Leitsatz (amtlich)

Der Verlustabzug nach § 10d EStG ist auch dann nicht zulässig, wenn in einem weiteren Betrieb derselben Einkunftsart des Steuerpflichtigen ein Verlust entstanden ist, der nicht nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG durch Vermögensvergleich, sondern durch Überschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt wurde.

 

Normenkette

EStG § 10d

 

Tatbestand

Streitig ist der Verlustabzug nach § 10d EStG 1961.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Kommanditist einer GmbH & Co. KG (KG) und unterhielt außerdem eine eigene Gaststätte. In seiner Steuererklärung für das Jahr 1964 machte er seinen Anteil an dem nicht ausgeglichenen Verlust, den die Gesellschaft im Jahre 1963 erlitten hatte, in Höhe seiner um die sonstigen Sonderausgaben 1964 geminderten Einkünfte 1964 gemäß § 10d EStG als Sonderausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) lehnte den Verlustabzug ab, weil die negativen Einkünfte aus der Gaststätte im Verlustjahr 1963 nicht durch Vermögensvergloich nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG, sondern durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt worden seien. Der Kläger hatte im Verlustentstehungsjahr 1963 nur positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung wie folgt: Werden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus mehreren Unternehmen erzielt, so komme ein Verlustabzug nach § 10d EStG ständiger höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung zufolge nur in Betracht, wenn die Gewinne aller Unternehmen durch Vermögensvergleich ermittelt wurden. Von diesem Grundsatz könne nur dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn der Betrieb, dessen Gewinn nicht durch Vermögensvergleich ermittelt wurde, von untergeordneter Bedeutung ist. Der in der Gaststätte im Jahre 1963 erlittene Verlust von 17 513 DM wirke sich aber neben dem Anteil am Verlust der Gesellschaft von 41 957,09 DM steuerlich erheblich aus und falle daher ins Gewicht. Auf das Verhältnis der Umsätze komme es nicht an, weil allein die Höhe der Gewinne bzw. Verluste der einzelnen Betriebe maßgebend sei. Hiergegen richtet sich die Revision, die der Kläger wie folgt begründet:

Es gebe keine gesetzliche Regelung, wonach der Inhaber mehrerer Betriebe den Verlustabzug nach § 10d EStG nur bei ordnungsmäßiger Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich in allen Betrieben vornehmen könne. Im übrigen sei aber sowohl der Verlust der Gesellschaft als auch der Verlust in der Gastwirtschaft auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden. Gehe man mit dem BFH davon aus, daß die Ermittlung des Gewinns durch Vermögensvergleich auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung in allen vom Steuerpflichtigen unterhaltenen Betrieben nur verlangt werde, um den Abzug geschätzter Verluste auszuschließen, so könne ihm der Verlustabzug nicht versagt werden, weil sich der in der Gastwirtschaft erlittene Verlust auf seinen Anteil am Verlust der Gesellschaft in keiner Beziehung ausgewirkt habe. Hinzu komme, daß die Gastwirtschaft im Verhältnis zum Unternehmen der Gesellschaft von untergeordneter Bedeutung gewesen sei, weil sie keinen Gewinn und nur etwa ein Zehntel des Umsatzes der Gesellschaft erbracht habe. Es würde gegen den Gleichheitssatz des GG verstoßen, wenn ihm der Verlustabzug versagt würde, während der Abzug Steuerpflichtigen, deren Ehefrauen einen eigenen Betrieb unterhalten oder die selbst nur einen Betrieb innehaben, zuerkannt werde.

Der Kläger beantragt:

Die Einkommensteuer für das Jahr 1964 abweichend von dem Urteil des FG

unter Berücksichtigung des in der Erklärung beantragten Verlustabzugs von 18 705 DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger kann seinen Anteil am Verlust der KG, den diese im Vorjahr 1963 erlitten hat, im Streitjahr 1964 nicht gemäß § 10d EStG als Sonderausgabe absetzen.

Dieser Vorschrift zufolge können Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, die Verluste der fünf vorangegangenen Veranlagungszeiträume aus den in § 10d EStG genannten Einkunftsarten wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen, soweit ihnen ein Ausgleich oder Abzug der Verluste in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht möglich war. Unstreitig ist, daß - abgesehen von dem Verlust der Gastwirtschaft - alle Voraussetzungen für den Abzug des Anteils des Steuerpflichtigen am Verlust der KG erfüllt sind. Der BFH vertritt jedoch in ständiger Rechtsprechung die auch in der Literatur kaum bestrittene Auffassung, daß beim Vorhandensein mehrerer Betriebe derselben Einkunftsart der Verlustabzug nur zulässig sei, wenn das Betriebsergebnis in allen Betrieben (vgl. Entscheidungen vom 8. Mai 1958 IV 115/57 U, BFHE 67, 200, BStBl III 1958, 350; vom 19. Juli 1963 VI 245/62, StRK, Einkommensteuergesetz, § 10 d, Rechtsspruch 25; vom 30. Oktober 1964 VI 250/63, StRK, Einkommensteuergesetz, § 10 d, Rechtsspruch 28; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 7 zu § 10d EStG; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., 1. Bd. S. 1523; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., Rdnr. 10 ff. zu § 10 d) durch Vermögensvergleich auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt wurde. (Mit dem Urteil des BFH vom 12. Juni 1968 IV 181/62, BFHE 92, 558, BStBl II 1968, 651, das Gewinnermittlung auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung in allen Betrieben des Steuerpflichtigen überhaupt, also auch solchen verschiedener Einkunftsarten verlangt, braucht sich der Senat im Streitfall nicht auseinanderzusetzen, weil nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen.)

Der Einwand des Klägers, im Gesetz sei nicht geregelt, wie bei Vorhandensein mehrerer Betriebe zu verfahren sei, trifft nicht zu. Nach dem Wortlaut des § 10d EStG wird nicht der Verlust aus einem Gewerbebetrieb zum Abzug zugelassen, sondern der Verlust "aus Gewerbebetrieb". Es handelt sich um den in § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG erwähnten Verlust, der sich aus einer einzelnen Einkunftsart, nämlich der Einkunftsart "Gewerbebetrieb" ergibt. Der Verlust aus Gewerbebetrieb in § 10d EStG ist mit dem Verlust nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG, der sich aus Gewerbebetrieb - der einzelnen Einkunftsart - ergibt, inhaltsgleich. Der Senat sieht keinen Anlaß, von einer unterschiedlichen Deutung beider Verlustbegriffe auszugehen. Gemeint ist in § 10d EStG also der Gesamtverlust aus allen gewerblichen Betätigungen eines Steuerpflichtigen. Dieser Gesamtverlust muß in der in § 10d EStG geforderten Weise ermittelt sein. Hierbei ist nach der Systematik des Gesetzes gleichgültig, ob sich der Gesamtverlust dadurch ergibt, daß vorhandene Verluste aus einem Betrieb die positiven Einkünfte aus einem anderen Betrieb übersteigen, oder ob der Gesamtverlust lediglich aus der Summe von Einzelverlusten der mehreren Betriebe besteht.

Die Auslegung der Vorschrift in dem Sinn, daß das Gesamtergebnis (Verlust) aus einer der in § 10d EStG aufgeführten Einkunftsarten auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung durch Vermögensvergleich ermittelt sein muß, entspricht somit dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik. Sie ist aber auch der Sache nach gerechtfertigt. Denn der auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelte Verlust eines Betriebes ist dies nicht mehr, wenn ein Teil davon mit positiven Einkünften aus einem anderen Betrieb derselben Einkunftsart, die nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt Wurden, verrechnet ist - ein Verlustausgleich nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt in einem solchen Fall nicht vor. Hierdurch wird der Verlust selbst dergestalt berührt, daß das Gesamtergebnis (Verlust) aus den mehreren Betrieben derselben Einkunftsart kein solches mehr ist, das auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt wurde (vgl. das oben zitierte Urteil des BFH IV 115/57 U). Im Fall der Schätzung der positiven Einkünfte aus dem anderen Betrieb ist auch das Gesamtergebnis (Verlust) nur noch ein geschätztes (vgl. Urteile des BFH VI 250/63 und IV 181/62).

Es war aber zu erwägen, ob der Verlustabzug im Streitfall nicht deshalb gewährt werden kann, weil in einem Fall, in dem der Steuerpflichtige in dem anderen Betrieb einen Verlust erlitten hat, der nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung durch Vermögensvergleich ermittelt wurde, der in dem Betrieb mit ordnungsmäßiger Buchführung erzielte Verlust weder in seiner Höhe noch in seiner Qualität als ein auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelter berührt wird. Es findet keine Verrechnung dieses Verlustes wie beim Vorliegen positiver Einkünfte statt. Es kann deshalb auch die dargestellte sachliche Berechtigung für die Versagung des Verlustabzugs, wenn in einem von mehreren Betrieben derselben Einkuftsart die in § 10d EStG geforderte Gewinnermittlungsart nicht vorliegt, nicht zutreffen. Die reale Aufspaltung des Gesamtverlusts aus den mehreren Betrieben in den Verlust des Klägers aus der Gaststätte einerseits und in den Verlust aus seiner Beteiligung an der KG andererseits wäre unschwer möglich, ohne daß der Verlust aus der KG hierdurch auch nur teilweise seine Eigenschaft als auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung durch Vermögensvergleich ermittelter Verlust verlieren würde. Der Senat sieht jedoch keine Möglichkeit, diesen Bedenken gegen die Versagung des Verlustabzugs im vorliegenden Fall durch eine Entscheidung abweichend vom Wortlaut des Gesetzes Rechnung zu tragen. Eine Entscheidung abweichend vom Gesetzeswortlaut ist nur zulässig, wenn eine wortlautgetreue Auslegung zu einem so sinnwidrigen Ergebnis führen würde, daß dieses der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann (Urteil des BFH vom 8. Dezember 1967 VI R 114/66, BFHE 91, 157, BStBl II 1968, 270). Steht die Auslegung einer Vorschrift aber mit der Gesetzessystematik, in die sie hineingestellt ist und die den Gesetzgeber bei ihrer Fassung ersichtlich leitete, in Einklang, so kann sie nicht wegen eines in einem Einzelfall schwer verständlichen Ergebnisses wortlautwidrig ausgelegt werden. Dies vor allem dann nicht, wenn sich keine Anhaltspunkte dafür finden lassen und es auch nicht angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber diesen Einzelfall nicht bedacht hat und ihn, wenn er ihn bedacht hätte, abweichend von der allgemeinen Systematik geregelt hätte. In solchen Fällen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die wortgetreue Gesetzesanwendung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt.

Die von der Rechtsprechung des BFH zu § 32a EStG 1949 und § 10a EStG entwickelten Grundsätze, wonach die dort genannten Vergünstigungen auch dann gewährt werden können, wenn im Rahmen des Gesamtergebnisses unwesentliche Geschäfte geringen Umfangs nicht ordnungsmäßig erfaßt wurden (vgl. Entscheidungen vom 25. März 1954 IV 99/53 U, BFHE 59, 84, BStBl III 1954, 241 und vom 15. Juli 1954 IV 399/53 U, BFHE 59, 110, BStBl III 1954, 251), sind auf den Streitfall nicht anwendbar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie überhaupt auf die Anwendung des § 10d EStG übertragen werden kann. Dagegen könnte schon sprechen, daß diese Rechtsprechung in dem zu § 10a EStG ergangenen § 45 Abs. 2 EStDV ihren Niederschlag gefunden hat, soweit geringfügige land- und forstwirtschaftliche Gewinne in Betracht kommen, während für § 10d EStG eine ähnliche oder gleichartige Vorschrift fehle. Aber selbst wenn die Grundsätze auf die Anwendung des § 10d EStG übertragen werden könnten, wäre dies in dem vorliegenden Falle nicht möglich, weil der Kläger im Rahmen der Gastwirtschaft keine unwesentlichen Geschäfte geringen Umfangs betrieben hat - wovon das FG mit im wesentlichen zutreffender Begründung ausgegangen ist. Weder aus den Darlegungen des Klägers noch aus sonstigen Umständen ist erkennbar, daß die Geschäfte der Gastwirtschaft nur einen geringen Umfang hatten und daß das Ergebnis im Rahmen des Gesamtergebnisses nur geringfügig war.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG liegt in der Versagung der Anwendung des § 10d EStG entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Die gesetzliche Regelung ist nicht allein deshalb willkürlich, weil sie verlangt, daß der Inhaber mehrerer Betriebe in allen Betrieben die Voraussetzungen des Abzugs erfüllen muß. Es lag im Ermessen des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Erfüllung des Tatbestands des Verlustabzugs in dieser Weise abzugrenzen. Damit erledigt sich auch der Hinweis des Klägers, Freiberufler und Land- und Forstwirte seien besser gestellt. Ob die Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn nicht der Kläger selbst, sondern seine Ehefrau die Gastwirtschaft betrieben hätte, ist zweifelhaft. Jedenfalls läge dann aber ein mit dem zu entscheidenden Fall nicht vergleichbarer Fall vor.

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 385

BFHE 1973, 308

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