Leitsatz (amtlich)

Die von Versorgungsbetrieben für Baukostenzuschüsse ihrer Abnehmer als Ertragszuschüsse zu bildende Rückstellung beinhaltet keine echte Verbindlichkeit des Unternehmens, trägt vielmehr den Charakter einer betriebswirtschaftlich bestimmten Rechnungsabgrenzung. Sie bleibt bei der Berechnung des angemessenen Eigenkapitals außer Betracht.

 

Normenkette

KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6; KStDV §§ 1-2; Eigenbetriebsverordnung § 19 Abs. 6

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) ist ein Versorgungsbetrieb und zugleich ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (§§ 1 und 2 KStDV). Sie ist zur Deckung ihres Finanzbedarfs seitens der Gemeinde neben dem Widmungskapital mit verzinslichen Darlehen ausgestattet, die der Revisionskläger (das FA) in Höhe eines Teilbetrages von 30 000 DM als verdecktes Widmungskapital betrachtet mit der Folge, daß die auf diese 30 000 DM gezahlten Zinsen (in Höhe von 2 100 DM) eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen. Nach dem Urteil des BFH I 65/60 U vom 6. August 1962 (BFH 75, 502, BStBl III 1962, 450) liege die Grenze des angemessenen Eigenkapitals in der Regel bei 40 v. H. des Aktivvermögens; sie sei bei der Steuerpflichtigen am Beginn des Streitjahres (am 1. Januar 1966) um 30 000 DM unterschritten gewesen. Die Steuerpflichtige will demgegenüber die passivierten Baukostenzuschüsse ihrer Abnehmer in Höhe von 79 501 DM als Korrekturposten zum Anlagevermögen nicht zu den echten Verbindlichkeiten gerechnet wissen, so daß eine Unterdeckung nicht vorliege.

Das FG gab nach erfolglosem Einspruch der Klage der Steuerpflichtigen statt. Was sich hinter der Bezeichnung "Baukostenzuschüsse" verberge, bedürfe nach dem BFH-Urteil I 55/53 U vom 6. Oktober 1953 (BFH 58, 61, BStBl III 1953, 315) jeweils der Prüfung. Im Streitfall seien die Baukostenzuschüsse von Personen geleistet worden, die ihr Grundstück an das Strom- und Wasserversorgungsnetz angeschlossen hätten. Hinsichtlich der Höhe der Zuschüsse für die hierzu erforderlichen Zuleitungen hätten die Abnehmer der Steuerpflichtigen die Selbstkosten zu erstatten, die diese zu ihrer Erstellung habe aufwenden müssen. Eine Rückzahlung der Baukostenzuschüsse sei nicht vorgesehen. Nach den allgemeinen Bedingungen der Steuerpflichtigen blieben die Anlagen in ihrem Eigentum. Unter diesen Umständen könnten die verlorenen Baukostenzuschüsse keine echten Verbindlichkeiten darstellen, auch wenn die Steuerpflichtige sie bilanztechnisch passiviert habe. Sie stünden wirtschaftlich im Zusammenhang mit der Erstellung von Gegenständen des Anlagevermögens. Der Abschreibung der mit den Baukostenzuschüssen angeschafften Gegenstände zu Lasten des Ertrages stehe in etwa gleichem Umfang die Auflösung des Passivpostens "Baukostenzuschüsse" zugunsten des Ertrages gegenüber. Bei dieser Sachlage könne der Steuerpflichtigen darin gefolgt werden, daß die passivierten Baukostenzuschüsse lediglich Wertberichtigungsposten der entsprechenden Anlagewerte seien. Dieser Bilanzposten sei deshalb bei der Ermittlung des angemessenen Eigenkapitals der Steuerpflichtigen von ihrem Anlagevermögen abzusetzen, so daß sie nach den Grundsätzen des BFH-Urteils I 65/60 U (a. a. O.) mit einem angemessenen Eigenkapital ausgestattet gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA, zu dessen Begründung es vorträgt:

Nach der Rechtsprechung hätten die Versorgungsbetriebe ein Wahlrecht, vereinnahmte Baukostenzuschüsse als Ertragszuschüsse oder als Kapitalzuschüsse zu bilanzieren. An die danach getroffene Entscheidung seien sie für die Zukunft gebunden. Die Steuerpflichtige habe in den Jahren 1961 bis 1966 die von ihr vereinnahmten Baukostenzuschüsse als Rückstellung, nicht als Wertberichtigungsposten gebucht und damit die Zuschüsse als Ertragszuschüsse im Sinne des § 19 Abs. 6 Buchst. a der Eigenbetriebsverordnung vom 21. November 1938 (RGBl I 1938, 1650) behandelt. Die unter den Rückstellungen ausgewiesenen Baukostenzuschüsse hätten somit den Charakter echter Verbindlichkeiten. Das FG habe sie zu Unrecht als Kapitalzuschüsse behandelt und als Wertberichtigungsposten bei der Ermittlung des angemessenen Eigenkapitals vom Anlagevermögen abgesetzt.

Das FA beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben; die Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie läßt vortragen:

Streitig sei, was unter dem Begriff "Aktivvermögen" im Sinne des BFH-Urteils I 65/60 U (a. a. O.) verstanden werden müsse. Die Antwort lasse sich nur aus betriebswirtschaftlicher, nicht aus bilanztechnischer oder steuerrechtlicher Sicht geben, zumal aus dem genannten Urteil geschlossen werden könne, daß es dem BFH bei Festsetzung der 40 v. H.-Grenze unter Hinweis auf die privatwirtschaftlichen Betriebe um einen objektiven Maßstab für den betriebswirtschaftlich vergleichbaren Grad der Eigenfinanzierung gegangen sei, der auch steuerlich beachtet werden müsse. Eine Eigenfinanzierung könne jedoch logischerweise nicht auch für denjenigen Teil des Anlagevermögens gefordert werden, für den der Betrieb von dritter Seite Zuschüsse erhalte, die er nicht zurückzuzahlen habe und die auch sonst keine zukünftigen Ertragsminderungen oder andere rechtliche Ansprüche der Zuschußgeber auslösten. Die vom FA angeführten Gesichtspunkte spielten zwar für die steuerrechtliche Beurteilung von Abschreibungsfragen eine Rolle, nicht aber für den hier zur Beurteilung stehenden Sachverhalt. Wolle man der Steuerpflichtigen nicht folgen, so käme man zu dem unbilligen Ergebnis, daß von denjenigen Betrieben, die derartige Zuschüsse direkt vom Anlagevermögen absetzten (Kapitalzuschüsse), weniger Eigenkapital gefordert würde als von solchen Betrieben, die die Zuschüsse indirekt auswiesen (Ertragszuschüsse).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Dem FA ist darin zuzustimmen, daß die bilanzmäßige Behandlung der sogenannten Baukostenzuschüsse durch die Versorgungsbetriebe ihre ertragsteuerrechtliche Bedeutung hat. Nach § 19 Abs. 6 der Eigenbetriebsverordnung sind die von den Versorgungsbetrieben vereinnahmten Baukostenzuschüsse, wenn sie als Kapitalzuschüsse behandelt werden, einer Wertberichtigung, wenn sie als Ertragszuschüsse behandelt werden, einer Rückstellung zuzuführen. Soweit die Baukostenzuschüsse aufgrund allgemeiner Lieferbedingungen erhoben werden, gelten sie als Ertragszuschüsse und ist jährlich ein Zwanzigstel der Rückstellung zugunsten der Jahreserfolgsrechnung zu entnehmen. Die Absetzungen für Abnutzung sind in diesem Falle vom ungekürzten Ausgabenwert zu berechnen.

Wie das FG festgestellt hat, hat auch die Steuerpflichtige im Streitfall die von ihr vereinnahmten Baukostenzuschüsse als Ertragszuschüsse im Sinne der Eigenbetriebsverordnung behandelt, sie den Rückstellungen zugewiesen und sie jeweils in Höhe eines Zwanzigstels zugunsten des Betriebsergebnisses aufgelöst, wie auch die Prüfungsberichte über ihre Jahresabschlüsse ergeben. Die steuerrechtliche Bedeutung eines solchen Vorgehens für die Behandlung der Position "Baukostenzuschüsse" in der DM-Eröffnungsbilanz hat der erkennende Senat in den Urteilen I 162/54 U vom 13. September 1955 (BFH 61, 300, BStBl III 1955, 315) und I 77/56 U vom 16. April 1957 (BFH 64, 582, BStBl III 1957, 218) im einzelnen dargelegt.

Entgegen der Auffassung des FA führt die bilanzmäßige Behandlung der Baukostenzuschüsse als Ertragszuschüsse indes nicht dazu, die Zuschüsse auch bei der Ermittlung des notwendigen Eigenkapitals (= 40 v. H. des Aktivvermögens) als echte Verbindlichkeiten zu behandeln, die sie - trotz ihrer bilanzmäßigen Darstellung - nicht sind. Wie § 19 Abs. 1 Satz 2 der Eigenbetriebsverordnung deutlich macht, dient ihre Zuweisung zur Rückstellung betriebswirtschaftlichen Zwecken. Die Rückstellung trägt deshalb den Charakter einer stark betriebswirtschaftlich bestimmten Rechnungsabgrenzung. So war es auch, wie die Begründung des BFH-Urteils I 65/60 U (a. a. O.) zeigt, gerade der Gedanke der Gleichstellung der Betriebe gewerblicher Art mit den entsprechenden Betrieben der Privatwirtschaft, der es erforderlich machte, bei diesen Betrieben einen objektiven Maßstab zu finden, der eine ähnliche, das Ermessen der Gesellschafter einschränkende Bedeutung hat, wie sie bei Kapitalgesellschaften dem notwendigen Ausweis eines bestimmten Nennkapitals zukommt. So kam der Senat - in Übereinstimmung mit dem BdF - zu dem Ergebnis, daß ein Betrieb gewerblicher Art mit Darlehen der öffentlichrechtlichen Körperschaft nur insoweit finanziert werden darf, als ein nach den Grundsätzen der Eigenbetriebsverordnung und den Grundsätzen der in der Privatwirtschaft im Durchschnitt üblichen Finanzierung angemessenes Widmungskapital vorhanden ist.

Im Streitfall führt die Erstellung der erforderlichen Anschlüsse der Abnehmer insoweit jedenfalls bei der Steuerpflichtigen zu keinem erhöhten - durch Widmungskapital oder Darlehen zu deckenden - Kapitalbedarf, als nach den allgemeinen Lieferbedingungen von den Abnehmern Baukostenzuschüsse erhoben werden. Es erscheint dem Senat deshalb zutreffend, wenn für den so finanzierten Teil des Anlagevermögens nicht zusätzlich eine Deckung durch Eigenkapital gefordert wird. Dabei ist es in der Tat bedeutungslos, wie die Baukostenzuschüsse behandelt werden, ob als Ertragszuschüsse (was angesichts ihrer Erhebungsgrundlage nach der Eigenbetriebsverordnung die Regel ist) oder als Kapitalzuschüsse. Auch bilanztechnisch macht es - was die Höhe des Eigenkapitals betrifft - keinen Unterschied, ob der Position "Anlagen" (auf der Aktivseite der Bilanz) auf der Passivseite der Bilanz ein Rechnungsabgrenzungsposten oder eine gleichhohe Wertberichtigung gegenübersteht.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 694

BFHE 1970, 373

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