Leitsatz (amtlich)

Die durch die EWG-Abschöpfungsbestimmungen 1962 vorgeschriebene Warenverkehrsbescheinigung D.D.4 ist – außer im Reiseverkehr – das einzig zugelassene Mittel für den Nachweis der für die Anwendung des innergemeinschaftlichen Abschöpfungssatzes erforderlichen Umstände.

 

Normenkette

ZG § 12 Abs. 3; AZO § 22 Abs. 2; AbG § 2; EWGV 19/62 Nr. 14

 

Tatbestand

Die Klägerin ließ Ende September 1963 algerische Weizenkleie der Tarifnr. 23.02 – A - I - b - 1 des Abschöpfungstarifs (AbT) zum freien Verkehr abfertigen. Das Zollamt (ZA) erhob die Abschöpfung nach dem Drittlands-Abschöpfungssatz von 48,09 DM/t Eigengewicht. Die Klägerin ist dagegen der Meinung, daß der innergemeinschaftliche Abschöpfungssatz der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) für Einfuhren aus Frankreich (17,16 DM/t) anzuwenden sei, weil das früher mit Frankreich verbundene Algerien als EWG-Land anzusehen sei. Das Hauptzollamt (HZA) lehnte den Einspruch der Klägerin ab, weil die auf Grund der Entscheidung der EWG-Kommission vom 17. Juli 1962 (BZBl 1962, 658) in Verbindung mit den EWG-Abschöpfungsbestimmungen 1962 (BZBl 1962, 660; 1963, 194) Nrn. 14, 15 eingeführte Warenverkehrsbescheinigung (WVB) nach dem Muster D.D.4 nicht von der Klägerin vorgelegt worden sei.

Mit der Berufung machte die Klägerin geltend, daß Algerien keine D.D.4-Bescheinigungen ausstelle. Aus der vorgelegten D.D.1-Bescheinigung ergebe sich, daß die Ware tatsächlich aus Algerien stamme. Algerien werde von der Einfuhr- und Vorratsstelle (EVSt) als Mitgliedstaat der EWG behandelt, wie sich z. B. aus der im Bundesanzeiger (BAnz) Nr. 20 vom 30. Januar 1963 veröffentlichten Ausschreibung ergebe. Nach Ziff. 14 der EWG-Abschöpfungsbestimmungen 1962 sei die Vorlage einer D.D.4-Bescheinigung nur „grundsätzlich” als Beweismittel für die Herkunft der Ware aus einem Mitgliedstaat zu fordern. Auch nach Nrn. 27 ff. der EWG-Zoll-Bestimmungen 1964 könne der Ursprungsnachweis durch Vorlage eines Ursprungszeugnisses geführt werden. Der Bundesminister der Finanzen (BdF) lasse also durchaus Ausnahmen von dem Grundsatz der Vorlage einer WVB zu.

Die Berufung blieb erfolglos.

Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde macht die Klägerin zusätzlich zu ihrem Vorbringen in der Vorinstanz geltend, daß man aus der Entscheidung der EWG-Kommission vom 17. Juli 1962 nicht entnehmen könne, daß die D.D.4-Bescheinigung ausschließlich als Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Abschöpfungssätze vorliegen müsse. Wie auch die Zitierung der Rechtsgrundlage in Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) zeige, stelle die Entscheidung lediglich eine Methode der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten dar. Sie beinhalte nicht, daß diese Methode der Zusammenarbeit ausschließlich und ohne jede Ausnahme anzuwenden sei. Es sei auch nirgendwo gesagt, daß die in Art. 7 der Entscheidung aufgeführten Ausnahmefälle die einzigen seien, in denen auf die Vorlage der WVB-D.D.4 verzichtet werden könne. Da es sich um die Auslegung von Handlungen der Organe der Gemeinschaft handele, beantragt die Klägerin, die Frage dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV vorzulegen. Sie habe auf die Ausschreibung der EVSt vertraut. Diese hätte eine unmögliche Einfuhr angekündigt, wenn man die Vorlage einer Bescheinigung verlange, die Algerien in keinem Falle ausstelle. Das Risiko einer solchen grundlegenden Fehlentscheidung der deutschen oder möglicherweise auch der europäischen Behörden könne man nicht dem einzelnen Importeur auferlegen.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Abschöpfungsbescheide des ZA aufzuheben, anstelle des angewendeten Abschöpfungssatzes den am Tage der Einfuhr geltenden Abschöpfungssatz für Einfuhren aus den Mitgliedstaaten der EWG anzuwenden und den zuviel abgeschöpften Betrag von 3 156,20 DM zu erstatten.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Vorentscheidung hat es zutreffend dahinstehen lassen, ob Einfuhren abschöpfungspflichtiger Waren aus Algerien wie französische Waren zu behandeln sind. Denn auch für den Fall, daß Algerien wie ein EWG-Mitgliedstaat zu behandeln ist, können die innergemeinschaftlichen Abschöpfungssätze bei Nichtvorlage der in den EWG-Abschöpfungsbestimmungen 1962 Nr. 3 der Vorbemerkungen vorgeschriebenen WVB nach dem Muster D.D.4 nicht angewendet werden. Die Notwendigkeit des Nachweises in dieser Form beruht nicht auf der Entscheidung der EWG-Kommission vom 17. Juli 1962. Diese ist an die Mitgliedstaaten der EWG gerichtet und nur für diese verbindlich (Art. 189 Abs. 4 EWGV). Sie enthält keine Rechtsnormen und begründet keine unmittelbaren Rechte und Pflichten des einzelnen. Da es demgemäß bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit des Verlangens eines bestimmten Nachweises nicht um die Auslegung eines Aktes der EWG-Organe geht, scheidet eine Vorlage an den EGH aus.

Die Mitgliedstaaten sind allerdings auf Grund der vorgenannten Entscheidung verpflichtet, entsprechende nationale Bestimmungen zu erlassen, was durch die EWG-Abschöpfungsbestimmungen 1962 geschehen ist. Diese sind zwar in Gestalt eines BdF-Erlasses ergangen. Sie erfüllen aber, da im BAnz (Nr. 141 von 1962) veröffentlicht, die in § 22 Abs. 2 Satz 1 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) – also in einer Rechtsverordnung, die auf Grund von § 12 Abs. 3 des ZG ergangen ist – vorgesehene Form der Anordnung eines bestimmten Nachweises abgabenmäßig vorteilhafter Umstände, § 12 Abs. 3 ZG findet gemäß § 2 des Abschöpfungserhebungsgesetzes (AbG) auch auf Abschöpfungsregelungen Anwendung mit der Maßgabe, daß der günstigeren Zollbehandlung im Sinn des § 12 Abs. 3 ZG die günstigere innergemeinschaftliche Abschöpfungsbehandlung entspricht.

Die mit den Abschöpfungsbestimmungen im BAnz veröffentlichte WVB-D.D.4 stellt daher gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 AZO das einzige zugelassene Beweismittel für die Anwendung des innergemeinschaftlichen Abschöpfungssatzes dar. Daß dies der Gesetzgeber so gewollt hat, ergibt sich auch aus der Begründung des Entwurfs zu § 12 ZG (BZBl 1962, 36, 46). Danach mußte für bestimmte Tatsachen die Form des Beweises so festgelegt werden, daß andere Beweismittel ausgeschlossen sind. „Die Eigenschaft einer Ware als EWG-Ware kann nur durch bestimmte in diesen Gemeinschaften vereinbarte Bescheinigungen nachgewiesen werden.”

Die Klägerin will aus dem in Nr. 14 der Abschöpfungsbestimmungen gebrauchten Wort „grundsätzlich” herleiten, daß auch Ausnahmen zulässig sein müßten. Der Zusammenhang, in dem dieses Wort gebraucht wird, läßt aber keine solche Auslegung zu. Nr. 14 Satz 2 a. a. O. sieht zwei Formen des Nachweises vor, nämlich „grundsätzlich” die Vorlage der WVB-D.D.4 und für Waren, die im Reiseverkehr eingeführt werden, nicht zum Handel oder zur gewerblichen Verwendung bestimmt sind und keinen höheren Wert als 240 DM haben, eine glaubhafte Versicherung des Reisenden. Dem Wort „grundsätzlich” kann daher nur die Bedeutung einer Abgrenzung gegenüber dem Ausnahmefall des Reiseverkehrs zukommen, nicht aber die einer allgemeinen Zulassung auch anderer Beweismittel in Ausnahmefällen.

Unter den jeweiligen Voraussetzungen sind demnach ausschließlich die WVB-D.D.4 und die Versicherung des Reisenden als Beweismittel zugelassen. Eine andere Deutung könnte auch nicht dem Zweck des Präferenznachweises für den innergemeinschaftlichen Warenverkehr gerecht werden, wie sich schon aus der oben angeführten Begründung des § 12 ZG ergibt. Die Echtheit der Vordrucke für die WVB ist durch die Verwendung bestimmter Papiersorten, durch den grünen guillochierten Überdruck, durch den Druckvorbehalt für Staatsdruckereien oder besonders zum Druck ermächtigte Druckereien usw. gesichert (siehe Entscheidung der EWG-Kommission über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen hinsichtlich der Anwendung des Art. 9 Abs. 2 EWGV vom 5. Dezember 1960, BZBl 1960, 782). Auch der Text auf der Rückseite des Musters der WVB, der den Vordruck für die Nachprüfung durch die Zollstelle, die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Ausstellung und den Anwendungsbereich der WVB, die Vorlagefrist usw. enthält, läßt erkennen, daß die innergemeinschaftlichen Abschöpfungen nicht ohne die Vorlage der WVB angewendet werden können. Schließlich erfordern schon die einheitliche Handhabung innerhalb der sechs EWG-Staaten sowie die Abfertigung bei den einzelnen Zollstellen, die mit den Einzelheiten der gemeinschaftlichen Marktordnungen nicht in gleichem Maße vertraut sind, ein einheitliches Nachweispapier, das nicht durch beliebige andere Nachweise ersetzt werden kann. Im Gegensatz zu den von der Klägerin angeführten Nrn. 27 ff. der EWG-Zollbestimmungen 1964 (BZBl 1963, 918) ist nach Nr. 5 der EWG-Abschöpfungsbestimmungen 1962 der Nachweis für Abschöpfungswaren mit Ursprung in den assoziierten überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten durch andere Bescheinigungen nicht vorgesehen, weil sie bei der Einfuhr und Ausfuhr wie Drittlandswaren behandelt werden.

Die Vorentscheidung hat der Klägerin auch zutreffend keinen Vertrauensschutz im Hinblick auf die Ausschreibung der EVSt zugebilligt. Als Importeurin mußte sich die Klägerin rechtzeitig mit den maßgebenden Einfuhrbestimmungen vertraut machen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs V z 112/55 vom 11. April 1957, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1957 S. 217 und VII 185/57 U vom 28. Oktober 1958, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 68 S. 27, BStBl III 1959, 11). Die Ausschreibung der EVSt eröffnete lediglich die Möglichkeit, ab 2. Februar 1963 Einfuhrgenehmigungen/Einfuhrlizenzen zu beantragen, wobei in Nr. 9 des Vordruckes anzugeben war, ob Ursprungsland ein EWG-Land – Algerien ist als EWG-Land in der Ausschreibung aufgeführt – oder ein sonstiges Land ist. Am Schluß war darauf hingewiesen, daß Einfuhrgenehmigungen/Einfuhrlizenzen nur von den Einfuhrbeschränkungen der Verordnung Nr. 19 EWG und des Außenwirtschaftsgesetzes und der hiernach erlassenen Rechtsvorschriften befreien, nicht aber von den Verboten und Beschränkungen auf Grund anderer Rechtsvorschriften. Wenn die Klägerin auch aus der Angabe, daß Algerien zu den EWG-Ländern rechnet, annehmen konnte, daß der innergemeinschaftliche Abschöpfungssatz in Betracht käme, so mußte sie sich doch vergewissern, ob sie auch die besonders vorgeschriebenen Voraussetzungen nach den EWG-Abschöpfungsbestimmungen 1962 erfüllen konnte. Wie die Tatsache der im Streitfall erfolgten Einfuhr zeigt, hat die EVSt keine objektiv unmögliche Einfuhr angekündigt. Die EVSt kann keinen Einfluß darauf ausüben, daß ausländische Behörden die vorgeschriebenen Ursprungszeugnisse oder WVB ausstellen.

 

Fundstellen

BFHE 1968, 362

EuR 1969, 167

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