die Beförderungen als nicht genehmigte Güterbeförderungen im Fernverkehr (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b des Beförderungsteuergesetzes -- BefStG -- 1955) an.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht sah die Berufung als begründet an und hob die Einspruchsentscheidung und den Steuerbescheid ersatzlos auf.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. des Vorstehers des Finanzamts muß der Erfolg versagt bleiben.

Allerdings kann ein Unternehmer die ihm erteilte Genehmigung im Güterfernverkehr nicht auf einen andern übertragen (§ 11 Satz 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes -- GüKG --). Soll ein anderer das Unternehmen als Beförderungsunternehmer betreiben, dann müßte dieser eine Genehmigung erst für sich erwirken, wobei unter anderem seine Zuverlässigkeit und fachliche Eignung zu prüfen wären (§ 10 GüKG); ein Betrieb des Güterfernverkehrsunternehmens durch den anderen ohne eine ihm erteilte Genehmigung würde nicht genehmigten Güterfernverkehr darstellen. Eine offene oder verdeckte Übertragung der Genehmigung durch den Unternehmer C. auf den Bg. lag aber im Streitfall gar nicht vor. Aus dem Vertrag vom 4. Juni 1956 kann nicht entnommen werden, daß eine solche Übertragung auf den Bg. von den Beteiligten gewollt war. Davon könnte nur dann die Rede sein, wenn der Bg. das für den Unternehmer C. genehmigte Unternehmen für eigene Rechnung als Beförderungsunternehmer betrieben hätte. Dies aber hat das Finanzgericht zu Recht verneint. Die Absicht des Bg. ist nach den getroffenen Vereinbarungen nicht dahin gegangen, aus dem Einsatz des dem Unternehmer C. gehörigen Lastzuges zum Güterfernverkehr Einnahmen für eigene Rechnung zu erzielen. Nach dem Vertrag sollten sämtliche Einnahmen dem Unternehmer C. zufließen, soweit sie nicht für den Betrieb selbst gebraucht wurden. Daß der Unternehmer C. hinsichtlich der Verwendung dieser Einnahmen gebunden war, ändert nichts daran, daß sie ihm zufließen sollten und auch zugeflossen sind. Zwar war der Bg. an der Erzielung von Einnahmen stärkstens interessiert, weil ein Teil der Einnahmen des C. ja zur Tilgung von dessen Schulden an die Sparkasse und an die Firma A. u. B., an der der Bg. beteiligt war, Verwendung finden sollte und weil weiter die Tilgung der Schulden an die Sparkasse, die für die Firma A. u. B. günstige Folge gehabt hätte, daß die weitere Inanspruchnahme dieser Firma als Bürge für die Schuld des Unternehmers C. an die Sparkasse entfiel. Dieses Interesse des Bg. an der Erzielung von Einnahmen macht die Einnahmen nicht zu solchen des Bg. oder der in Betracht kommenden Gläubiger des Unternehmers C., dessen Schulden sich ja mit jeder Verwendung der Einnahmen zu Zahlungen an die Gläubiger entsprechend verringerten, was nicht der Fall sein konnte, wenn die Einnahmen nicht dem C. zugeflossen wären. Allerdings hat der Bg. während der Laufzeit des Vertrages maßgebend das Güterfernverkehrsunternehmen geführt, und der Unternehmer C. hat sich vereinbarungsgemäß in dieser Zeit jeglichen Einflusses auf die Führung der Geschäfte enthalten. Aber auch dies machte den Bg. noch nicht zum Beförderungsunternehmer, weil ihm, wie bereits ausgeführt, die Absicht der Erzielung von Einnahmen für seine Person fehlte. Die ausschließliche Führung des für einen anderen genehmigten Unternehmens genügt noch nicht zur Annahme von nicht genehmigtem Güterfernverkehr auf seiten dessen, der das Unternehmen führt. In der vom Finanzamt für seine Ansicht angeführten Anm. 2 bei Müller, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl., Anhang 4, Gesetz über die Beförderung von Personen zu Lande zu § 40 (S. 1039), ist gesagt, daß Täter im Sinne des § 40 auch sein könne, wer den einem anderen genehmigten Verkehr "als Unternehmer" betreibt. Eine andere -- hier nicht interessierende -- Frage ist, ob der Unternehmer C. dadurch, daß er die Führung seines Betriebes einem anderen verantwortlich überließ, ohne daß dieser durch die Genehmigungsbehörde überprüft war (§ 10 GüKG, Dritte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsgesetz vom 30. Juli 1953 Nrn. 5, 7 und 8), etwa seinerseits gegen Vorschriften des GüKG verstoßen hat. Es ist keineswegs absurd, daß jemand sich für "ein ihm völlig fremdes Unternehmen" zu dessen Nutzen einsetzt, nämlich dann nicht, wenn das Gedeihen oder Nichtgedeihen dieses Unternehmens für den sich zu dessen Nutzen Betätigenden -- wie im Streitfall -- von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung ist. Daß dem Unternehmer C. für die Verschaffung von Beförderungsaufträgen einige Male ein als Provision bezeichnetes Entgelt von jeweils 100 DM gewährt wurde, hat das Finanzgericht mit Recht als unerheblich angesehen. Das gleiche gilt auch für den Umstand, daß der Bg. das Defizit von 300,20 DM vorläufig zu tragen hatte. Auch dem kann keine die Eigenschaft als Beförderungsunternehmer beweisende Bedeutung beigemessen werden.

Zu Unrecht bezieht sich das Finanzamt für seine Auffassung auf die Entscheidung des Kammergerichts 2 U 1399/55 vom 21. Oktober 1955 (Neue Juristische Wochenschrift 1956 S. 713). Der jener Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist insofern anders gelagert, als der Inhaber der Genehmigung sein Unternehmen einem anderen -- zum Unterschied vom Streitfall -- zur wirtschaftlichen Ausnutzung durch diesen anderen überlassen hat. In dieser Beziehung gleich liegt auch der Sachverhalt im Urteil des Bundesgerichtshofs VI ZR 197/53 vom 10. November 1954 (Verkehrsrechts-Sammlung Bd. 8 S. 100), auf das das Finanzamt Bezug nimmt. Auch der vom Finanzamt für seine Ansicht besonders ins Feld geführte Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts BWReg. 4 St 10/1957 vom 31. Oktober 1957 geht bei seiner Bejahung der Frage, ob derjenige, der das Güterfernverkehrsunternehmen eines anderen unter dessen Namen allein maßgebend führt, Güterfernverkehr betreibt, davon aus, daß diesem die Erträgnisse des Unternehmens unmittelbar zufließen; zum Unterschied von dem in diesem Beschluß behandelten Fall bestand ferner im Streitfall auch eine gesonderte selbständige Buchführung für das Güterfernverkehrsunternehmen. Sofern in diesem Beschluß etwa die Ansicht vertreten sein sollte, daß ein unmittelbares Zufließen der Einnahmen in diesem Sinn an denjenigen, der das Unternehmen eines anderen unter dessen Namen maßgebend führt, auch dann gegeben sei, wenn die Einnahmen zur Deckung von Schulden des Genehmigungsinhabers an den das Unternehmen Führenden Verwendung finden, würde der erkennende Senat dem nicht folgen können.

 

Fundstellen

BStBl III 1961, 30

BFHE 1961, 73

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