Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Erstattet ein Lebensversicherungsverein a. G. die Beiträge der Mitglieder in Höhe des Gewinnes mit der satzungsgemäßen Maßgabe zurück, daß 10 v. H. des Gewinnes zur Verfügung der Mitgliederversammlung gestellt oder sonstigen Rücklagen zugeführt werden können, so sind bis zur Beschlußfassung der bilanzfeststellenden Organe die 10 v. H. des Gewinnes nicht mit 90 v. H. ihres Wertes abzugsfähig.

 

Normenkette

BewG §§ 62, 103; BewDV § 53 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige ist ein Lebensversicherungsverein auf Gegenseitigkeit im Sinne des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 (RGBl I S. 315). Die den einzelnen Verträgen zugrunde liegenden allgemeinen Lebensversicherungsbedingungen der Steuerpflichtigen bestimmen in § 11, daß die Versicherten nach Maßgabe des jeweils von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplanes am überschuß beteiligt sind. Die am Stichtage geltende Satzung bestimmt bezüglich der überschußverteilung in § 31 Abs. 3 bis 6 folgendes:

"(3) Der nach der Rechnungslegung verfügbar bleibende Betrag ist als überweisung an die geschäftsplanmäßigen Gewinnrückstellungen für die Mitglieder auszuweisen; jedoch können bis zu insgesamt 10 v. H. dieses Betrages statt dessen auch sonstigen Rücklagen zugeführt oder als etwaiger Reingewinn zur Verfügung der Mitgliederversammlung gestellt werden.

Der vom Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung genehmigte Geschäftsplan bestimmt, wie die überweisung an die Gewinnrückstellungen der Mitglieder auf die einzelnen Gewinnverbände und an die Mitglieder aufzuteilen ist. Die Aufteilung auf die Gewinnverbände wird im Jahresbericht des Vereins bekanntgegeben.

Anspruch auf einen Gewinnanteil haben nur diejenigen Versicherungen, die am Schlusse des Geschäftsjahres, für welches die Bilanz aufgestellt wird, in Kraft waren. Der Anspruch verfällt, wenn eine Versicherung vor Zahlung des vollen ersten Jahresbeitrages gekündigt wird.

Der vom Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung genehmigte Geschäftsplan (Absatz 4) kann nur mit Zustimmung dieser Aufsichtsbehörde, dann aber auch mit Wirkung für bereits bestehende Versicherungsverhältnisse, abgeändert werden."

In ihrer Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1953 gab die Steuerpflichtige einen Betrag von 12.323.884,83 DM als "Gewinnrückstellung der mit Gewinnanteil Versicherten" an, der sich aus dem Bestande der Gewinnrückstellung am Währungsstichtage in Höhe von 3.547.526,36 DM und aus Zuweisungen aus den überschüssen II/1948 bis einschließlich 1952 in Höhe von 8.776.358,47 DM zusammensetzte. Die Steuerpflichtige setzte 90 v. H. des Gesamtbetrages, also 11.091.496,35 DM, als Schuldposten ab. Bei der vorläufigen Feststellung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes gemäß § 100 AO auf den 1. Januar 1953 berechnete das Finanzamt diesen Schuldposten wie folgt:

Gewinnrückstellung am 21. Juni 1948 ---------- 3.547.526,36 DM Zuweisungen II/1948 bis 1952 ------------------- 8.776.358,47 DM hiervon ab 10 v. H. ---------- 877.635,84 DM - 7.898.722,63 DM Gewinnrückstellung am 31. Dezember 1952 ------------------------ 11.446.248,99 DM.Von diesem Betrage setzte das Finanzamt nach der Vorschrift des § 53 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) 90 v. H. des Wertes = 10.301.624,10 DM als Schuldposten ab. Die Vorinstanzen kürzten den aus den Zuweisungen II/1948 bis 1952 bestehenden Anteil der Gewinnrückstellung vorab um 10 v. H. Nach Ansicht des Finanzamts war dieser Teil des überschusses am Bilanzstichtage noch keine abzugsfähige Last, weil dessen Zuweisung erst nach dem Stichtage erfolgte und der Zuweisungsbeschluß nicht auf den Stichtag rückwirke.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führt aus, nach dem klaren Wortlaut der Satzung stände es im freien Ermessen des Vorstandes und Aufsichtsrates, 10 v. H. als Gewinnreserve oder aber zu sonstigen Rücklagen nach der Satzung zu verwenden. Bis zum satzungsmäßigen Beschluß der Verwaltungsorgane über die Verwendung dieser 10 v. H. des überschusses sei dieser überschußanteil überhaupt keine Last des Betriebsvermögens. Erst durch den in jedem Jahre neu zu fassenden Beschluß der nach dem im Bewertungsrecht geltenden Stichtagsprinzip nur für die Zukunft gelten könne, würden diese 10 v. H. zur Gewinnreserve und damit zu einem unechten Schuldposten im Sinne von § 53 Abs. 4 BewDV gemacht.

In der Rb. weist die Bfin. darauf hin, daß der nach § 63 Des Bewertungsgesetzes (BewG) für den Bestand und die Bewertung des Betriebsvermögens maßgebende Abschluß zum 31. Dezember 1952 erst am 28. Oktober 1954 zusammen mit den Abschlüssen für die Zeit ab 21. Juni 1948 vom Vorstand und Aufsichtsrat der Bfin hätte festgestellt werden können. Diese verspätete Feststellung der ersten DM-Jahresabschlüsse sei darauf zurückzuführen, daß die Prüfung und Bestätigung der Umstellungsrechnungen durch die Aufsichtsbehörde abgewartet werden mußte, da diese Ausgangspunkt der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) und der Folgebilanzen bildeten. Somit habe die Zuweisung der überschüsse der Geschäftsjahre II/1948 bis 1952 erst nach dem Feststellungsstichtage zum 1. Januar 1953 vorgenommen werden können.

§ 53 Abs. 4 BewDV bestimme lediglich, daß die Rücklagen für Beitragsrückerstattungen nur mit 90 v. H. ihres Wertes abzugsfähig seien. BewG und BewDV enthielten keine Bestimmung über die Verwendungssicherung. Für die Abzugsfähigkeit der Rücklagen für Beitragsrückerstattungen sei nicht erforderlich, daß am Stichtage eine echte Schuldverpflichtung des Versicherungsnehmers bzw. ein klagbarer Anspruch der einzelnen Versicherungsnehmer bestanden habe; es genüge eine satzungsmäßige Ermächtigung zur überweisung des überschusses an die geschäftsplanmäßige Rücklage für Beitragsrückerstattungen. Die in dem ordnungsmäßig festgestellten Jahresabschlüsse ausgewiesene Rücklage für Beitragsrückerstattungen sei (mit 90 v. H. ihres Wertes) in die Vermögensaufstellung als Schuldposten zu übernehmen, wenn am Bilanzstichtage die oben angeführten Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung nach § 53 Abs. 4, a. a. O., insbesondere die Sicherung des Verwendungszweckes, erfüllt seien.

In der mündlichen Verhandlung wies die Steuerpflichtige insbesondere darauf hin, daß nach der Satzung grundsätzlich der gesamte überschuß der Rücklage zuzuweisen und darum nach ihrer Ansicht die Zuweisung durch den Beschluß der bilanzfeststellenden Organe auflösend bedingt sei. Bis zu dieser Beschlußfassung sei der gesamte überschuß wie die Rücklage als unbedingt zugewiesen zu behandeln.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine Schuld der Bfin. im Sinne des § 62 Abs. 1 BewG gegenüber den Versicherungsnehmern mit der Bildung der überschußrücklage am Stichtage noch nicht bestanden hat. Es liegt auch keine versicherungstechnische Rücklage im Sinne des § 53 Abs. 1 BewDV vor, vielmehr eine Rücklage des überschusses zum Zwecke späterer Verteilung an die Mitglieder, die nach § 53 Abs. 4 BewDV mit 90 v. H. ihres Wertes abzugsfähig ist.

Die Vorinstanzen haben mit Recht nur 90 v. H. des überschusses als rücklagefähigen Betrag angesehen, da nach § 31 Abs. 3 der am Stichtage geltenden Satzung 10 v. H. des überschusses nach dem Ermessen des Vorstandes auch anderen Rücklagen zugeführt werden können. Es kann der Bfin. nicht in der Ansicht zugestimmt werden, daß bis zu einer Beschlußfassung durch den Vorstand der gesamte überschuß für Beitragsrückerstattungen zurückzulegen sei. Nach der Satzung ist das Schicksal der 10 v. H. bis zur Beschlußfassung offen, jedenfalls aber der Rücklage für Beitragsrückerstattungen noch nicht zugewiesen und auch nicht auflösend bedingt zuzuweisen, wie die Bfin. meint. Erst wenn die zuständigen Organe beschließen, daß dieser Betrag nicht anderweitig zu verwenden, sondern der Rücklage zuzuführen ist, kann er als Berechnungsgrundlage für den abzugsfähigen Betrag im Sinne des § 53 Abs. 4 BewDV anerkannt werden. Diese Tatsache ist auch nicht dadurch ausgeräumt, daß der Beschluß im vorliegenden Falle durch die späte Prüfung seitens der Aufsichtsbehörde erst mehrere Jahre nach dem Währungsstichtage gefaßt werden konnte. Solange kein Beschluß besteht, ist keine Zuweisung zu der Rücklage für Beitragsrückerstattungen erfolgt; der Beschluß kann auch nicht dadurch ersetzt werden, daß bisher von einer anderweitigen Verwendung der 10 v. H. nicht Gebrauch gemacht worden ist. Darum muß der Ansicht der Bfin. widersprochen werden, es genüge bereits die satzungsmäßige Ermächtigung zu der Zuweisung an die Rücklagen; denn nach § 53 Abs. 4 BewDV sind nur die bereits bestehenden "Rücklagen" abzugsfähig.

Unzutreffend ist auch der Hinweis der Bfin. auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu den echten Schuldposten. Nach ständiger Rechtsprechung (zutreffend auch Urteil des Reichsfinanzhofs III 333/38 vom 7. März 1940, RStBl 1940 S. 540) sind am Stichtage der Höhe nach noch unbestimmte Tantiemen des Aufsichtsrates als Betriebsschulden abzugsfähig, falls ihre Gewährung nicht in das Ermessen der Generalversammlung gestellt ist, sondern einen genau bestimmten Teil des Reingewinnes ausmacht. Diese Rechtsprechung kann aber nicht im Sinne der Rb. gewertet werden, weil die hier in Rede stehenden 10 v. H. erst nach dem Beschluß der zuständigen Organe den Rücklagen für Beitragsrückerstattungen zugeführt werden. Diesem Beschluß kann auch keine rückwirkende Kraft beigemessen werden, weil durch ihn erst die Zuweisung möglich ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410393

BStBl III 1962, 180

BFHE 1962, 477

BFHE 74, 477

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