Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anfechtung einer Kostenentscheidung ist zulässig, soweit deren verfahrensrechtliche Unzulässigkeit geltend gemacht wird.

Wird gegen ein finanzgerichtliches Urteil nur wegen der Streitwertfeststellung Rb. eingelegt, so kann nach Zurückverweisung der Sache das Finanzgericht eine Entscheidung über die Kosten der Berufung nicht mehr erlassen.

 

Normenkette

AO § 318; FGO § 138/1, §§ 143, 145

 

Tatbestand

Im Berufungsverfahren gegen einen HGA-Bescheid hob die Vorinstanz am 1. Februar 1957 den Bescheid und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts auf, legte dem Land die Kosten des Verfahrens auf und stellte den Wert des Streitgegenstandes auf 8.400 DM fest.

Auf Antrag des Finanzamts änderte die Vorinstanz durch Beschluß vom 15. Juni 1957 den Streitwert auf 1.680 DM ab. Einen Antrag des Bf., diesen Beschluß wieder aufzuheben, wies es zurück. Auf die "Beschwerde" des Bf. hob der Bundesfinanzhof durch Urteil III 390/57 vom 19. August 1960 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 320, Rechtsspruch 41) den Beschluß vom 15. Juni 1957 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurück. Auch übertrug es diesem die Entscheidung über die Kosten der Rb. und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes.

Die Vorinstanz erließ nunmehr am 2. Dezember 1960 folgende Entscheidung: Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.148 DM festgestellt. Die Kosten der Berufung und Rb. werden dem Bf. zu 3/5 und dem Bg. zu 2/5 auferlegt.

Gegen dieses Urteil legte der Bf. erneut Rb. ein. Die Kostenentscheidung sei unrichtig. über die Kosten der Berufung habe die Vorinstanz schon mit Urteil vom 1. Februar 1957 entschieden. Dieses Urteil sei unanfechtbar, eine Abänderung daher nicht möglich. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. August 1960 habe der Vorinstanz auch nur die Entscheidung über die Kosten der Rb. übertragen. Auch diese Kosten hätten dem Bg. auferlegt werden müssen, da er im Rechtsbeschwerdeverfahren unterlegen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

I. - Die Rb. richtet sich gegen die Kostenentscheidung des Urteils der Vorinstanz vom 2. Dezember 1960.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine Rb., die sich nur gegen eine Kostenentscheidung richtet, nicht zulässig, wenn das Berufungsgericht in der Sache selbst entschieden hat (Urteile des Bundesfinanzhofs III 20/58 U vom 16. Januar 1959, BStBl 1959 III S. 119, Slg. Bd. 68 S. 305, und VI 112/55 U vom 1. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 90, Slg. Bd. 64 S. 237). Diese Urteile beruhen auf der Anwendung eines auch § 99 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zugrunde liegenden Rechtsgedankens, dessen Zweck es ist, zu verhindern, daß das höhere Gericht bei der Nachprüfung einer Kostenentscheidung die Hauptsache anders beurteilt als die zur Hauptsache ergangene und mangels Anfechtung unanfechtbar gewordene Entscheidung der unteren Instanz. Es soll vermieden werden, daß das höhere Gericht bei Entscheidung der Frage, inwieweit der Bf. im Rechtsstreit unterlegen ist, die rechtskräftig gewordene Entscheidung in der Hauptsache überprüfen muß mit der möglichen Folge einer von der Entscheidung der Vorinstanz abweichenden Beurteilung.

Eine überprüfung der Hauptsache ist allerdings nicht erforderlich, wenn der Bf. nicht behauptet, die Kostenentscheidung sei inhaltlich unrichtig, sondern geltend macht, sie habe aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht ergehen dürfen. Die Gefahr einer abweichenden Beurteilung der unanfechtbar entschiedenen Hauptsache durch die höhere Instanz im Rahmen des Rechtsstreits nur über die Kosten des Verfahrens besteht hier nicht. Die Rechtsprechung, daß eine Entscheidung im Kostenpunkt allein grundsätzlich nicht angefochten werden könne, steht daher der Anfechtung eines verfahrensrechtlich unzulässigen Kostenurteils nicht entgegen (so auch Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., S. 370).

Im vorliegenden Fall macht der Bf. geltend, soweit die Vorinstanz über die Kosten der Berufung entschieden habe, hätte eine Kostenentscheidung gar nicht ergehen dürfen, da über diese Kosten schon mit Urteil vom 1. Februar 1957 unanfechtbar entschieden worden sei. Mit diesem Vorbringen will der Bf. die Kostenentscheidung nicht ihrem Inhalt nach angreifen, sondern ihre verfahrensrechtliche Zulässigkeit überhaupt bestreiten. Die Rb. ist daher zulässig, soweit sie sich gegen die Entscheidung der Vorinstanz über die Kosten der Berufung richtet.

II. -

Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs IV 403/56 vom 25. Februar 1960 (StRK, Reichsabgabenordnung, § 320, Rechtsspruch 30) und III 4/62 vom 3. August 1962 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 178) wird durch die Anfechtung der Streitwertfeststellung eines finanzgerichtlichen Urteils der Eintritt der formellen Rechtskraft dieses Urteils nicht gehemmt. Die formelle Rechtskraft eines Urteils erstreckt sich auch auf dessen Kostenentscheidung. Eine änderung der Kostenentscheidung auf Grund einer Neuberechnung des Streitwertes nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache ist daher ausgeschlossen.

Die Vorinstanz konnte daher im vorliegenden Fall über die Kosten der "Berufung" nicht mehr entscheiden. Das Berufungsverfahren war bereits durch das Urteil vom 1. Februar 1957 in der Hauptsache und im Kostenpunkte unanfechtbar abgeschlossen. Eine erneute Entscheidung über die Kosten der Berufung auf Grund der Neufestsetzung des Streitwertes im Urteil vom 2. Dezember 1960 war nicht mehr zulässig.

Der Bg. wendet ein, die Vorinstanz habe nicht die unanfechtbar gewordene Kostenentscheidung in der HGA-Sache selbst ändern, sondern dem Bf. entsprechend seinem Unterliegen die Kosten "eines noch abhängigen Streitwertfeststellungsverfahrens für die Berufungsinstanz" auferlegen wollen. Es ist richtig, daß für diese Absicht der Inhalt des Kostenurteils spricht, wonach der Bf. 3/5 der Kosten tragen sollte. Diese Aufteilung entspricht dem Verhältnis, in dem der Bf. mit seinem Antrag den Streitwert von 1.680 DM auf 8.400 DM hinaufzusetzen unterlag. Andererseits ist darauf hinzuweisen, daß die Vorinstanz, wenn sie für ein besonderes noch anhängiges Streitwertfeststellungsverfahren hätte Kosten festsetzen wollen, für dieses Verfahren auch wieder einen Streitwert hätte bilden müssen. Dies hat sie jedoch nicht getan.

Die Auslegung des Urteils der Vorinstanz über die Kosten der Berufung kann jedoch dahingestellt bleiben, da auch eine Entscheidung über die Kosten eines besonderen Streitwertfeststellungsverfahrens "in der Berufungsinstanz" unzulässig war. Die Anfechtung von Streitwertfeststellungen in Einspruchs- oder Berufungsentscheidungen findet nicht in einem besonderen Verfahren, sondern im Rahmen des Berufungsverfahrens nach § 229 AO statt. Ebenso setzt die selbständige Anfechtung solcher Streitwertfeststellungen nicht ein neues Verfahren in Lauf, sondern bewirkt nur die - allerdings jetzt auf einem bestimmten Streitpunkt beschränkte - Fortsetzung des bisherigen Rechtsmittelverfahrens. Für dieses eine Rechtsmittelverfahren kann es für jede Instanz nur eine Kostenentscheidung geben und nicht etwa eine Kostenentscheidung in der Hauptsache und eine Kostenentscheidung für die Streitwertfeststellung. Wenn infolge der Beschränkung des Rechtsmittels auf die Streitwertfeststellung die Entscheidung des Rechtsstreites in der Hauptsache und im Kostenpunkt unanfechtbar wurde, ist eine Kostenentscheidung nur noch insoweit möglich, als das Verfahren anhängig bleibt. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Vorinstanz nur noch eine Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren des ersten Rechtsganges treffen konnte.

Auch wurde durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. August 1960, das die Sache zur erneuten Entscheidung zurückwies, vor der Vorinstanz nicht etwa ein erneutes, auf die Streitwertfeststellung beschränktes Berufungsverfahren eröffnet. Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil VI 304/60 S vom 15. März 1963 (BStBl 1963 III S. 272, Slg. Bd. 76 S. 746) entschieden hat, bildet im Falle der Zurückverweisung einer Sache an die Vorinstanz das Berufungsverfahren im I. und II. Rechtsgang für das Kostenrecht nur eine Instanz, für die nur ein Streitwert festzustellen und eine Kostenentscheidung zu erlassen ist.

An diesem Ergebnis ändert auch nichts, daß im vorliegenden Fall die im Urteil der Vorinstanz vom 1. Februar 1957 enthaltene Streitwertfeststellung ursprünglich nicht angefochten wurde und der Rechtsstreit über die Höhe des Streitwertes erst durch die Abänderung dieser Streitwertfeststellung und die Weigerung der Vorinstanz, diese Abänderung wieder aufzuheben, in Gang kam. Wie der Senat bereits in seinem Urteil III 390/57 vom 19. August 1960 a. a. O. ausgesprochen hat, war der Antrag des Bf. auf Aufhebung des die Streitwertfeststellung ändernden Beschlusses vom 15. Juni 1957 als Rb. gegen die infolge des Beschlusses zum Bestandteil des Urteils vom 1. Februar 1957 gewordene abgeänderte Streitwertfeststellung aufzufassen. Durch den Antrag des Bf. wurde daher nicht ein besonderer Rechtsstreit über den Streitwert eingeleitet, sondern das ursprüngliche Rechtsmittelverfahren - beschränkt auf die Streitwertfeststellung - fortgesetzt.

III. - Insoweit der Bf. eine andere Kostenverteilung für das Rechtsbeschwerdeverfahren des I. Rechtsganges begehrt, ist seine Rb. unzulässig. Die Entscheidung über die Kosten der Rb. des I. Rechtsganges wurde der Vorinstanz durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. August 1960 übertragen. Die Vorinstanz hat daher darüber in zulässiger Weise entschieden. Eine Anfechtung dieser Kostenentscheidung war nach den obengenannten Grundsätzen nicht zulässig, da das Berufungsgericht in der Sache - das war nach Zurückverweisung der Sache nur die Feststellung des Streitwertes für das Berufungsverfahren - entschieden hatte.

IV. - In dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. August 1960 war der Vorinstanz auch die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes für das Rechtsbeschwerdeverfahren des I. Rechtsganges übertragen worden. Die Vorinstanz hat diese Feststellung nicht vorgenommen. Der Senat setzt daher den Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren des I. Rechtsganges entsprechend den Ausführungen seines Urteils vom 19. August 1960 mit 319 DM an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410933

BStBl III 1963, 585

BFHE 1964, 722

BFHE 77, 722

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