Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Architekt an einem städtebaulichen Ideenwettbewerb teil und gewinnt er dabei einen Geldpreis, so zählt dieser auch dann zu den Einkünften aus der Berufstätigkeit eines Architekten und nicht zu den nach § 34 Abs. 4 EStG begünstigten „Neben”-Einkünften, wenn die „Haupt”-Einkünfte des Architekten solche aus nichtselbständiger Arbeit sind.

 

Normenkette

EStG 1972 § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1972, ob der bei einem städtebaulichen Ideenwettbewerb gewonnene Preis nach § 34 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigt zu besteuern und zum Zwecke der Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG auf zwei Jahre zu verteilen ist.

Die Kläger, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Kläger) sind Diplom-Ingenieure und Architekten. Der Kläger war bis Ende 1971 bei einem Stadtplanungsamt als Planer in der Abteilung für Flächennutzungsplanung tätig. Seit Januar 1972 ist er Leiter eines Planungsbezirks der Stadt; zu seinen Aufgaben gehört u. a. die verbindliche Bauleitplanung nach dem Bundesbaugesetz, die planungsrechtliche Beurteilung und Betreuung von Bauvorhaben und die Koordinierung öffentlicher und privater Bautätigkeit. – Die Klägerin übte in den genannten Jahren den erlernten Beruf nicht aus.

Die Kläger beteiligten sich an einem städtebaulichen Ideenwettbewerb, der von Juli 1971 bis März 1972 lief. Sie erstellten ihre Wettbewerbsarbeiten ohne fremde Hilfe. Die Klägerin arbeitete hauptsächlich tagsüber daran, der Kläger abends und an den Wochenenden, er verwendete dafür auch seinen Jahresurlaub. Die gesamte Arbeitsleistung trugen die Kläger etwa zu gleichen Teilen. Die Kläger erhielten für ihren Beitrag einen mit … DM dotierten Preis, der ihnen im Mai 1972 ausgezahlt wurde.

Für das Streitjahr 1972 beantragten die Kläger, den Wettbewerbserlös nach § 34 Abs. 3 EStG zum Zwecke der Besteuerung auf die Jahre 1971 und 1972 zu verteilen und für dessen auf den Kläger entfallende Hälfte den begünstigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 4 EStG zu gewähren. Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) verteilte den Wettbewerbserlös nach § 34 Abs. 3 EStG auf die Jahre 1971 und 1972. Den begünstigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 4 EStG versagte das FA, weil sich die Arbeit für den Architektenwettbewerb von der Haupttätigkeit des Klägers als Architekt beim Stadtplanungsamt nicht abgrenzen lasse.

Die Klage, mit der die Kläger beantragten, den auf den Kläger entfallenden Teil des Wettbewerbserlöses gemäß § 34 Abs. 4 und 3 EStG ermäßigt zu besteuern, hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß der Anteil des Klägers an dem Wettbewerbserlös gemäß § 34 Abs. 4 EStG begünstigt zu besteuern sei, § 34 Abs. 3 EStG dagegen keine Anwendung finde. Er führte u. a. aus:

1. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 EStG lägen vor. Die Anfertigung des Entwurfs sei eine künstlerische Tätigkeit. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit seien von den Einkünften aus der nichtselbständigen Berufstätigkeit abgrenzbar. Sie seien auch nicht aus einer typischen freien Berufstätigkeit bezogen. Die Teilnahme an dem städtebaulichen Ideenwettbewerb sei keine typische, praktische, tägliche Berufsarbeit eines angestellten Architekten des Stadtplanungsamtes. Neben eigenen künstlerischen Ideen erfordere sie Entwicklung neuer gestalterischer Wege. Daß der Kläger die eine oder andere Einzelplanung, die in der Wettbewerbsarbeit vorkommt, gelegentlich in seinem Hauptberuf ausführe, mache die gesamte Arbeit nicht zu einer typischen Berufsarbeit. Die Frage, ob die Teilnahme an einem städtebaulichen Wettbewerb bei einem freiberuflich tätigen Architekten anders zu beurteilen wäre, habe auf den Streitfall keinen Einfluß.

2. Eine Verteilung auf die Jahre 1971 und 1972 nach § 34 Abs. 3 EStG sei nicht möglich. Die Vorschrift sei bei Einkünften aus selbständiger Arbeit nur anzuwenden, wenn sich der Steuerpflichtige während mehrerer Jahre ausschließlich einer Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem Veranlagungszeitraum erhalten habe oder wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen abgrenzbar sei und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehöre, in einem Veranlagungszeitraum entlohnt werde. Beide Voraussetzungen seien nicht gegeben. Diese Abgrenzungsmerkmale setzten Tätigkeiten voraus, bei denen fortlaufende Aufträge zu erfüllen seien und bei denen die Tätigkeit als solche abgegolten werde. Auf einmalige Tätigkeiten, wie die Teilnahme an einem Architektenwettbewerb, treffe das nicht zu, und zwar gleichgültig, ob sie als Haupt- oder Nebentätigkeit ausgeübt werde. Die Zeit, in der der Wettbewerb laufe, gelte nicht als „Arbeitszeit”, für die der Teilnehmer am Ende einen Preis erhalte. Der Preis werde lediglich für das Ergebnis gewährt. Er sei deshalb – wie üblicherweise auch Architektenhonorare – im Zeitpunkt des Zuflusses steuerlich voll zu erfassen. – Soweit das FA § 34 Abs. 3 EStG im Streitfall angewendet habe, sei die Auswirkung im Rahmen der gestellten Anträge rückgängig zu machen.

Die vom FG zugelassene Revision stützt das FA auf Verletzung des § 34 Abs. 4 EStG und führt u. a. aus: Das FG habe verkannt, daß der Kläger die Einkünfte bei Ausübung einer Berufstätigkeit oder einer ähnlichen Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt habe. Das FG habe die Nebeneinkünfte des Klägers als aus künstlerischer Tätigkeit bezogen gewertet. Aus den Urteilsgründen lasse sich aber nicht entnehmen, wie das FG zu dieser Auffassung gelangt sei. Auch eine einmalige Architektentätigkeit bleibe eine Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Das FA beantragt, das FG-Urteil insoweit aufzuheben, als es die Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG auf die Einkünfte aus dem Ideenwettbewerb zugelassen hat.

Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen.

Die Kläger haben Anschlußrevision eingelegt mit dem Antrag, das FG-Urteil insoweit aufzuheben, als es die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG auf die Einkünfte aus dem Ideenwettbewerb versagt hat. Die Voraussetzungen dafür seien gegeben, da eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Klägers abgrenzbar sei und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehöre, in einem Veranlagungszeitraum entlohnt worden sei. – Die Anwendung der beiden Vergünstigungsvorschriften des § 34 Abs. 3 und des § 34 Abs. 4 EStG sei auch nebeneinander möglich.

Das FA beantragt, die Anschlußrevision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage, die Anschlußrevision der Kläger ist im Ergebnis unbegründet.

I. Revision des FA

Das FG hat zu Unrecht die Einkünfte des Klägers aus der Teilnahme an dem städtebaulichen Ideenwettbewerb als Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher oder künstlerischer Tätigkeit i. S. des § 34 Abs. 4 EStG angesehen. Sie sind vielmehr Einkünfte aus der Berufstätigkeit eines Architekten i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (also eines Katalogberufes) und unterliegen daher nicht der Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG.

1. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 22. Oktober 1964 IV 150/62 U (BFHE 81, 39, BStBl III 1965, 14) entschieden hat, ist in der Ausführung von Entwurfsarbeiten durch einen als Architekt ausgebildeten Diplom-Ingenieur – auch in der künstlerischen Oberleitung der nach seinen Plänen errichteten Neubauten – eine typische Architektentätigkeit zu sehen, auch wenn der Steuerpflichtige als Haupteinkünfte solche aus nichtselbständiger Arbeit als Professor für bildende Künste bezog. Auch in dem Urteil vom 16. Januar 1975 IV R 75/74 (BFHE 115, 42, BStBl II 1975, 558) wurden die aus der Teilnahme an Ideenwettbewerben auf dem Gebiet des Städtebaues bezogenen Einkünfte einer BGB-Gesellschaft, der vier Diplom-Ingenieure der Fachrichtung Architektur angehörten, als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG behandelt. Dabei wurde davon ausgegangen, daß zu den Berufsaufgaben des Architekten die künstlerische, technische und wirtschaftliche Planung von Bauwerken auf dem Gebiet des Hochbaues sowie die Ausarbeitung städtebaulicher Pläne gehört und damit auch die Teilnahme an städtebaulichen Ideenwettbewerben; denn diese haben nur die grundsätzliche Vorklärung einer Aufgabe in städtebaulicher und programmatischer Hinsicht zum Ziele und machen einen typischen und wesentlichen Teil der Berufsaufgaben eines Architekten aus. Die im Planen und Entwerfen bestehende schöpferische Betätigung auf diesem Gebiete, das zum Berufsbild eines Architekten gehört, ist jedenfalls als dieser Berufstätigkeit ähnlich zu qualifizieren, wenn sich die Betätigung auf der Grundlage einer dem entsprechenden Katalogberuf gemäßen Vorbildung vollzieht.

2. Die Darstellung des FG, daß die Teilnahme an dem städtebaulichen Ideenwettbewerb keine typische, praktische, tägliche Berufsarbeit des angestellten Architekten eines Stadtplanungsamtes sei, hat demgegenüber kein Gewicht. Voraussetzung der Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG ist die Abgrenzbarkeit der fraglichen Nebeneinkünfte von den Einkünften aus einer Berufstätigkeit. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Tätigkeit des Klägers für die Teilnahme an dem Wettbewerb – so das FG-Urteil – „hinsichtlich des Inhalts und des Umfangs aus dem Rahmen seiner sonstigen Arbeit” fiel, sondern darauf, ob die Tätigkeit für den Wettbewerb als die Arbeit eines Architekten gewertet werden muß. Der Umstand, daß der Kläger, um den Wettbewerbsbedingungen zu genügen, eigene und zum Teil neue Verfahren entwickeln mußte, mag zwar die Schwierigkeit der Wettbewerbsaufgabe bestätigen, ist aber nicht geeignet, die Tätigkeit des Klägers für den Wettbewerb als eine von der Berufstätigkeit eines Architekten abgrenzbare Betätigung zu charakterisieren.

3. Die Auffassung des Klägers, seine Tätigkeit für den Wettbewerb könne deshalb nicht als Berufstätigkeit eines Architekten angesehen werden, weil er diese Tätigkeit nicht nachhaltig, d. h. mit der Absicht der Wiederholung ausgeübt habe, vielmehr nur ein einziges Mal an einem solchen Wettbewerb beteiligt gewesen sei und eine Wiederholungsabsicht nicht bestanden habe, ist nicht zu billigen.

Der Begriff der Nachhaltigkeit der Betätigung i. S. einer mit der Absicht der Wiederholung ausgeübten Tätigkeit (§ 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung – GewStDV–) ist geeignet, einzelne Vorgänge des Wirtschaftslebens (Verkauf einer Briefmarkensammlung, Bau und Verkauf eines Hauses) noch als in den privaten Bereich gehörend oder als bereits gewerblich gesehen einzuordnen. Eine gelegentliche Betätigung braucht nicht die Gewerbesteuerpflicht auszulösen (vgl. Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., § 2 Anm. 23 – S. 36 q –). Anderes gilt indessen bei der Beurteilung von Einkünften aus selbständiger Arbeit und bei Ausübung der sogenannten Katalogberufe nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Denn nach § 18 Abs. 2 EStG sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit auch dann steuerpflichtig, wenn es sich nur um eine vorübergehende Tätigkeit handelt. Der Arzt im Ruhestand, der sich zur Vornahme einer einmaligen Operation bereit erklärt, der ehemalige Rechtsanwalt, der noch ein Mandat übernimmt, und der emeritierte Architekturprofessor, der sich noch einmal zur Planung eines Hauses drängen läßt, erzielen nicht Einkünfte aus Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG, sondern Einkünfte aus freier Berufstätigkeit, bei deren Ermittlung dann gegebenenfalls 5 v. H. der Einnahmen nach § 18 Abs. 4 EStG abgesetzt werden können.

Es kann nicht entscheidend sein, ob sich der Kläger, wie das FA nunmehr vorträgt, bereits an einem anderen städtebaulichen Wettbewerb beteiligt hat oder ob er in den Folgejahren vielleicht die Absicht hatte, an gleichartigen Wettbewerben teilzunehmen. Die Beteiligung des Klägers an diesem städtebaulichen Ideenwettbewerb mit einer erforderlichen Bearbeitungszeit von mehreren Monaten muß als Betätigung im Rahmen der Berufstätigkeit von Architekten gewertet werden.

Das FG-Urteil, das zu Unrecht die Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 EStG angenommen hat, ist deshalb aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.

II. Anschlußrevision der Kläger

Die Kläger beantragen, ihnen über die vom FG gewährte Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG hinaus auch die Ermäßigungsvorschrift des § 34 Abs. 3 EStG zuzubilligen. Da indessen § 34 Abs. 4 EStG nicht zur Anwendung kommen kann und die Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG bereits vom FA in der Einspruchsentscheidung berücksichtigt wurde, kann der Bundesfinanzhof über die Rechtmäßigkeit der Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG nicht entscheiden. Die auf die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 4 und des § 34 Abs. 3 EStG zielende Revision der Kläger ist deshalb im Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BFHE 1980, 504

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