Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

1) Wird der Nachlaßverwalter, der die Herausgabe auf Grund eines formungültigen Testaments vermachter Gegenstände an den Bedachten verweigert hat, aus einem anderen Rechtsgrunde (gegenseitiger Vertrag) zur Herausgabe der gleichen Gegenstände gerichtlich verurteilt und gibt er daraufhin die Gegenstände an den Kläger (Bedachten) heraus, so liegt ein erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb nicht vor.

2) Der Erwerb unterliegt in einem solchen Falle auch nicht der Schenkungsteuer, weil selbst dann, wenn gegen die Begründung des gerichtlichen Urteils im Hinblick auf die Annahme eines entgeltlichen gegenseitigen Vertrages Bedenken bestehen könnten, die Leistung des Nachlaßverwalters doch zur Erfüllung eines im Prozeßwege gegen ihn erwirkten Schuldtitels erfolgt ist, nicht zum Zwecke freiwilliger Erfüllung eines formnichtigen Testaments oder eines vom Erblasser gegebenen Schenkungsversprechens.

 

Normenkette

ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) mit dem Wert eines Wertpapierdepots zur Erbschaftsteuer heranzuziehen ist, das der am 23. Juli 1960 verstorbene A hinterlassen hat. Der Verstorbene war mit einer Tante des Stpfl. verheiratet, von der er 1950 geschieden wurde. Er war späterhin pflegebedürftig geworden und deshalb seit September 1958 in den Haushalt des Stpfl. aufgenommen worden.

Noch zu seinen Lebzeiten hatte der Verstorbene dem Stpfl. eine von "ersten März Neunzehnhundertneunundfünfzig" datierte, in Maschinenschrift geschriebene und handschriftlich unterzeichnete Urkunde übergeben, die mit den Worten "Mein letzter Wille" überschrieben war. Diese Urkunde enthielt die Einsetzung des Stpfl. zum Alleinerben. Der Verstorbene hinterließ bei seinem Tode außerdem eine handschriftliche, nicht unterschriebene Erklärung des Inhalts, daß er dem Stpfl. sein ges. Bankdepot als seinem Alleinerben übereigne, sich aber bis zu seinem Tode das alleinige Verfügungsrecht darüber vorbehalte.

In einem Zivilprozeß, den der Stpfl. nach dem Tode des A gegen dessen unbekannte Erben, vertreten durch den vom Gericht bestellten Nachlaßpfleger führte, wurden die Erben verurteilt, die in dem vorerwähnten Depot befindlichen Wertpapiere herauszugeben. In dem Urteil des Landgerichts (LG), das Rechtskraft erlangt hat, wurde zwar festgestellt, daß eine rechtswirksame letztwillige Verfügung des Erblassers nicht vorliege, weil die beiden vorbezeichneten Urkunden wesentlicher Formerfordernisse testamentarischer Urkunden ermangelten. Das LG sprach aber trotzdem dem Stpfl. das vorbezeichnete Depot zu. Es war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der überzeugung gelangt, daß zwischen dem Stpfl. und dem Erblasser zu dessen Lebzeiten ein rechtsverbindlicher gegenseitiger Vertrag zustandegekommen sei, auf Grund dessen der Verstorbene in den Haushalt des Stpfl. aufgenommen und dort, so lange er lebte, verköstigt und verpflegt werden sollte, während der Stpfl. hierfür nach dem Tode des Erblassers dessen bei dem Bankhaus X im Depot befindlichen Wertpapieren erhalten sollte. Entsprechend dem Inhalt des landgerichtlichen Urteils sind die Wertpapiere an den Stpfl. herausgegeben worden.

Obwohl das LG das Vorliegen rechtsgültiger letztwilliger Verfügungen des Verstorbenen zugunsten des Stpfl., der nicht zu den gesetzlichen Erben des ersteren gehört, verneint hatte, weil es die vorerwähnten beiden Urkunden wegen ihrer Formmängel als nichtige Testamente ansah und behandelte, zog das Finanzamt (FA) - Revisionskläger - den Stpfl. mit dem Wert der von ihm erworbenen Wertpapiere abzüglich der Nachlaßverbindlichkeiten zur Erbschaftsteuer heran. Es vertrat die Auffassung, daß das Urteil des LG nur im Tenor, nicht aber in den Entscheidungsgründen in Rechtskraft erwachsen sei. Der Nachlaßpfleger habe dieses Urteil nur deshalb nicht angefochten, weil es dem Willen des Erblassers entsprochen habe. Auch das LG habe mit seiner Entscheidung nur einen Weg finden wollen, um dem offenkundigen Willen des Erblassers zu entsprechen. Das FA bejahte demgemäß unter Hinweis auf die §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit § 5 Abs. 3 StAnpG die Erbschaftsteuerpflicht dieses Erwerbs.

Gegen den am 30. Oktober 1962 ergangenen Erbschaftsteuerbescheid legte der Stpfl. mit Zustimmung des FA-Vorstehers Sprungberufung beim Finanzgericht (FG) ein und beantragte die Aufhebung des Bescheids.

Der Vertreter des FA beantragte die Zurückweisung der Sprungberufung; hilfsweise stellte er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG den Antrag, die Steuer unter Berücksichtigung einer gemischten Schenkung in entsprechender Höhe festzusetzen.

Die Sprungberufung führte zur ersatzlosen Aufhebung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids. Das FG, das in übereinstimmung mit dem Urteil des LG davon ausgegangen ist, daß ein formgültiges Testament des Erblassers zugunsten des Revisionsbeklagten nicht vorliege, hat auch die Möglichkeit einer Anwendung des § 5 Abs. 3 StAnpG auf den vorliegenden Fall verneint, weil der Nachlaßpfleger im Zivilprozeß beachtliche Gründe gegen den Erwerb des Wertpapierdepots durch den Revisionsbeklagten vorgebracht habe und nur durch das Urteil des LG zur Herausgabe des Depots gezwungen worden sei. Auch der Tatbestand einer Schenkung oder freigebigen Zuwendung liege aus dem gleichen Grunde nicht vor, weil die Leistung auf Grund des rechtskräftigen Urteils des LG erfolgen mußte. Im übrigen ist das FG auch auf Grund der eigenen Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, daß zwischen dem Erblasser und dem Stpfl. ein gegenseitiger Vertrag des vom LG im Zivilprozeß näher dargestellten Inhalts zustandegekommen sei.

Der Vorsteher des FA hat gegen das Urteil des FG Rb. erhoben, mit der er fehlerhafte Würdigung der Zeugenaussagen, einen Verstoß gegen den klaren Akteninhalt sowie fehlerhafte Anwendung des geltenden Rechts rügt. Er beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 30. Oktober 1962 wiederherzustellen.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb., die nach dem Inkrafttreten FGO am 1. Januar 1966 nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Revision zu behandeln ist, muß der Erfolg in vollem Umfang versagt bleiben.

Zutreffend ist die Vorinstanz in übereinstimmung mit dem Urteil des LG davon ausgegangen, daß der Stpfl., der nicht zu den gesetzlichen Erben des verstorbenen A gehört, das von ihm erworbene Wertpapierdepot nicht im Wege testamentarischer Erbfolge erlangt hat, weil die eingangs erwähnten Urkunden, die ihrem Inhalt nach letztwillige Verfügungen des Erblassers darstellen, wegen ihrer Formmängel keine rechtsgültigen Testamente sind. Die Besteuerung des fraglichen Erwerbs der Wertpapiere als Erbschaftserwerb ist aber auch unter Berücksichtigung des § 5 Abs. 3 StAnpG nicht möglich, weil die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift fehlen. Die Vorschrift des § 5 Abs. 3 StAnpG könnte nur dann angewendet werden, wenn die formungültigen Verfügungen des Erblassers ungeachtet ihrer Nichtigkeit als Testamentsurkunden von den Beteiligten, insbesondere also den gesetzlichen Erben des Erblassers vollzogen worden wären. Davon kann entgegen der Auffassung des FA nicht die Rede sein. Die gesetzlichen Erben des Verstorbenen selbst, die die ungültigen letztwilligen Verfügungen des Erblassers freiwillig hätten vollziehen können, sind unbekannt. Der als ihr Vertreter handelnde gerichtlich bestellte Nachlaßpfleger hat aber den Inhalt des fraglichen Depots auch seinerseits dem Stpfl. nicht freiwillig überlassen, sondern es unter Berufung auf die Nichtigkeit der testamentarischen Verfügungen des Erblassers auf einen Prozeß ankommen lasse. In diesem Prozeß hat der Nachlaßpfleger mit dem Einwand der Nichtigkeit dieser letztwilligen Verfügung Erfolg gehabt, und die von ihm vertretenen Erben sind nur deswegen zur Herausgabe des Depots verurteilt worden, weil das Gericht den Abschluß eines gegenseitigen Vertrages als erwiesen angesehen hat, auf Grund dessen sich der Erblasser durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden zu einer derartigen Leistung verpflichtet hatte.

Wenn das FA demgegenüber meint, die vor dem LG geführte Klage auf Herausgabe des Depots sei nur ein Ausweg gewesen, um ungeachtet der formungültigen Erbeinsetzung dem tatsächlichen Willen des Erblassers zu entsprechen, und das LG habe mit seinem Urteil lediglich den Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten hergestellt, so übersieht es, daß nicht die unbekannten Erben die Klage beim LG eingereicht haben, sondern der Stpfl., und daß dieser zur Erhebung der Klage gerade deshalb gezwungen war, weil der Nachlaßpfleger als Vertreter der Erben die Anerkennung und Ausführung der letztwilligen Verfügungen des Erblassers verweigerte. Soweit in diesem Zusammenhang vom FA noch zusätzlich behauptet worden ist, die Anfechtung des landgerichtlichen Urteils sei nur deshalb vom Nachlaßpfleger unterlassen worden, weil das Urteil dem Willen des Erblassers Rechnung getragen habe, so bietet weder der Inhalt des landgerichtlichen Urteils noch der sonstige Inhalt der vom FG beigezogenen Prozeß- und Nachlaßakten für eine solche Annahme einen Anhaltspunkt, wie das FG in den Gründen seines Urteils ausdrücklich und zutreffend bemerkt hat. Abgesehen davon, daß ein solches Verhalten im Widerspruch zu der vorangegangenen Prozeßführung des Nachlaßpflegers im Verfahren vor dem LG stehen würde, erscheint es insbesondere deshalb wenig wahrscheinlich, weil der Nachlaßpfleger damit pflichtwidrig gehandelt und sich gegebenenfalls einem späteren Regreß der unbekannten Erben ausgesetzt haben würde. Einen Antrag auf Vernehmung des Nachlaßverwalters als Zeugen, die als letztes Beweismittel für die von ihm aufgestellte Behauptung vielleicht noch übrig geblieben wäre, hat das FA selbst aber niemals gestellt, obwohl es im Verfahren vor dem FG hierzu ausreichend Gelegenheit gehabt hätte. Der von ihm erhobene Steueranspruch kann deshalb keinesfalls auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gestützt werden.

Die Besteuerung kann aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer (gemischten) Schenkung oder einer sonstigen unentgeltlichen Zuwendung des Erblassers an den Stpfl. aufrechterhalten werden.

In übereinstimmung mit dem LG ist auch das FG auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der überzeugung gelangt, daß zwischen dem Stpfl. und dem Erblasser noch zu dessen Lebzeiten ein rechtsverbindlicher gegenseitiger Vertrag eigener Art geschlossen worden sei, bei dem trotz des objektiven Mißverhältnisses zwischen der Leistung des Stpfl. und der Gegenleistung des Erblassers nicht von einer gemischten Schenkung gesprochen werden könne.

Das FA hat allerdings gegen die Beweiswürdigung des FG Bedenken erhoben, weil es der Meinung ist, aus der Abfassung des späteren formnichtigen Testaments müsse geschlossen werden, daß der vorangegangene Vertrag lediglich die Abgabe eines Versprechens zur Erbeinsetzung des Stpfl. durch den Erblasser zum Gegenstand gehabt haben könne. Selbst wenn aber aus diesem Grund oder auch aus anderen Gründen berechtigte Bedenken gegen Tatsachenwürdigung und rechtliche Beurteilung des LG und des FG zu erheben wären, würde eine Schenkung doch nicht bejaht werden können. Denn auch in diesem Falle würde sich an der Tatsache nichts ändern, daß die Herausgabe des Wertpapierdepots nicht als eine freiwillige Leistung zur Erfüllung eines formnichtigen Testaments oder eines etwa vom Erblasser gegebenen, dann aber ebenfalls formungültigen Schenkungsversprechens erbracht worden ist, sondern zur Erfüllung eines Schuldtitels, den der Stpfl. aus anderen Gründen durch den Erlaß des landgerichtlichen Urteils erlangt hatte. Die freiwillige Erfüllung eines solchen Schuldtitels zu dem Zweck, den sonst zu erwartenden Zwangsmaßnahmen zu entgehen, würde aber für sich allein betrachtet auch dann keine Schenkung oder unentgeltliche Zuwendung darstellen, wenn der gegenseitige Vertrag, von dem das Gericht bei seiner Beurteilung der Rechtslage ausgegangen ist, in Wirklichkeit nicht zustandegekommen wäre.

Die Revision des FA war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411954

BStBl III 1966, 279

BFHE 1966, 188

BFHE 85, 188

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