Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Rückstellungen eines öffentlichen Versorgungsunternehmens für Baukostenzuschüsse der Abnehmer können als Betriebsschuld abzugsfähig sein, wenn sie zum Ausgleich der Verpflichtung des Unternehmens zu Versorgungsleistungen gegen unwirtschaftliches Entgelt gezahlt werden.

 

Normenkette

BewG § 62 Abs. 1, § 103/1

 

Tatbestand

Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien dem Senat zweckmäßig, zunächst ohne eine solche zu entscheiden (§ 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung). Streitig ist, ob bei Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf den 1. Januar 1946 die Rückstellung für Baukostenzuschüsse im Betrage von 1.565.564 RM als Schuld abzuziehen ist. Die Bfin. versorgt die Bevölkerung nach Maßgabe ihrer Lieferungsbedingungen mit Strom, Gas und Wasser. Die Abnehmer tragen die Kosten der von der Bfin. hergestellten Anschlußleitungen von dem bereits vorhandenen Straßenzuleitungsnetz zu den Grundstücken. Die Anschlußleitungen werden Eigentum der Bfin. Gemäß § 19 Abs. 6 der Eigenbetriebsverordnung vom 21. Dezember 1938 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 1650) sind Ertragszuschüsse (empfangene Vorschüsse auf künftige Betriebsleistungen) einer Rückstellung zuzuführen. Aus der Rückstellung werden jährlich diejenigen Teilbeträge als außergewöhnlicher Ertrag in die Jahreserfolgsrechnung übernommen, die jeweils an der Wirtschaftlichkeit der bezuschußten Betriebsleistungen fehlen. Soweit der Eigenbetrieb Baukostenzuschüsse auf Grund allgemeiner Lieferbedingungen erhebt, gelten sie als Ertragszuschüsse. Von ihnen ist jährlich 1/20 der Rückstellung zu entnehmen. Die Bfin. begründet den begehrten Abzug damit, daß die Zahlung des Baukostenzuschusses von den Abnehmern erhoben werde, um die Mehrbelastung durch die verschiedenartigen Anschlußverhältnisse auszugleichen und so einheitliche Tarife zu ermöglichen. Die Leistung des Baukostenzuschusses gewähre dem Abnehmer erst den Anspruch auf den einheitlichen Tarif. Da die tariflichen Leistungen insbesondere in den ersten Jahren nach dem Bau der Anschlüsse zur Deckung der Aufwendungen der Bfin. nicht ausreichten, weil erst durch das Hinzukommen weiterer Abnehmer der Anschluß rentabel werde, sei die Rückstellung der Baukostenzuschüsse geboten. Die Vorbehörden haben den Abzug abgelehnt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Dem Finanzgericht ist darin beizustimmen, daß die Eigenbetriebsverordnung für die hier zu lösende Frage nicht entscheidend ist. Es kommt darauf an, ob für die Bfin. bereits am Stichtage eine mindestens wirtschaftliche Verbindlichkeit gegenüber ihren Abnehmern bestanden hat (§ 62 Absatz 1 des Reichsbewertungsgesetzes). Das Finanzgericht hat dies verneint, da die Abnehmer keine Ansprüche gegen die Bfin. auf Berücksichtigung der von ihnen gezahlten Zuschüsse bei Bemessung der Preise für Strom, Gas und Wasser hätten. Denn einerseits könne die Bfin. einzelnen Abnehmern gegenüber auf die Zahlung der Zuschüsse verzichten und andererseits habe sich die Bfin. die einseitige änderung ihrer Lieferungsbedingungen ausdrücklich vorbehalten. Diese überlegungen reichen nicht aus, um die Existenz einer abzugsfähigen Schuld zu verneinen. Selbst wenn einige Großabnehmer keine Baukostenzuschüsse zahlen müßten, wäre dies für die Frage, ob und welche Ansprüche die Masse der Abnehmer gegen die Bfin. hat, ohne Bedeutung. Im übrigen hat die Bfin. in ihrem Schriftsatz vom 4. August 1949 behauptet, daß jeder Abnehmer den Baukostenzuschuß bezahlt. Ferner trifft es zwar zu, daß sich die Bfin. änderung ihrer Lieferungsbedingungen vorbehalten hat. Jedoch kommt diesem Vorbehalt wegen der für das Versorgungsunternehmen bestehenden Preisbindung (Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen, Preisstopverordnung, vom 26. November 1936, RGBl. I S. 955, vgl. auch Anordnung des Wirtschaftsrats über Preisbildung und Preisüberwachug nach der Währungsreform vom 25. Juni 1948, Gesetz- und Verordnungsblatt 1948 S. 61) und der Lieferungsverpflichtungen (Gesetz zur Förderung der Energie-Wirtschaft vom 13. Dezember 1935, RGBl. I S. 1451) keine erhebliche praktische Bedeutung zu. Dies hat das Finanzgericht verkannt. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zu erneuter Prüfung - zweckmäßig an das Finanzamt - zurückzuverweisen. Dieses hat an Hand der von der Bfin. beizubringenden Unterlagen zu untersuchen, ob sämtliche Herstellungs- und Verteilungskosten der Bfin. zuzüglich des angemessenen Nutzens eines öffentlichen Versorgungsunternehmens durch die Tarifpreise der laufenden Lieferungen gedeckt und demgemäß die Baukostenzuschüsse in Ausnützung ihrer Monopolstellung von der Bfin. ohne wirtschaftliche Notwendigkeit gefordert werden, oder ob die Bfin. tatsächlich am Stichtag nicht in der Lage war, die Neuanschlüsse nach den Tarifen zu beliefern, und deshalb statt eines laufenden Zuschlags zu den üblichen Strom-, Gas- und Wasserpreisen in Form der Baukostenzuschüsse eine einmalige Abfindung gezahlt werden mußte. Wäre letzteres zu bejahen, so wäre eine am Stichtag bereits vorhandene Verpflichtung der Bfin., zu unwirtschaftlichen Preisen zu liefern, anzuerkennen (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 487/28 vom 15. Mai 1929, Slg. Bd. 25 S. 174, I 451/40 vom 11. Februar 1941, Reichssteuerblatt 1941 S. 268 und I 18/42 vom 12. Mai 1942, Reichssteuerblatt 1942 S. 852). Für die Bewertung dieser Verbindlichkeit kann die Höhe der gezahlten Zuschüsse einen Anhaltspunkt bieten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407317

BStBl III 1952, 30

BFHE 1953, 72

BFHE 56, 72

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