Leitsatz (amtlich)

Die mit der Steuerassistentenprüfung abgeschlossene Ausbildung als Steueranwärter ist der in § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG n. F. (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F.) vorgesehenen, mit der Ablegung der Gehilfenprüfung abgeschlossenen Lehrzeit im steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf auch dann nicht gleichzusetzen, wenn ihr eine Tätigkeit als Jungangestellter bei der Finanzverwaltung vorausgegangen ist.

 

Normenkette

StBerG n.F. § 118a Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloß im März 1964 die zweijährige Handelsschule mit der bestandenen Abschlußprüfung ab. Am 1. April 1964 trat er als Verwaltungsangestellter beim FA ein. Er war zunächst bis zum 30. September 1964 Mitarbeiter in der Geschäftsstelle, sodann vom 1. Oktober 1964 bis zum 14. Januar 1967 Mitarbeiter im Veranlagungsdienst. Vom 15. Januar 1967 bis zum 14. Juli 1968 wurde er im Vorbereitungsdienst für die mittlere Laufbahn in der Steuerverwaltung ausgebildet. Am 4. Juli 1968 bestand er die Assistentenprüfung. Vom 15. Juli 1968 bis zum 30. September 1968 war er als Steuerassistent z. A. erster Mitarbeiter im Veranlagungsdienst. Vom 1. Oktober 1968 bis zum 31. März 1970 leistete er den Grundwehrdienst ab. Vom 1. April 1970 bis zum 30. Juni 1970 war er Buchhalter in der Finanzkasse, vom 1. Juli 1970 bis zum 31. Oktober 1970 - nunmehr als Steuersekretär - wiederum erster Mitarbeiter im Veranlagungsdienst. Er wechselte sodann in den Dienst der Stadtverwaltung über und war vom 1. November 1970 bis 31. Dezember 1970 nach den Feststellungen im finanzgerichtlichen Urteil bei den Stadtwerken, nach seinem Vortrag im Revisionsverfahren in der Stadtkasse (Sachgebiet Gewerbesteuer) Buchhalter. Vom 1. Januar 1971 an ist er Angestellter in einer Steuerberatungspraxis.

Anfang März 1973 beantragte der Kläger die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung. Der Zulassungsausschuß der Beklagten und Revisionsbeklagten (OFD) lehnte den Antrag ab, weil der Kläger keine Gehilfenprüfung im steuerberatenden oder kaufmännischen Beruf abgelegt habe. Den mit der Steuerassistentenprüfung abgeschlossenen Vorbereitungsdienst hielt der Zulassungsausschuß unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 13. Februar 1973 VII R 23/71 (BFHE 108, 561, BStBl II 1973, 425) nicht für offensichtlich gleichwertig mit der nach § 118 a Abs. 2 Nr. 2 des StBerG für die Zulassung zur Prüfung erforderlichen Vorbildung. Daran ändere - so meint der Ausschuß - auch nichts, daß der Kläger vor seinem Vorbereitungsdienst als Angestellter beim FA tätig gewesen sei.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus, in § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG seien ganz bestimmte Vorbildungsvoraussetzungen genannt. Das bedeute nicht, daß etwa kein anderer Berufsweg die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen könne. Ein anderer beruflicher Werdegang könne dem gesetzlich vorgeschriebenen aber nur gleichgestellt werden, wenn er in seiner typischen Gestalt die Kernelemente des gesetzlichen Tatbestands enthalte. Das sei bei dem Berufsweg des Klägers nicht der Fall. Die Tätigkeit des Klägers als Angestellter sei typischerweise gerade kein Ausbildungsverhältnis gewesen. Dem Angestellten werde ein bestimmter Aufgabenkreis zugewiesen. Für seine Arbeit werde er nach den Tarifvorschriften bezahlt, die diesen Aufgabenkreis recht genau beschrieben. Korrekt abgewickelt lasse ein solches Arbeitsverhältnis eine Ausbildung nicht einmal zu. Der Angestellte werde angelernt, aber nicht ausgebildet. Welche steuerlichen Kenntnisse der Kläger sich dabei angeeignet habe, sei für den Typenvergleich unerheblich. Die achtmonatige Ausbildung zum Steuerassistenten sei der dreijährigen Lehre oder dem zweijährigen Akademiebesuch nicht gleichwertig, weil diese Ausbildung wesentlich kürzer sei als der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Berufsweg. Von einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG), den der Kläger in der Entscheidung des Zulassungsausschusses erblicke, könne keine Rede sein.

In seiner Revision führt der Kläger aus, er habe als Jungangestellter im Interesse eines einwandfreien und korrekten Arbeitsablaufs an seine Aufgaben systematisch herangeführt werden müssen. Mache ein Angestellter auf seinem Arbeitsgebiet Fortschritte, finde dies, wie beispielsweise bei ihm geschehen, in einer Höhergruppierung seinen Niederschlag. Daraus ergebe sich, daß das Aufgabengebiet eines Angestellten nicht, wie das FG annehme, starr bleibe, sondern je nach dem Stand der Fortbildung erweitert werden könne. Die der Steueranwärterausbildung vorangegangene Zeit als Angestellter im Veranlagungsbezirk sei ihm zugute gekommen. Aus diesem Grunde könne eine solche Angestelltenzeit nicht außer acht gelassen werden. Es könne wohl nicht geleugnet werden, daß die 18monatige (nicht, wie das FG angenommen habe, achtmonatige) Ausbildung zum Steuerassistenten eine planmäßige Berufsausbildung sei. Der Vergleich dieser Ausbildung mit einer dreijährigen Lehre hinke. Bei Nachweis der mittleren Reife bestehe die Möglichkeit, schon nach einer Lehrzeit von zwei Jahren die Gehilfenprüfung abzulegen. Es stelle sich daher die Frage, welche Zeitabweichung bei einem Maßstab von zwei Jahren als wesentlich zu erachten sei. In seinem Fall sei jedenfalls zu berücksichtigen, daß seiner Ausbildung eine unmittelbar mit dieser zusammenhängende Angestelltenzeit vorausgegangen sei. Allgemeine Voraussetzung für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst für die mittlere Beamtenlaufbahn sei das Zeugnis der mittleren Reife. Besitze ein Bewerber dieses nicht, genüge ersatzweise der Kaufmannsgehilfenbrief. Es sei unbefriedigend, daß einerseits eine abgeschlossene kaufmännische Lehre sowohl für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung als auch ersatzweise für die Übernahme als Steueranwärter genüge, andererseits jedoch für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung die Steuerassistentenausbildung den Erfordernissen einer Kaufmannsgehilfenprüfung nicht gleichgestellt werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Entscheidung des Zulassungsausschusses die OFD zu verpflichten, den Kläger zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zuzulassen.

Die OFD beantragt die Zurückweisung der Revision.

Sie bringt vor, der in der BFH-Entscheidung VII R 23/71 abgehandelte Sachverhalt unterscheide sich von dem vorliegenden Streitfall insofern, als der Kläger vor seiner Ausbildungszeit als Steueranwärter eine sog. Jungangestelltenzeit bei dem FA aufweisen könne, während in dem entschiedenen Falle der Ausbildung keine Angestelltenzeit vorausgegangen sei. Der mitunter vertretenen Auffassung, der Vorbereitungsdienst eines Steueranwärters sei der dreijährigen Lehrzeit eines Gehilfen im steuerberatenden Beruf gleichzusetzen, wenn ihm eine Jungangestelltenzeit vorausgehe, könne nicht gefolgt werden. Wie auch das FG ausführe, sei die Tätigkeit des Klägers als Angestellter typischerweise keine solche in einem Ausbildungsverhältnis; denn es mache einen bedeutenden Unterschied, ob jemand gezwungen sei, sich systematisch Kenntnisse auf den verschiedenen Gebieten des Steuerrechts anzueignen, oder ob er während der täglichen Arbeit mehr oder weniger zufällig Erfahrungen sammle. Die vom BFH gegen die Gleichstellung der Ausbildung des Steueranwärters mit der Gehilfenprüfung im steuerberatenden Beruf angeführten grundsätzlichen Erwägungen träfen auch für den Streitfall zu.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Auf Grund des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (2. StBerÄndG) vom 11. August 1972 (BGBl I 1972, 1401, BStBl I 1972, 432) sind die Vorschriften über die Vorbildung für die Prüfung als Steuerbevollmächtigter nunmehr in dem neu eingefügten § 118 a StBerG n. F. enthalten. Die in Abs. 2 Nr. 1 bis 3 dieser Vorschrift genannten Vorbildungsvoraussetzungen stimmen aber mit den in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StBerG a. F. aufgeführten wörtlich überein, so daß die zur Auslegung dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung weiterhin von Bedeutung bleibt.

Mit der Frage, ob eine mit der Steuerassistentenprüfung abgeschlossene 1 1/2jährige Ausbildung (das FG geht offenbar irrigerweise nur von einer achtmonatigen Ausbildung aus) als Steueranwärter einer der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. (jetzt § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG n. F.) aufgeführten, mit der Ablegung der Gehilfenprüfung abgeschlossenen Lehrzeiten gleichzusetzen ist, hat sich der erkennende Senat in dem auch dem Kläger bekannten Urteil VII R 23/71 auseinandergesetzt. Der Senat hat damals aus grundsätzlichen Erwägungen eine Gleichsetzung der Ausbildung des Steueranwärters mit einer abgeschlossenen Lehre im steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf deshalb abgelehnt, weil die nur 18 Monate dauernde Ausbildung des Steueranwärters in erster Linie den Belangen der Finanzverwaltung und nicht etwa einer späteren steuerberatenden Tätigkeit Rechnung trägt. Der Senat hat darauf hingewiesen, daß das Gesetz gerade die Belange des Berufs des Steuerbevollmächtigten in Betracht zieht und deshalb aus berechtigtem Grund einen Ersatz dieser genannten, mit einer Gehilfenprüfung abzuschließenden Lehrzeiten durch eine andere praktische Ausbildung nicht vorsieht. Gleichgestellt ist vom Gesetz nur der vier Semester dauernde Besuch einer als geeignet anerkannten Verwaltungsakademie oder einer gleichwertigen Lehranstalt.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich zwar von dem mit dem Urteil VII R 23/71 entschiedenen insofern, als der Kläger vor Eintritt in den Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst mehrere Jahre als Jungangestellter in der Finanzverwaltung - hiervon die überwiegende Zeit als Mitarbeiter im Veranlagungsdienst - tätig war. Der erkennende Senat ist aber mit dem FG und der OFD der Auffassung, daß eine derartige Jungangestelltentätigkeit typischerweise kein Ausbildungsverhältnis, vergleichbar etwa einem Lehrverhältnis im steuerberatenden Beruf, begründet. Der Jungangestellte wird in die ihm unmittelbar übertragenen Aufgaben und Tätigkeiten, die vielfach rein mechanischer Art sind, lediglich eingewiesen und angelernt. Es fehlt ihm die systematische Unterrichtung auf dem Gebiet des Steuerrechts, und es bleibt seiner Initiative überlassen, welche Erfahrungen und Kenntnisse er sich auf diesem Gebiet aneignet. Der erkennende Senat kann sich daher nicht der von Killich (Neue Wirtschaftsbriefe, Fach 30 S. 293, 295) vertretenen Auffassung anschließen, die Ausbildungszeit (Vorbereitungsdienst) eines Steueranwärters sei einer dreijährigen Lehrzeit im steuerberatenden Beruf dann gleichzusetzen, wenn ihr, was die Regel sei, eine Jungangestelltenzeit vorausgehe.

Die Erwägungen, die den Senat in der Entscheidung VII R 23/71 veranlaßt haben, die Steueranwärterausbildung nicht mit einer der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. (§ 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG n. F.) genannten Lehrzeiten gleichzusetzen, greifen daher auch im vorliegenden Fall Platz. Es muß bedacht werden, daß das Begehren des Klägers ohnehin nur Erfolg haben könnte, wenn das Gesetz über seinen Wortlaut hinaus ausdehnend interpretiert würde. Bei der Auslegung, die der Kläger dem Gesetz geben will, würde dem Gesetz aber ein anderer Inhalt beigelegt, als ihm zukommt. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (Entscheidungen des BVerfG vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299 [312]; vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59 u. a. , BVerfGE 11, 126 [130 ff.]; vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 [268]; BFH-Urteile vom 21. Oktober 1969 II 210/65, BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736, und vom 1. Februar 1973 I R 87/71, BFHE 108, 366, BStBl II 1973, 410). Die Auslegung kann über den möglichen Wortsinn des Gesetzes unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs, in den die Vorschrift gestellt ist, nicht hinausgehen. Im Rahmen dieser Auslegungsgrundsätze hat sich die Rechtsprechung des Senats gehalten, wenn sie die mit der Steuerinspektorenprüfung erfolgreich abgeschlossene dreijährige Ausbildung der Finanzanwärter und die erfolgreich abgelegte Bilanzbuchhalterprüfung der mit der Gehilfenprüfung abgeschlossenen Lehrzeit im steuerberatenden Beruf oder der abgelegten Kaufmannsgehilfenprüfung gleichsetzte (BFH-Urteile vom 8. März 1966 VII 141/65, BFHE 85, 61, BStBl III 1966, 234, und vom 9. Mai 1967 VII 170/65, BFHE 88, 481, BStBl III 1967, 437). Der Senat kam in diesen Entscheidungen zu dem Ergebnis, daß die mit der Steuerinspektorenprüfung abgeschlossene Ausbildung des Finanzanwärters und die Bilanzbuchhalterprüfung einer abgeschlossenen Lehre im steuerberatenden bzw. im kaufmännischen Beruf "mehr als gleichwertig" sind. Die äußerste Grenze, bis zu welcher die Rechtsprechung bei der Auslegung der hier maßgeblichen Vorschrift des § 118 a Abs. 2 Nr. 2 StBerG n. F., wie bisher schon bei der Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. gehen kann, ist dahin zu bestimmen, daß andere Ausbildungswege nur dann als fachliche Vorbildungsvoraussetzung für den Beruf des Steuerbevollmächtigten angesehen werden können, wenn sie einem der im Gesetz genannten offensichtlich gleichwertig sind. Andere nicht im Gesetz genannnte Ausbildungswege, auch solche innerhalb der Finanzverwaltung, von denen nicht auf den ersten Blick unbedenklich gesagt werden kann, daß sie den gesetzlich vorgesehenen Ausbildungswegen offensichtlich gleichwertig sind, können daher nicht im Wege der erweiternden Auslegung als fachliche Vorbildungsvoraussetzung für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung angesehen werden. Die verhältnismäßig kurze Ausbildung des Steueranwärters (Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst) vermittelt nicht die umfassenden Kenntnisse, wie sie der Finanzanwärter in seinem dreijährigen Vorbereitungsdienst für die gehobene Laufbahn erwirbt. Es ist somit nicht offenkundig, daß die abgeschlossene Ausbildung des Steueranwärters der sich zum Vergleich anbietenden und im Gesetz ausdrücklich genannten Lehre im steuerberatenden Beruf gleichwertig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71285

BStBl II 1975, 315

BFHE 1975, 393

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