Leitsatz (amtlich)

Eine GmbH & Co. KG ist nach Einstellung ihrer werbenden Tätigkeit während der Liquidation nicht gewerbesteuerpflichtig (Abweichung von Abschn. 22 Abs. 1 und 4 GewStR).

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die klagende GmbH & Co. KG (Klägerin und Revisionsbeklagte - Klägerin -) betrieb seit 1971 die Binnenschiffahrt. An ihr waren im Streitjahr 1974 die X-GmbH als Komplementärin sowie 146 Kommanditisten beteiligt. Nachdem die Klägerin ihre Schiffe verkauft hatte, beschloß die Gesellschafterversammlung 1973 die Liquidation der KG. Zum Liquidator bestimmte die Versammlung die Y-GmbH. Die Klägerin stellte mit diesem Tage ihre werbende Tätigkeit ein. Die Liquidation war im Streitjahr noch nicht beendet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ gegen die Klägerin auch für das Jahr 1974 einen Gewerbesteuermeßbescheid und einen Gewerbesteuerbescheid. Er vertrat die Auffassung, daß die Gewerbesteuerpflicht einer GmbH & Co. KG nicht schon mit der Einstellung der werbenden Tätigkeit, sondern erst mit der Verteilung des Vermögens ende (Abschn. 22 Abs. 1 und 4 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR -).

Die Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) in einer gleichliegenden anderen Sache ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 445 (EFG 1977, 445) veröffentlicht.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; das FG hat die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin zu Recht verneint.

1. Nach § 2 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt eine KG der Gewerbesteuer, wenn und solange sie einen Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuerrechts (§ 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -) unterhält. Wird die Gesellschaft aufgelöst und liquidiert (§§ 161 Abs. 2, 131, 145 Abs. 1 HGB), so endet ihre Gewerbesteuerpflicht, sobald sie die werbende Tätigkeit eingestellt hat. Da die Gewerbesteuerpflicht an das Bestehen eines lebenden und ausgeübten Betriebes anknüpft, werden Maßnahmen zur Vermögensverwertung nach Einstellung des Betriebs nicht mehr von der Steuerpflicht erfaßt (Urteile des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 29. Juni 1938 VI 395/38, RStBl 1938, 910; vom 20. November 1940 VI 330/40, RStBl 1941, 225).

Das Gewerbesteuerrecht unterscheidet sich vom Einkommensteuerrecht, das auch die Liquidation eines Gewerbebetriebs noch als gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 15 (Abs. 1) Nrn. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ansieht und diese erst mit der letzten Abwicklungshandlung enden läßt (RFH-Urteil in RStBl 1938, 910; BFH-Urteil vom 21. Dezember 1972 IV R 194/69, BFHE 108, 495, BStBl II 1973, 389), sofern nicht bereits die Betriebseinstellung als Betriebsaufgabe im Sinne von § 16 EStG zu werten ist. Diese Beurteilung entspricht dem einkommensteuerrechtlichen Grundsatz, daß Vorbereitungshandlungen zur eigentlichen Geschäftstätigkeit ebenso wie nachträgliche Vorgänge wegen des ursächlichen Zusammenhangs zu gewerblichen Einkünften führen. In ähnlicher Weise geht auch das Handelsrecht davon aus, daß eine KG bereits mit Vorbereitungshandlungen Handelsgeschäfte tätigt und ihre Kaufmannseigenschaft auch während der Liquidation behält (Baumbach/Duden, Handelsgesetzbuch, 23. Aufl., § 123 Anm. 4 C; § 145 Anm. 1 D). Demgegenüber entsteht die Gewerbesteuerpflicht erst, wenn alle Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs (§ 1 Abs. 1 GewStDV) vorliegen (BFH-Urteil vom 19. August 1977 IV R 107/74, BFHE 123, 352, BStBl II 1978, 23); sie endet, wenn eine dieser Voraussetzungen entfällt.

Im Streitfall war die Klägerin unstreitig nach Beginn der Liquidation nicht mehr werbend tätig, so daß die Gewerbesteuerpflicht nicht auf der Art ihrer Betätigung beruhen kann.

2. Unabhängig von der ausgeübten Betätigung unterliegen allerdings Kapitalgesellschaften nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG stets der Gewerbesteuer; das gilt auch für den Abwicklungszeitraum. Diese Bestimmung ist jedoch auf eine GmbH & Co. KG nicht anwendbar; die KG wird durch die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft als Komplementärin nicht ihrerseits zur Kapitalgesellschaft. Sie kann auch hinsichtlich der Dauer der Gewerbesteuerpflicht nicht einer Kapitalgesellschaft gleichgestellt werden. Aus der sog. Geprägerechtsprechung läßt sich diese Rechtsfolge nicht ableiten.

In seinen Entscheidungen vom 17. März 1966 IV R 233-234/65 (BFHE 84, 471, BStBl III 1966, 171) und vom 3. August 1972 IV R 235/67 (BFHE 106, 331, BStBl II 1972, 799) hat der Senat die Auffassung vertreten, daß eine KG, an der eine GmbH als einzige Komplementärin beteiligt ist, schon wegen dieser Beteiligung einen Gewerbebetrieb unterhält. Er hat dies aus der besonderen gesellschaftsrechtlichen Struktur der GmbH & Co. KG gefolgert, der die GmbH das Gepräge gebe. In den entschiedenen Fällen waren die Kommanditgesellschaften zwar werbend tätig, beschäftigten sich jedoch mit der Vermietung und Verpachtung sowie sonstiger Vermögensverwaltung und unterhielten damit keinen Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuerrechts. Zur Dauer der Gewerbesteuerpflicht ist in den angeführten Entscheidungen nichts gesagt worden. Die Finanzverwaltung hat aus ihnen gefolgert, daß die Gewerbesteuerpflicht der GmbH & Co. KG solange bestehe, als sie überhaupt noch tätig sei; sie hat sie darin einer Kapitalgesellschaft gleichgestellt (Abschn. 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 GewStR). Dies läßt sich indes weder aus dem Ziel noch aus den tragenden Gründen der Entscheidungen ableiten.

a) Nach dem Inhalt der Urteile sollte eine GmbH & Co. KG mit nichtgewerblicher Tätigkeit so behandelt werden, als unterhalte sie einen Gewerbebetrieb. Eine in dieser Weise tätige GmbH & Co. KG sollte damit einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, nicht einer Kapitalgesellschaft, gleichgestellt werden. Den Entscheidungen läßt sich nicht entnehmen, daß die GmbH & Co. KG in weiterem Umfang als andere Personengesellschaften gewerbesteuerpflichtig sein solle. Eine solche Erweiterung der Steuerpflicht würde sich jedoch ergeben, wenn die GmbH & Co. KG während der Liquidation uneingeschränkt gewerbesteuerpflichtig wäre. Hiervon würden auch solche Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG betroffen, die - wie die Klägerin - früher einen Gewerbebetrieb unterhielten und deren Gewerbesteuerpflicht unabhängig von der sog. Geprägerechtsprechung nicht zweifelhaft sein konnte. Mit derartigen Gesellschaften beschäftigen sich die zitierten Urteile nicht.

b) Der Senat hat in seiner Entscheidung in BFHE 84, 471, BStBl III 1966, 171 hervorgehoben, die Eintragung einer KG im Handelsregister spreche dafür, daß sie auch im Sinne des Gewerbesteuerrechts eine gewerbliche Tätigkeit ausübe; diese Vermutung könne die GmbH & Co. KG wegen ihrer besonderen gesellschaftsrechtlichen Struktur nicht widerlegen. Mit dem Beginn der Liquidation, auf die die im Handelsregister einzutragende Auflösung der Gesellschaft und die Eintragung der Liquidatoren hindeuten (§§ 161 Abs. 2, 143 Abs. 1, 148 HGB), besteht eine solche Vermutung für die KG nicht mehr. Handelsrechtlich ist davon auszugehen, daß die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit eingestellt hat. Nur wenn die Gesellschaft gleichwohl noch eine gewerbliche Betätigung im Sinne von § 2 Abs. 1 GewStG ausübt, ist sie weiterhin gewerbesteuerpflichtig; das aber muß im Einzelfall festgestellt werden. Nur unter dieser Voraussetzung ist auch eine bisher gewerblich tätige GmbH & Co. KG nach Beginn der Liquidation noch gewerbesteuerpflichtig. Für eine GmbH & Co. KG mit nichtgewerblicher Tätigkeit, die während der Liquidation keine werbende gewerbliche Betätigung entfalten kann, endet die Gewerbesteuerpflicht unter diesem Gesichtspunkt ohne weiteres mit dem Beginn der Liquidation.

c) Für die angeführten Entscheidungen des Senats war die besondere gesellschaftsrechtliche Struktur der GmbH & Co. KG von ausschlaggebender Bedeutung. Diese Sonderstellung geht jedoch, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, mit dem Liquidationsbeginn verloren.

Mit der Beteiligung einer GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin an einer im übrigen aus natürlichen Personen als Kommanditisten bestehenden KG werden im Handelsrecht unterschiedliche Ziele verfolgt (vgl. dazu Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 2. Oktober 1968 I BvF 3/65, BVerfGE 24, 174, BStBl II 1968, 762). Einmal wird dadurch eine Beschränkung der Haftung auf die von den Kommanditisten übernommene Haftsumme und das der GmbH gewidmete Vermögen bewirkt, während eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der KG einzustehen hätte. Zum anderen wird durch diese Gestaltung der Bestand der Gesellschaft vom persönlichen Schicksal des Komplementärs unabhängig gemacht und außerdem ermöglicht, daß ein Nichtgesellschafter als Geschäftsführer der GmbH für die KG Geschäftsführung und Vertretung übernimmt.

Diese Ziele lassen sich nach Auflösung der Gesellschaft und dem Beginn ihrer Abwicklung nicht mehr verwirklichen. Mit diesem Zeitpunkt gehen Vertretungs- und Geschäftsführungsrecht auf die Liquidatoren über (§§ 149 ff. HGB). Liquidatoren sind nach den §§ 161 Abs. 2, 146 HGB grundsätzlich alle Gesellschafter, also auch die Kommanditisten, so daß der GmbH keine Sonderrechte hinsichtlich der Vertretung und der Führung der Geschäfte mehr zustehen. Auch bei der Übertragung der Liquidation auf einen Mitgesellschafter oder einen außenstehenden Dritten hat die GmbH im Rahmen der §§ 146 und 152 HGB hinsichtlich Bestellung und Überwachung der Liquidatoren keine weitergehenden Mitwirkungsrechte als die Kommanditisten. Die GmbH kann auch nicht mehr den ungehinderten Fortbestand der KG sichern, da die Abwicklung mit der Vollbeendigung der KG abgeschlossen werden soll. Schließlich verliert auch die Haftungsbegrenzung während der Abwicklung ihre ursprüngliche Bedeutung, da die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit einstellt. Diese durch die Abwicklung veränderte gesellschaftsrechtliche Struktur rechtfertigt nicht mehr die Auffassung, daß das Unternehmen auf den Betrieb durch die GmbH angelegt sei und diese dem Gesamtbild das Gepräge gebe.

3. Mit dem FG ist auch davon auszugehen, daß die Klägerin nicht schon deswegen einen Gewerbebetrieb unterhält, weil die an ihr als Mitunternehmerin beteiligte GmbH stets eine gewerbliche Tätigkeit ausübt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG). Der Senat hat diese Frage in seiner Entscheidung in BFHE 106, 331, BStBl II 1972, 799, 800 offengelassen. Der I. Senat hat sie im Urteil vom 18. Februar 1976 I R 116/75 (BFHE 118, 559, BStBl II 1976, 480) verneint; der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73618

BStBl II 1980, 658

BFHE 1981, 70

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