Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ernsthaft vereinbarte und durchgeführte Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern in der Landwirtschaft sind auch bei der Einkommensbesteuerung der Beteiligten zu beachten.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1, § 13; AO § 215 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für einen landwirtschaftlichen Betrieb eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) zwischen Eltern und Kindern anzuerkennen ist. Der Vater, ein Diplom-Landwirt, hatte den Betrieb zunächst allein. Der Betrieb, der buchführungspflichtig ist und dessen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt wird, umfaßt rund 30 ha eigene und 10 ha zugepachtete Fläche, ohne nennenswerte Sonderkulturen; in normalem Rahmen wird Saatgut vermehrt. Der Vater war im Streitjahr 1955 55 Jahre alt; er will sich nach seiner Angabe wegen seines Gesundheitszustands vom Betrieb zurückziehen und sich verstärkt berufsständischen Aufgaben widmen. Er hat drei Söhne und eine Tochter, die alle in der Landwirtschaft ausgebildet sind. Der 26jährige Sohn A. und der 21jährige Sohn B. haben während des ganzen Jahres 1955 im Betrieb gearbeitet; der Sohn C. nur bis zum 1. Mai; dann ist er ausgewandert; die minderjährige Tochter hat bis zum 1. April mitgearbeitet. Der Sohn C. und die Tochter sind, wie die Beteiligten vortragen, zur Fortbildung in der Landwirtschaft aus dem Haus gegangen. Der Vater schenkte Anfang 1955 seinen Kindern je ein Sechstel "des gesamten lebenden und toten Inventars seines landwirtschaftlichen Betriebs einschließlich Vorräten, Bargeld und Forderungen abzüglich Schulden". Am 6. Januar 1955 wurde zwischen den Eltern und den Kindern zur gemeinsamen Führung des landwirtschaftlichen Betriebs eine GdbR begründet. Der schriftliche Vertrag wurde, nachdem das Finanzamt die steuerliche Anerkennung der Gesellschaft abgelehnt hatte, am 20. November 1956 in einigen Punkten geändert und ergänzt. Das Finanzamt erkannte die GdbR zwischen Eltern und Kindern auch dann nicht an und lehnte die beantragte einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ab. Es hat, weil es sich um einen kleineren bäuerlichen Betrieb handle, den Vater als Alleinunternehmer behandelt und ihm den Gewinn des Betriebs voll zugerechnet.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und stellte, wie beantragt, den Gewinn für die GdbR gemäß § 215 der Reichsabgabenordnung (AO) einheitlich und gesondert fest und rechnete ihn nach einem bestimmten Schlüssel den Gesellschaftern zu. Es begründete seine Entscheidung wie folgt: Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern seien auch in der Landwirtschaft möglich (Urteil des Bundesfinanzhofs I 26/55 U vom 29. Mai 1956, BStBl 1956 III S. 246, Slg. Bd. 63 S. 126), zumal nunmehr auch Arbeitsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern in der Landwirtschaft anerkannt würden (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 520/53 U vom 17. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 102, Slg. Bd. 60 S. 262). Bei kleineren bäuerlichen Betrieben, die nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft besteuert würden, sei die Gewinnverteilung allerdings schwer durchzuführen; bei ihnen herrsche auch noch eher die patriarchalische Auffassung, die Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern nicht kenne. Im Streitfall handle es sich aber um einen größeren Betrieb. Es müsse möglich sein, bei nicht ausgesprochen kleinen bäuerlichen Betrieben mit den Kindern, die im Betrieb mitarbeiten, Gesellschaftsverhältnisse zu vereinbaren. Das Gesellschaftsverhältnis mit den Kindern sei im Streitfall ernsthaft begründet worden. Dem stehe nicht entgegen, daß den Kindern bei Gründung der Gesellschaft nicht Miteigentum an Grund und Boden übertragen worden sei; der Grund und Boden sei notwendiges Betriebsvermögen der Gesellschaft. Von der Aufteilung des Bodens sei wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten und Kosten abgesehen worden. Entscheidend sei, daß die Kinder an den stillen Reserven, die nach Begründung der Gesellschaft im Betrieb entstünden, beteiligt seien. Das Gesellschaftsverhältnis sei auch ernsthaft durchgeführt worden. Die erwachsenen Söhne seien an etwaigen Verlusten beteiligt, wenngleich Verluste in erster Linie zu Lasten des Vaters gingen, dessen Gesellschafterstellung infolgedessen auch stärker sei. Die Vertragsgestaltung sei wirtschaftlich vernünftig und entspreche den Verhältnissen. Unwesentlich sei, daß die Gesellschaft nicht nach außen hervorgetreten sei. Dagegen sei die Ehefrau nicht Gesellschafterin; sie habe zwar den Gesellschaftsvertrag mitunterzeichnet; es fehle aber an einem klaren Gesellschaftsverhältnis; die zwei Sechstel für die "Eheleute" stünden deshalb allein dem Ehemann zu. Das eine Sechstel für die minderjährige Tochter sei nach § 27 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ebenfalls dem Vater zuzurechnen. Bezüglich der Verteilung des Gewinns von 4.284 DM für das streitige Halbjahr könne den Vereinbarungen der Beteiligten gefolgt werden. Danach betrage der Gewinnanteil des Vaters (einschließlich des Anteils der Ehefrau und der minderjährigen Tochter) 1.767 DM; der des Sohnes A. 1.589 DM; der des Sohnes B. 839 DM und der des Sohnes C. 89 DM.

Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich der Vorsteher des Finanzamts gegen die Anerkennung des Gesellschaftsverhältnisses.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Zutreffend nimmt das Finanzgericht an, daß auch in der Landwirtschaft ernsthaft vereinbarte und durchgeführte Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern steuerlich anzuerkennen sind. Nachdem die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in der Entscheidung IV 520/53 U a. a. O. abweichend von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs wegen der Entwicklung der Verhältnisse Arbeitsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern auch in landwirtschaftlichen Betrieben als steuerlich beachtlich anerkannt hat, spricht alles dafür, auch Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern steuerlich zu beachten, zumal durch die Vereinbarung von Arbeits- und Gesellschaftsverhältnissen im wesentlichen derselbe wirtschaftliche und steuerliche Erfolg erreicht werden kann. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 246/50 S vom 22. August 1951 (BStBl 1951 III S. 181, Slg. Bd. 55 S. 449) sind für die gewerbliche Wirtschaft Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern auch steuerlich maßgebend, sofern sie ernsthaft vereinbart und durchgeführt sind. Die Entwicklung der Verhältnisse in der Landwirtschaft, auf die besonders in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 520/53 U a. a. O. hingewiesen ist, läßt keine andere Beurteilung mehr zu. Soweit in der Entscheidung des Senats I 133/52 U vom 25. November 1952 (BStBl 1953 III S. 13, Slg. Bd. 57 S. 34) in dieser Hinsicht noch Vorbehalte gemacht sind, hält der Senat daran nicht mehr fest. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betont zunehmend klarer, daß ernsthafte bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnisse die Grundlage für die Einkommensbesteuerung zu bilden haben (Urteil des Senats I 44/57 U vom 13. Januar 1959, BStBl 1959 III S. 197, mit übersicht über die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Es besteht kein Anlaß, nur für Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern in der Landwirtschaft davon eine Ausnahme zu machen. Das kann vor allem nicht mit der Behauptung geschehen, daß nach den in der Landwirtschaft herrschenden patriarchalischen Vorstellungen Gesellschaftsverhältnisse bei kleineren bäuerlichen Betrieben nicht vorkämen und darum auch steuerlich nicht berücksichtigt werden könnten. Eine verallgemeinernde (typische) Betrachtung dieser Art ist bereits in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 520/53 U a. a. O. abgelehnt worden; sie ist mit den einkommensteuerlichen Auslegungsgrundsätzen nicht zu vereinbaren (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 158/56 U vom 6. Juni 1957, BStBl 1957 III S. 286, Slg. Bd. 65 S. 136; I 231/56 S vom 3. Dezember 1957 - unter III 4 -, BStBl 1958 III S. 27, Slg. Bd. 66 S. 66).

Es ist auch nicht, wie das Finanzamt meint, gerechtfertigt, zwischen kleinen und größeren bäuerlichen Betrieben zu unterscheiden und für die erstgenannte Gruppe Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern einkommensteuerrechtlich grundsätzlich außer Betracht zu lassen. Abgesehen davon, daß eine solche Unterscheidung, wie der Streitfall zeigt, nur zu unliebsamen Auseinandersetzungen darüber führen würde, ob der Betrieb zu den kleinen oder größeren bäuerlichen Betrieben gehört, so kann überhaupt grundsätzlich der Maßstab für die steuerliche Anerkennung von Gesellschaftsverhältnissen nur darin gefunden werden, ob bürgerlich-rechtlich ein Gesellschaftsverhältnis ernsthaft begründet und durchgeführt worden ist. An die Ernsthaftigkeit müssen allerdings strenge Anforderungen gestellt werden, weil bei dem nahen Verwandtschaftsverhältnis und den meist gleichlaufenden Interessen von Eltern und Kindern gegenüber dem Steuergläubiger die Gefahr des Mißbrauchs besonders naheliegt. Es obliegt darum den Steuerpflichtigen, die die Vereinbarung und Durchführung eines Gesellschaftsverhältnisses zwischen sich und ihren Kindern behaupten, dafür entsprechende Tatsachen darzutun. Fehlende Klarheit geht zu ihren Lasten, da sie es in der Hand haben, klare Verhältnisse zu schaffen. Ein brauchbarer Maßstab für die Ernsthaftigkeit der Vereinbarung kann gewöhnlich sein, ob für die Regelung wirtschaftlich vernünftige Gründe sprechen und ob ein solcher Vertrag in etwa auch zwischen Fremden hätte getroffen werden können. Die Ernsthaftigkeit setzt weiter voraus, daß alle Folgerungen aus dem Gesellschaftsverhältnis gezogen werden, insbesondere z. B. auch alle Gesellschafter am landwirtschaftlichen Betriebsvermögen beteiligt sind und es ihnen auch bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens entsprechend zugerechnet wird. Denn nur wenn mit der Vermögensteilung ernst gemacht worden ist, kann auch ein ernstes Gesellschaftsverhältnis mit Verteilung der Einkünfte an Eltern und Kinder angenommen werden.

Zu prüfen ist in jedem Fall auch, wie insbesondere in der Entscheidung IV 246/50 S a. a. O. ausgeführt ist, ob der Gewinn nach wirtschaftlich vernünftigen Grundsätzen zwischen Eltern und Kindern verteilt wird. Wird der Gewinn nicht so verteilt, wie es unter ähnlichen Verhältnissen im Wirtschaftsleben auch unter Fremden wahrscheinlich geschehen würde, das heißt unter angemessener Berücksichtigung des Kapital- und Arbeitseinsatzes jedes Gesellschafters, so ist, wenn im übrigen ein Gesellschaftsverhältnis ernsthaft begründet ist, die Gewinnverteilung für steuerliche Zwecke so vorzunehmen, wie sie unter Fremden wahrscheinlich sein würde.

Der Vorsteher des Finanzamts macht geltend, die Grundsätze der Entscheidung des Senats I 26/55 U a. a. O. seien nur für größere landwirtschaftliche Betriebe ausgesprochen worden. Die Größe des landwirtschaftlichen Betriebs als solche kann, wie bereits gesagt, für die Frage der Anerkennung von Gesellschaftsverhältnissen im Prinzip keine Rolle spielen. Allerdings sind, weil bei kleineren bäuerlichen Betrieben Gesellschaftsverhältnisse kaum vorkommen und für ihre Begründung wohl nur selten vernünftige wirtschaftliche Gründe sprechen, an die Prüfung der Ernsthaftigkeit von Gesellschaftsverträgen noch größere Anforderungen als sonst zu stellen.

Der Senat hat in der Entscheidung I 26/55 U a. a. O. offengelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern bei landwirtschaftlichen Betrieben, die nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft besteuert werden, beachtlich sind. Weil der Vorsteher des Finanzamts auf diesen Gesichtspunkt besonderen Wert legt, sei bemerkt, daß die besondere Form der Gewinnermittlung ebenfalls nicht dazu führen kann, Gesellschaftsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern schlechthin nicht zu beachten. Für solche Fälle sind aber, wie bei allen kleinen bäuerlichen Betrieben, erhöhte Anforderungen an die Ernsthaftigkeit der Vereinbarung zu stellen. Vor allem muß im Einheitswertbescheid, der die Grundlage der Gewinnberechnung ist, das landwirtschaftliche Vermögen den Gesellschaftern der Familiengesellschaft und nicht nur dem Vater bzw. den Eltern allein zugerechnet sein.

Das Finanzgericht hat unter Würdigung aller Umstände festgestellt, daß im Streitfall zwischen Eltern und Kindern ernsthaft ein Gesellschaftsverhältnis vereinbart und durchgeführt worden ist. Es hat die vom Finanzamt hervorgehobenen Gesichtspunkte in seine Würdigung einbezogen, ihnen aber keine ausschlaggebende Bedeutung zuerkannt. Es hat auch die Gewinnverteilung geprüft und hält sie für angemessen. Da das Finanzgericht im Rahmen seines Rechts zur freien Tatsachen- und Beweiswürdigung (§ 278 AO) ohne Rechtsverstoß zu seiner Feststellung kommen konnte, ist sie für den Senat bindend. Die gegen die Würdigung des Finanzgerichts erhobenen Einwendungen des Vorstehers des Finanzamts können im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden (§§ 288, 296 Abs. 1 AO).

 

Fundstellen

BStBl III 1959, 322

BFHE 1960, 157

BFHE 69, 157

StRK, EStG:13 R 69

NJW 1959, 1990

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