Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die einem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine nicht der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist entsprechende vorzeitige Entlassung vom Arbeitgeber gezahlte Abfindung ist insoweit nicht steuerfrei im Sinne des § 3 Zff. 8 EStG 1951, als sie den bis zum Ende der nicht gewahrten Kündigungsfrist vertraglich geschuldeten Arbeitslohn nicht übersteigt.

Das übergangsgehalt gemäß § 37 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. 1951 I S. 307), 1. September 1953 (BGBl. 1953 I S. 1288) ist steuerpflichtiger Arbeitslohn.

 

Normenkette

EStG § 19/1, § 3 Ziff. 8, § 3 Ziff. 9, § 3 Ziff. 10; LStDV §§ 1-2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.), der Obersteuerinspektor z. Wv. ist, wurde vom Finanzamt im Wege der Zusammenveranlagung mit seiner selbständig tätigen Ehefrau mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur Einkommensteuer 1951 herangezogen.

Den veranlagten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit lagen an Roheinnahmen

I. Bezüge von einer französischen Dienststelle in Höhe von 400 DM und

das übergangsgehalt gemäß § 37 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen in Höhe von 2.000 DM zugrunde.

In seiner Einkommensteuer-Erklärung 1951 hatte der Bf. für diese Einnahmen gemäß § 3 Ziff. 8 bzw. 9 und 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1951 Steuerfreiheit beansprucht. Die Vorbehörden haben dies verneint.

Das Arbeitsverhältnis mit der französischen Dienststelle sei unter Nichtberücksichtigung der in der Instruction Nr. 1831 festgelegten Kündigungsfrist von zwei Monaten am 24. November 1950 zum 31. Dezember 1950 gekündigt worden. Diese Kündigung hätte eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem nächst zulässigen Kündigungstermin - dem 24. Januar 1951 - nicht bewirken können. Es sei zu unterstellen, daß die französische Dienststelle als Arbeitgeberin die Anweisung zur Bezahlung des halben Monatsgehalts nur im Hinblick auf die nicht bestimmungsgemäß erfolgte Kündigung gegeben habe. Diese Zahlung stelle daher nicht eine Entschädigung im Sinne des § 3 Ziff. 8 EStG dar, sondern sei als Befriedigung des vertraglich begründeten Lohnanspruchs des Bf. zu betrachten.

Auch das vom Bf. als Beamter z. Wv. bezogene übergangsgehalt sei als Arbeitslohn steuerpflichtig, da zum Arbeitslohn Gehälter, Löhne und Ruhegehälter zu rechnen seien. Das übergangsgehalt sei eine Einnahme, die dem Bf. auf Grund eines früheren Dienstverhältnisses zugeflossen sei. Dieses könne nicht als übergangsgeld oder übergangsbeihilfe gemäß § 3 Ziff. 9 EStG betrachtet werden, da beim Bf. eine Entlassung aus dem öffentlichen Dienst im Sinne der genannten Vorschrift nicht vorliege. Ebensowenig komme aber insoweit Steuerfreiheit gemäß § 3 Zff. 10 EStG in Betracht, da das übergangsgehalt den Bezügen, die aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit gewährt werden, nicht gleichzustellen sei.

Mit der Rechtsbeschwerde macht der Bf. unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens insbesondere geltend:

Die Unterstellung des Finanzgerichts, daß die Zahlung der französischen Dienststelle lediglich im Hinblick auf die nicht fristgemäße Kündigung erfolgt sei, beruhe auf mangelnder Sachaufklärung. Die Vorinstanz hätte die Arbeitgeberin zu dem vom Bf. behaupteten Sachverhalt hören müssen. Diese Unterlassung und der infolgedessen unvollständige Tatbestand hätten eine möglicherweise unrichtige rechtliche Würdigung zur Folge gehabt, die die Aufhebung der Vorentscheidung bedinge.

Das übergangsgehalt sei derart gering, daß schon um dessentwillen hierfür Steuerfreiheit nach § 3 Ziff. 9 oder Ziff. 10 EStG zu bejahen sei. 75 % der Bezüge würden nicht einmal den Fürsorge-Richtsatz übersteigen. Im übrigen liege bei ihm eine Entlassung aus dem öffentlichen Dienst im Sinne des § 3 Ziff. 9 EStG vor. Er sei mit Wirkung vom 31. Juli 1946 als Angestellter vom Magistrat der Stadt Berlin entlassen worden. In Berlin habe es vom 9. Mai 1945 an Beamte nicht mehr gegeben. Diese Entlassung habe sich bei ihm im strittigen Veranlagungszeitraum noch ausgewirkt, da er trotz seines Alters von 67 Jahren bisher nur einen Abschlag auf das übergangsgehalt in Höhe von 220 DM monatlich bezogen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Entschädigungen wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis sind nach § 3 Ziff. 8 EStG 1951 steuerfrei, wenn sie auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften gezahlt werden. Während in den früheren EStGen (siehe § 3 Ziff. 7 EStG 1934, § 3 Ziff. 8 EStG 1938, § 3 Ziff. 9 EStG 1939) die in Betracht kommenden arbeitsrechtlichen Vorschriften in der steuerlichen Befreiungsvorschrift unmittelbar aufgeführt waren (ß 87 des Betriebsrätegesetzes, Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit), wird in der hier in Betracht kommenden Vorschrift nur allgemein von arbeitsrechtlichen Vorschriften gesprochen. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß alle Entschädigungen, die irgendwie ihre Grundlage in einem Arbeitsverhältnis haben, als steuerfrei zu behandeln sind. Es ist vielmehr in übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 205/51 U vom 17. Juli 1952, Slg. Bd. 56 S. 560, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 III S. 217) stets Voraussetzung, daß es sich um Entschädigungen handeln muß, die ihre Grundlage in dem sozialen Kündigungsschutz haben. Eine auf dem sozialen Kündigungsschutz beruhende Entschädigung setzt aber voraus, daß der Arbeitnehmer auf seinen an sich bestehenden Anspruch auf Weiterbeschäftigung über die Zeit der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfrist hinaus verzichtet oder zu verzichten gezwungen ist und die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Hieraus ergibt sich, daß eine steuerfreie Entschädigung wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis im Sinne der genannten Vorschrift nur dann vorliegt, wenn die Abfindung nicht den Zeitraum von einer nicht fristgemäßen Entlassung bis zum Ende der nicht gewahrten Kündigungsfrist betrifft (vgl. auch Hartz-Over, Lohnsteuer-ABC, Stichwort "Abfindungen" und "Entschädigung wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis"). Für diese Zahlungen gilt nicht die Steuerfreiheit des § 3 Ziff. 8 EStG, sie sind vielmehr als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen. Entsprechend diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hat das Finanzgericht im vorliegenden Fall auf Grund des festgestellten Sachverhalts zutreffend ausgeführt, daß es sich bei der von der französischen Dienststelle geleisteten Zahlung nicht um eine Entschädigung auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis handelt, sondern daß diese Zahlung mit Rücksicht auf die vorzeitige Kündigung des Dienstverhältnisses geleistet wurde, und daß sie vertraglich geschuldetes Gehalt darstellt. Die Kündigung des Bf. erfolgte durch die Arbeitgeberin am 24. November 1950 zum 31. Dezember 1950. Nach den das Dienstverhältnis des Bf. regelnden Bestimmungen der Instruction Nr. 1831 war eine Kündigung des Bf. nur mit zweimonatlicher Frist zulässig. Die Kündigung des Bf. hätte demnach frühestens zum 24. Januar 1951 erfolgen können. Die Arbeitgeberin war daher gehalten, die sich aus dem Dienstvertrag ergebenden Verpflichtungen, insbesondere die auf Zahlung des Gehalts bis zu diesem Zeitpunkt zu erfüllen. Bei dieser Rechtslage ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht ohne Anhörung der Arbeitgeberin des Bf. angenommen hat, daß es sich bei der Zahlung der 400 DM nicht um eine Abfindung, sondern um das laufende Gehalt des Bf. für die Zeit vom 1. Januar bis 24. Januar 1950 gehandelt hat. Das Finanzgericht hat insoweit im Rahmen des ihm zustehenden Rechts der freien Tatsachen- und Beweiswürdigung gehandelt, an die der Bundesfinanzhof bei der beschränkten Rechtsnatur der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 288, 296 der Reichsabgabenordnung (AO) gebunden ist. Das gleiche gilt für die Feststellung des Finanzgerichts, daß das Arbeitsverhältnis auch nicht im Einvernehmen beider Vertragsteile mit dem 31. Dezember 1950 vorzeitig beendet worden ist. Diese Feststellung ist schon um dessentwillen nicht zu beanstanden, weil der Bf. nach seinen eigenen Darlegungen sein Einverständnis zu einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses nicht erteilt hat. Demgegenüber kann der Bf. nicht mit dem Einwand durchdringen, daß der gezahlte Betrag von 400 DM nicht das ihm vertraglich zustehende Gehalt, sondern nur ein Teil desselben sei und daß er deshalb nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn, sondern als Entschädigung im Sinne des § 3 Ziff. 8 EStG anzusehen sei. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts stand es im Belieben des Bf., die ihm vertraglich zustehenden Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Das Finanzgericht hat daher zu Recht den streitigen Betrag von 400 DM als steuerpflichtiger Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ziff. 4 EStG behandelt.

Mit Recht haben die Vorbehörden die Steuerfreiheit auch für das übergangsgehalt versagt.

Gemäß § 3 Ziff. 9 EStG 1951 sind nur die Einnahmen steuerfrei, die als übergangsgelder oder übergangsbeihilfen auf Grund gesetzlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis gezahlt werden. Ihrem Wesen nach sind diese übergangsgelder und übergangsbeihilfen den Entschädigungen auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis im Sinne des § 3 Ziff. 8 EStG gleichzusetzen. Die Vorschrift des § 3 Ziff. 9 EStG stellt daher für die öffentlichen Bediensteten die notwendige Ergänzung zu Ziff. 8 für die auf Grund gesetzlicher Vorschriften gezahlten Entlassungsentschädigungen dar (vgl. Begründung zum Einkommen- und Körperschaftsteuer-änderungsgesetz vom 29. April 1950, Peters-Herrmann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Anm. 11 zu § 3 EStG). Hieraus ergibt sich, daß nur die übergangsgelder und übergangsbeihilfen die Steuerfreiheit genießen sollen, die ihrer Art nach den Entschädigungen auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis entsprechen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Abfindungen nach § 3 Ziff. 9 EStG der Höhe und insbesondere der Zeit nach eine ähnliche Begrenzung aufweisen, wie diese den Entschädigungen auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis zu eigen ist. Nach den arbeitsrechtlichen Bestimmungen steht dem Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen bei sozial ungerechtfertigter Kündigung für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Entschädigung zu, die den Charakter einer Unterstützung für die Zeit des übergangs nach der Entlassung aus dem Dienstverhältnis hat. Diese Entscheidung kann z. B. gemäß § 8 des Kündigungsschutzgesetzes vom 10. August 1951 bis zum zwölffachen des jeweils maßgeblichen Monatsverdienstes gewährt werden. übergangsgelder und übergangsbeihilfen sind daher nur dann gemäß § 3 Ziff. 9 EStG steuerfrei, wenn sie der Höhe und der Dauer nach eine ähnliche Begrenzung aufweisen. Ein Beispiel dafür ist das übergangsgeld gemäß § 154 des Bundesbeamtengesetzes, für das die Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 9 EStG zu gewähren ist (vgl. auch Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7. Aufl. Anm. 8 zu § 3 EStG). Nach dieser Vorschrift erhält ein Beamter mit Dienstbezügen, der nicht auf eigenen Antrag entlassen wird, ein übergangsgeld, das je nach der Dauer der Beschäftigung höchstens das sechsfache der Dienstbezüge des letzten Monats beträgt. Ebenso enthält die gleichfalls steuerfreie übergangsbeihilfe nach dem Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes vom 6. August 1953 (Bundesgesetzblatt 1953 I S. 899) eine ähnliche Begrenzung. Gemäß § 10 dieses Gesetzes wird diese Beihilfe höchstens in Höhe des 20fachen der Dienstbezüge des letzten Monats gezahlt. Nur für derart gestaltete übergangsgelder und - beihilfen soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 9 EStG eintreten, nicht aber für Bezüge, die laufend ohne zeitliche Begrenzung gezahlt werden. Diese sind vielmehr als steuerpflichtiger Arbeitslohn gemäß §§ 19 und 2 Abs. 3 Ziff. 4 EStG der Einkommensteuer zu unterwerfen. Dementsprechend hat das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum das übergangsgehalt des Bf. als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen. Das übergangsgehalt steht dem Bf. als Beamten der früheren Reichsfinanzverwaltung gemäß § 37 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisses der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 1. September 1953 (Bundesgesetzblatt I S. 1288) zu. Nach der genannten Vorschrift erhalten Beamte z. Wv., die eine Dienstzeit von mindestens 10 Jahren abgeleistet haben (ß 6 des Bundesbeamtengesetzes), bis zum Eintritt in den Ruhestand ein übergangsgehalt. Hieraus ergibt sich, daß es sich bei dem übergangsgehalt nicht um ein der Höhe und Dauer nach begrenztes übergangsgeld oder eine Beihilfe im Sinne des § 3 Ziff. 9 EStG, sondern um laufende Bezüge handelt, die beim Eintritt in den Ruhestand durch die Zahlung eines Ruhegehalts ersetzt werden. Damit stellt sich aber das übergangsgehalt mangels zeitlicher Begrenzung als steuerpflichtiger Arbeitslohn dar, der dem Bf. im Hinblick auf sein früheres Dienstverhältnis zufließt. Für die Annahme steuerpflichtigen Arbeitslohns ist nur der im Streitfall gegebene tatsächliche Zusammenhang mit dem ehemaligen Dienstverhältnis wesentlich, während es hierbei auf den rechtlichen Zusammenhang der Zahlung des übergangsgehalts mit dem früheren Dienstverhältnis nicht ankommt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 171/50 S vom 23. Februar 1951, Slg. Bd. 55 S. 212. BStBl III S. 80). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Bf. wie er behauptet, aus seinem Dienstverhältnis als Beamter der früheren Reichsfinanzverwaltung entlassen worden ist. Ebensowenig kann aus der Höhe des übergangsgehalts auf Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 10 EStG geschlossen werden. Nach dieser Vorschrift sind nur die Bezüge steuerfrei, die aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt werden. Das Finanzgericht hat auch insofern mit Recht die Einkommensteuerfreiheit des übergangsgehalts versagt, weil laufende Zahlungen zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts keine Unterstützungen aus öffentlichen Kassen in Notfällen, z. B. in Krankheits- oder Unglücksfällen, darstellen (vgl. oben angeführtes Urteil des Bundesfinanzhofs IV 171/50 S vom 23. Februar 1951).

Die Vorbehörden haben daher mit Recht auch das übergangsgehalt des Bf. in vollem Umfang zur Einkommensteuer herangezogen.

Nach alledem war die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408239

BStBl III 1955, 296

BFHE 1956, 256

BFHE 61, 256

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