Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Beginn der Bauarbeiten nach § 4 b InvZulG 1975

 

Leitsatz (NV)

Hat jemand durch Abschluß eines Generalbauunternehmervertrages vor dem Begünstigungszeitraum des § 4 b InvZulG 1975 mit dem Bau eines abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgutes begonnen, so liegt nach Auflösung des Generalbauunternehmervertrages in der im wesentlichen unveränderten Fortführung des Bauvorhabens durch Einzelaufträge an andere Baufirmen jedenfalls dann kein neuer Baubeginn im Begünstigungszeitraum, wenn noch aufgrund des Generalbauunternehmervertrages mit den handwerklichen Bauarbeiten begonnen worden ist.

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 4b

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beauftragte mit Generalbauunternehmervertrag vom 29. Juli 1974 die B-GmbH (B) mit der schlüsselfertigen Herstellung eines Hotel-, Wohn- und Geschäftshauses mit Teilgarage auf dem von ihr - der Klägerin - erworbenen Baugrundstück. Die Baugenehmigung datiert vom 1. August 1974. Der Baubeginn sollte spätestens am 15. September 1974 erfolgen. Die B begann aber erst am 15. Dezember 1974 mit dem Erdaushub. Mit Schreiben vom 23. Januar 1975 zeigte die B dem zuständigen Stadtdirektor den Baubeginn an.

Der Beginn der Rohbauarbeiten durch die B verzögerte sich dann. Am 13. März 1975 schlossen die Klägerin und die B eine Vereinbarung, in der festgestellt wurde, daß sich der Beginn der Rohbauarbeiten durch die B einerseits verzögert und daß andererseits die B bereits Leistungen, insbesondere den Erdaushub, erbracht habe. Im Hinblick hierauf verzichtete die B auf Zahlung für diese Leistungen, wenn sie nicht bis zum 14. April 1975 die Baustelle einrichtete. Falls die B diesen Termin nicht einhielt, sollte mit diesem Zeitpunkt der Vertrag zusätzlich als aufgelöst gelten.

Der Fixtermin für die Einrichtung der Baustelle wurde seitens der Klägerin nochmals bis zum 17. April 1975 und danach bis zum 21. April 1975 verlängert. Mit Schreiben vom 27. Mai 1975 teilte die Klägerin der B mit, daß sie im Hinblick darauf, daß auch der letzte Termin fruchtlos verstrichen sei und Bauarbeiten an der Baustelle nicht ersichtlich seien, den Vertrag als aufgelöst betrachte. Hilfsweise kündigte die Klägerin den Werkvertrag gemäß § 8 der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil B.

An die Stelle der B trat kein anderer Generalunternehmer. Die Klägerin vergab vielmehr die Bauleistungen einzeln an andere Unternehmen und führte das Bauvorhaben aufgrund der ursprünglichen Planung fort. Bei den Baukosten trat dadurch eine Steigerung von ca. 5,9 Mio. DM auf 7,3 Mio. DM ein.

Die Klägerin beantragte für die Baukosten einschließlich der Baunebenkosten eine Investitionszulage für 1975 in Höhe von 99 983,60 DM und für 1976 in Höhe von 336 761,10 DM gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes i. d. F. vom 24. Februar 1975 (InvZulG 1975). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Gewährung der beantragten Investitionszulage ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, daß der Baubeginn mit dem Erdaushub vom 15. Dezember 1974 im Begünstigungszeitraum des InvZulG 1975 gelegen habe. Die Erteilung des Auftrages an den Generalbauunternehmer könne nicht als Beginn der Bauarbeiten angesehen werden, da für die Klägerin eine Bindung an den Generalbauunternehmervertrag nicht fortdauernd bestanden habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, ,,Beginn der Bauarbeiten" sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht allein der Beginn der handwerklichen Arbeiten. Dieses Merkmal werde vielmehr schon durch die Erteilung eines spezifizierten Bauauftrages erfüllt. Die Klägerin habe daher durch den Abschluß des Generalbauunternehmervertrages vom 29. Juli 1974 außerhalb des Begünstigungszeitraums des InvZulG 1975 mit dem Bau begonnen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 b InvZulG 1975. Sie macht geltend, der BFH sehe nur die Erteilung eines bindenden spezifizierten Bauauftrages an den Bauunternehmer als Baubeginn an. Da die B nach dem Generalbauunternehmervertrag verpflichtet gewesen sei, spätestens am 15. September 1974 mit dem Bau zu beginnen, habe der Vertrag bereits im September 1974 aufgelöst werden können. Zu Beginn des Begünstigungszeitraums des § 4 b InvZulG 1975, am 1. Dezember 1974, habe daher schon keine Bindung an den Vertrag mehr bestanden. Jedenfalls sei aber der Vertrag im Mai 1975 aufgelöst worden, so daß sein Abschluß am 29. Juli 1974 nicht mehr als Beginn der Bauarbeiten angesehen werden könne. Als Baubeginn sei daher der Beginn der Ausschachtungsarbeiten am 15. Dezember 1974 anzunehmen. Im übrigen sei das FG unzutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin nach Auflösung des Vertrages keine neue Investitionsentscheidung getroffen habe. Sie sei tatsächlich im Zeitpunkt der Auflösung des Generalunternehmervertrages eine gewisse Zeit unentschlossen gewesen, ob sie weiterbauen solle oder nicht. Die Aussicht auf Gewährung der Investitionszulage habe schließlich dann wesentlich dazu beigetragen, daß das Gebäude doch gebaut wurde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und das FA unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide und der Einspruchsentscheidung zur Gewährung der beantragten Investitionszulage zu verpflichten.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FA ist nicht verpflichtet, der Klägerin eine Investitionszulage für das von ihr errichtete Hotel-, Wohn- und Geschäftshaus zu gewähren. Nach § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975 wird für abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter nur dann eine Investitionszulage gewährt, wenn mit der Herstellung des Wirtschaftsguts nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 begonnen worden ist. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.

1. Als Beginn der Herstellung gilt nach Satz 6 des § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975 bei Gebäuden, bei denen wie im Streitfall der Antrag auf Baugenehmigung vor dem 1. Dezember 1974 gestellt worden ist, der Beginn der Bauarbeiten. Wie der erkennende Senat mit den beiden Urteilen vom 28. September 1979 III R 95/77 (BFHE 129, 104, BStBl II 1980, 56) und III R 12/78 (BFHE 129, 107, BStBl II 1980, 57) entschieden hat, ist unter Beginn der Bauarbeiten nicht erst der Beginn der bauhandwerklichen Arbeiten an der Baustelle, sondern bereits die Erteilung eines spezifizierten Bauauftrags an den Bauunternehmer zu verstehen. Die Klägerin hat keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die an dieser rechtlichen Beurteilung etwas ändern könnten. Der Senat hält daher an dieser Rechtsprechung fest.

Der Generalbauunternehmervertrag vom 29. Juli 1974, mit dem die Klägerin den Auftrag zur schlüsselfertigen Herstellung des Gebäudes erteilt hat, geht noch über einen normalen spezifizierten Auftrag an einen Bauunternehmer hinaus. Die Klägerin hat deshalb mit dem Bau bereits am 29. Juli 1974 begonnen.

2. Dieser Baubeginn ist nicht dadurch wieder entfallen, daß die B mit dem vertraglich spätestens für den 15. September 1974 vorgesehenen Beginn der bauhandwerklichen Arbeiten in Rückstand geraten ist. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin aufgrund dieser Tatsache, wie sie behauptet, den Vertrag wirklich schon im September 1974 auflösen konnte. Zwar ist es zutreffend, daß der BFH nur solche Aufträge an den Bauunternehmer als Baubeginn angesehen hat, mit denen der Steuerpflichtige für sich bindend und unwiderruflich die Investitionsentscheidung getroffen hat (vgl. Urteil in BFHE 129, 107, BStBl II 1980, 57). Dies hat die Klägerin mit dem Auftrag vom 29. Juli 1974 aber getan. Sie hat sich von dieser Entscheidung jedenfalls im September 1974 noch nicht wieder gelöst. Vielmehr ist aufgrund dieses Vertrages im Dezember 1974 mit den bauhandwerklichen Arbeiten begonnen worden. Beide Vertragsparteien haben daher zunächst an dem Vertrag festgehalten und sind weiter von einer Bindung ausgegangen.

3. Der Baubeginn im Juli 1974 ist auch nicht durch die spätere Auflösung des Generalunternehmervertrags im Jahre 1975 hinfällig geworden. Der Wegfall des Vertrags infolge seiner Auflösung ist eine zivilrechtliche Rechtsfolge, die für die Auslegung des § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975 nicht entscheidend ist. Diese Bestimmung ist nach steuerrechtlichen und nicht nach zivilrechtlichen Grundsätzen auszulegen (vgl. für den Beginn des ,,Bestellens" das Urteil des BFH vom 12. November 1982 III R 124/80, BFHE 136, 570, BStBl II 1983, 29). Die steuerrechtlichen Gesichtspunkte bestimmen sich nach dem Zweck des § 4 b InvZulG 1975, der darauf gerichtet war, die abgeschwächte Wirtschaftstätigkeit und die rückläufige Beschäftigung durch Förderungsmaßnahmen für private Investitionen zu beleben (Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 7/2979 S. 1). Mit dieser Zweckrichtung ist es unvereinbar, mit der Investitionszulage Bauten zu fördern, die bereits verbindlich in Auftrag gegeben waren und die dann aufgrund dieses Auftrags durch Beginn der bauhandwerklichen Arbeiten tatsächlich in Angriff genommen und später ohne wesentliche Änderung der Planung mit anderen Bauunternehmern fertiggestellt worden sind. Hiervon konnte keine zusätzliche Belebung der Wirtschaftstätigkeit ausgehen. Ebensowenig, wie Gebäude dadurch begünstigungsfähig werden, daß nach dem Beginn der bauhandwerklichen Arbeiten ohne Änderung der Pläne ein anderer Bauherr in das Bauvorhaben eintritt (Urteil des BFH vom 21. September 1984 III R 109/78, BFHE 142, 94, BStBl II 1985, 17), kann der Wechsel des Bauunternehmers die Begünstigungsfähigkeit herbeiführen.

4. Dahingestellt bleiben kann, wie der Fall zu entscheiden wäre, wenn der Generalbauunternehmervertrag schon vor dem Beginn der Arbeiten an der Baustelle aufgelöst worden wäre. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Hier ist vielmehr aufgrund des verbindlichen Bauauftrags mit den Arbeiten an der Baustelle begonnen und der Bauauftrag erst später rückgängig gemacht worden. Der Beginn der bauhandwerklichen Arbeiten kann entgegen der Auffassung der Klägerin folglich nicht nach Auflösung des Bauauftrags isoliert als der neue Baubeginn angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine Folge des Bauauftrags, die ohne diesen nicht eingetreten wäre.

5. Demgemäß ist es auch unerheblich, ob mit den Arbeiten an der Baustelle vor dem 1. Dezember 1974 oder wie im Streitfall erst im Begünstigungszeitraum begonnen worden ist. Entscheidend ist allein, daß bereits vor dem Begünstigungszeitraum durch den Generalbauunternehmervertrag eine verbindliche Festlegung erfolgt ist und aufgrund dieser Festlegung die Bauarbeiten in Angriff genommen worden sind. Der Fall ist nicht anders zu beurteilen als alle anderen Fälle, in denen es nach einem vor dem Begünstigungszeitraum erfolgten Beginn der bauhandwerklichen Arbeiten wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung im Begünstigungszeitraum zur Auflösung von Handwerkerverträgen kommt. Die in solchen Fällen nach der Auflösung der Verträge erteilten neuen Aufträge können nach der Zielsetzung des § 4 b InvZulG 1975 nur dann zur Zulagefähigkeit des Gebäudes führen, wenn der Steuerpflichtige die Bauarbeiten nicht nur vorübergehend eingestellt, sondern wenn er das Bauvorhaben in vollem Umfang aufgegeben und innerhalb des Begünstigungszeitraums neu in Angriff genommen hat. Den Nachweis dafür, daß das Bauvorhaben zunächst vollständig aufgegeben war, hat der Steuerpflichtige zu führen.

Diesen Nachweis hat das FG nicht als erbracht angesehen. Es hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, daß nach dem Gesamtbild davon auszugehen sei, die Klägerin habe ihre Investitionsentscheidung aufrechterhalten. Dies ist eine Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch die Vorinstanz, die weder gegen die Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt und die deshalb für den Senat verbindlich ist. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt insbesondere nicht schon dann vor, wenn ein Schluß nicht zwingend, sondern erst, wenn er unmöglich ist. Der BFH kann daher als Revisionsinstanz nur prüfen, ob das FG zu seinem Ergebnis kommen konnte; daß es dazu kommen mußte, ist nicht erforderlich (Urteil des BFH vom 1. April 1971 IV R 195/69, BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522). Dementsprechend ist es unerheblich, ob auch eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre.

Im übrigen trägt die Klägerin im Revisionsverfahren auch nicht vor, daß sie das Bauvorhaben nach Auflösung des Generalbauunternehmervertrags aufgegeben habe. Sie behauptet lediglich, im Zeitpunkt der Auflösung des Generalbauunternehmervertrags über die Fortführung des Bauvorhabens unsicher gewesen zu sein. Das reicht zur Begründung der von § 4 b InvZulG 1975 geforderten neuen oder zumindest zeitlich vorgezogenen Investitionsentscheidung nicht aus, zumal im Streitfall die behauptete innere Unentschlossenheit der Klägerin mangels äußerer Umstände nicht nachprüfbar ist.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 666

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