Leitsatz (amtlich)

Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags bel Grundstücksunternehmen kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn das Unternehmen erst im Laufe des Erhebungszeitraums von der gewerblichen zur vermögensverwaltenden Tätigkeit übergegangen ist.

 

Normenkette

GewStG 1969 § 9 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betrieb Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen sowie Kraftfahrzeugteilen. Außerdem unterheilt sie eine Reparaturwerkstatt. Am 15. April 1969 vermietete sie sämtliche Betriebsräume und verkaufte die Maschinen, Werkzeuge und die Ladeneinrichtung sowie einen Teil der Werkstatt- und die Büroeinrichtung. Die verbliebenen Wirtschaftsgüter (u. a. einige Kraftfahrzeuge) verwendete die Klägerin nur noch für ihre Vermietungstätigkeit.

Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) nahm für das ganze Jahr 1969 (Streitjahr) das Vorliegen einer gewerbesteuerpflichtigen Tätigkeit an. Im Einspruchsverfahren versagte das FA die von der Klägerin beantragte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.

Das FG gab der Klage statt. Es führte aus, daß die Klägerin seit dem 15. April 1969 ausschließlich vermögensverwaltend tätig geworden sei und daß deshalb bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für das Streitjahr nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG der auf die vermögensverwaltende Tätigkeit entfallende Ertrag abzuziehen sei. Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung setze voraus, daß das Grundstücksunternehmen neben der vermögensverwaltenden Tätigkeit nicht gleichzeitig einer gewerblichen Betätigung nachgegangen sei. Dagegen bedeute das Merkmal der Ausschließlichkeit nicht, daß während des ganzen Erhebungszeitraums vermögensverwaltende Tätigkeit vorgelegen haben müsse. Im Falle des Übergangs von gewerblicher zu vermögensverwaltender Tätigkeit sei das Merkmal der Ausschließlichkeit von dem Zeitpunkt des Übergangs an erfüllt. Es sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin, wenn sie als Personengesellschaft zu behandeln wäre, bei einem Wechsel von gewerblicher zur vermögensverwaltenden Tätigkeit die Eigenschaften eines Gewerbebetriebes verlöre und nicht mehr der Gewerbesteuerpflicht unterläge. Die GmbH & Co. KG müsse für die Anwendung der erweiterten Kürzungsvorschrift einer Personengesellschaft gleichgestellt werden. Daher seien von der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen der Mieteinnahmen in Höhe von 65 450 DM abzusetzen.

Das FA beantragt in der Revision, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Abweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sie ergibt sich bereits daraus, daß einzige Komplementärin eine GmbH ist (vgl. Urteil des BFH vom 3. August 1972 IV R 235/67, BFHE 106, 331, BStBl II 1972, 799).

Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1969 können Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, die Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen (§§ 7, 8 GewStG) um den Teil des Gewerbeertrages in Anspruch nehmen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. An der Ausschließlichkeit fehlt es, wenn das Unternehmen während eines Teils des Erhebungszeitraums den bezeichneten Grundbesitz gewerblich genutzt hat. Denn Anerkennung der Ausschließlichkeit bedeutet, daß dem Unternehmen für den (gesamten) streitigen Erhebungszeitraum der Charakter eines Grundstücks(verwaltungs)unternehmens im Sinn der erweiterten Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zuzusprechen ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1971 I R 174/69, BFHE 101, 396, BStBl II 1971, 338). Aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer (vgl. § 10 Abs. 3, § 11 Abs. 5, § 14 Abs. 2 GewStG) folgt, daß das Merkmal der Ausschließlichkeit während des ganzen Erhebungszeitraums erfüllt gewesen sein muß, damit die erweiterte Kürzungsvorschrift für den Erhebungszeitraum angewendet werden kann. Ob die Voraussetzungen des Vergünstigungstatbestandes erfüllt sind, beurteilt sich weder nach den Verhältnissen mehrerer Jahre (vgl. BFH-Urteil vom 13. September 1972 I R 185/70, BFHE 106, 546, BStBl II 1972, 887) noch nach einzelnen Zeitabschnitten innerhalb eines Erhebungszeitraums.

Die abweichende Rechtsauffassung des FG, die von der Klägerin in ihrer Revisionserwiderung vertreten wird, würde zu einer ungleichmäßigen Besteuerung gleichliegender Sachverhalte führen. Ihre Anwendung könnte nicht auf den hier vorliegenden Fall des Übergangs von gewerblicher Grundstücksnutzung zu reiner Vermögensverwaltung beschränkt werden. Sie müßte auch für die Fälle gelten, in denen neben einer während des ganzen Erhebungszeitraums ausgeübten reinen Vermögensverwaltung zeitweise steuerschädliche gewerbliche Geschäfte getätigt wurden. Für solche Fälle aber hat die Rechtsprechung - ohne auf eine bestimmte Dauer der gewerblichen Tätigkeit abzustellen - ausgeführt, daß die erweiterte Kürzungsvorschrift für den betreffenden Erhebungszeitraum nicht in Anspruch genommen werden kann, so wenn das Unternehmen auch fremden Grundbesitz verwaltet hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1966 I 173/63, BFHE 85, 115, BStBl III 1966, 253) oder wenn die Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens für sich betrachtet eine gewerbliche Tätigkeit darstellte (vgl. BFH-Urteil IV R 235/67). Die steuerschädliche Tätigkeit führt hiernach auch dann zur Versagung der erweiterten Kürzung, wenn sie nicht während des ganzen Erhebungszeitraums ausgeübt wurde. Muß aber aus diesem Grunde die erweiterte Kürzung sogar dann versagt werden, wenn das Unternehmen während des ganzen Erhebungszeitraums auch oder womöglich in erster Linie eigenen Grundbesitz verwaltet und genutzt hat und damit die vom Gesetzgeber als vor allem förderungswürdig angesehene Tätigkeit ausgeübt hat, so wäre es sinnwidrig, in anderen Fällen - wie hier -, in denen die verwaltende Tätigkeit nur während eines Teiles des Erhebungszeitraums stattgefunden hat, die Vergünstigung - wenngleich nur für diesen Teil des Erhebungszeitraums - zu gewähren. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die steuerschädliche Tätigkeit Nebengeschäfte oder den Gegenstand der Grundstücksnutzung selbst betraf.

Die Rechtsauffassung der Klägerin hätte im übrigen zur Folge, daß in den genannten weiteren Fällen jeweils für die Zwischenzeiten, in denen keine steuerschädliche Tätigkeit ausgeübt wurde, die erweiterte Kürzung gewährt werden müßte. Auch dies wäre mit dem Grundsatz der Jahressteuer unvereinbar.

Das FG ließ sich bei seiner Entscheidung von der Erwägung leiten, daß es der Zweck der erweiterten Kürzungsvorschrift gewesen sei, Grundstücksunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft entsprechenden - gewerbesteuerfreien - Personenunternehmen gleichzustellen. Dieser Gesichtspunkt ist zwar, und darin folgt der Senat dem FG, bei der Auslegung der Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu berücksichtigen (vgl. zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift BFH-Urteil vom 7. April 1967 VI 294/65, BFHE 89, 130, BStBl III 1967, 559). Das FG hat aber verkannt, daß dieser Grundgedanke für den Regelfall verwirklicht ist, wenn die Vorschrift dahin ausgelegt wird, daß das Merkmal der Ausschließlichkeit während des ganzen Erhebungszeitraums gegeben sein muß, falls es sich um ein während dieses gesamten Zeitraums auf Grund seiner Rechtsform gewerbesteuerpflichtiges Unternehmen handelt. Der Umstand, daß sich dieser Gleichstellungsgedanke bei einem Wechsel von gewerblicher zu rein vermögensverwaltender Tätigkeit während des Erhebungszeitraums - wie im Streitfall - nicht durchführen läßt, liegt, wie ausgeführt, im System des Gewerbesteuergesetzes begründet. Er muß zugunsten einer Gleichbehandlung näherliegender Sachverhalte hingenommen werden.

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 563

BFHE 1973, 138

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