Leitsatz (amtlich)

1. Das sog. Stuttgarter Verfahren ist auch anwendbar bei der Bewertung der Anteile an einer GmbH, die Komplementärin einer GmbH & Co. KG ist.

2. Bei der Bewertung der Anteile an einer solchen Komplementärs-GmbH dürfen die Ertragsaussichten der GmbH aus ihrer Beteiligung an der KG nicht außer Betracht bleiben.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 13; VStR 1963 Abschn. 78, 81

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewertung der GmbH-Anteile an der Revisionsklägerin (im folgenden GmbH genannt) zum 31. Dezember 1962.

Gesellschafter der GmbH sind Eheleute; ihre Anteile betragen 90 bzw. 10 v. H. Die GmbH ist persönlich haftende Gesellschafterin einer KG, bei der die Eheleute Kommanditisten sind. Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung auf den 31.12.1962 errechnete das FA (= Revisionsbeklagter) den gemeinen Wert der Anteile an der GmbH auf 1 910 DM je 100 DM Nennkapital unter Berücksichtigung eines Vermögenswertes von 784 v. H. und des Ertragshundertsatzes von 488 v. H. Gegen diese Feststellung erhob die GmbH Einspruch mit der Begründung, daß die Einbeziehung der Ertragsaussichten in die Bewertung der Anteile wirtschaftlich und sachlich nicht vertretbar sei. Der Wert einer juristischen Person, die Komplementärin einer Personengesellschaft sei, sei niemals höher als der Wert des Anteils einer natürlichen Person, "die mit der juristischen Person nur Kommanditist und Anteilseigner, ohne sie aber unmittelbar Komplementär dieser Gesellschaft sei". Kein Käufer des Unternehmens oder auch einzelner Anteile der GmbH werde mehr zahlen als den Wert der Stammeinlage + Reserven.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Berufung hin ermäßigte das FG den Wert der Anteile auf 1 426 DM je 100 DM Nennkapital. Es begründete seine Entscheidung wie folgt: Da der gemeine Wert der Anteile aus Verkaufspreisen nicht abgeleitet werden könne, weil Verkaufsfälle nicht vorlägen, müsse er unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft geschätzt werden. Hierbei könnten die in dem sogenannten Stuttgarter Verfahren niedergelegten Richtlinien nach der Rechtsprechung als geeignete Bewertungsgrundlage herangezogen werden. Für die Frage, ob Ertragsaussichten vorliegen, komme es nicht darauf an, ob die Kapitalgesellschaft Mitunternehmerin einer Personengesellschaft sei und über diese am wirtschaftlichen Verkehr teilnehme, oder ob sie selbst einen eigenen Geschäftsbetrieb entwickle. Entscheidend sei allein, ob die GmbH eigene Erträge habe. Das sei unstreitig der Fall. Es könne allenfalls fraglich sein, wie die Aussichten auf künftige Erträge (im Veräußerungsfall) zu bewerten seien. Im Streitfall bestehe aber kein Anlaß zu einer Bewertung der Ertragsaussichten mit 0 DM, wie dies von der Klägerin beantragt werde. Die in Abschnitt 7 der Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften - AntBewR 1957 - (BStBl I 1958, 25) beispielsweise aufgeführten Ausnahmefälle lägen nicht vor. Daß die Kommanditisten als beherrschende Gesellschafter die Ertragsaussichten der GmbH bestimmten, beeinflusse den gemeinen Wert der GmbH-Anteile nicht. Es treffe nicht zu, daß niemand die Anteile erwerben könne, ohne jegliche Gewinnaussichten zu verlieren. Diese Vorstellung habe ihren Grund in einer gewissen Gebundenheit der Anteile infolge der Eigenart der GmbH als Familiengesellschaft. Einer Familiengesellschaft sei es aber regelmäßig eigentümlich, daß für einen Erwerb von Geschäftsanteilen nur ein begrenzter Käuferkreis in Betracht komme. Eine hierin begründete schwere Verkäuflichkeit der Anteile könne nicht durch Abschläge ausgeglichen werden. Ebensowenig könne die Sonderstellung der Gesellschafter der GmbH als Kommanditisten der KG nicht zu einer Nichtberücksichtigung der Ertragsaussichten führen, zumal diese Bindung der Anteile auf nach § 10 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) nicht zu berücksichtigenden persönlichen Verhältnissen beruhe. Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, daß die Veräußerung an ein Familienmitglied erfolgen werde, das bereit sei, dafür auch einen angemessenen, dem inneren Wert entsprechenden Preis zu bezahlen. Es sei aber darauf abzustellen, wie nach den Verhältnissen vom Stichtag (31. Dezember 1962) voraussichtlich in der Folgezeit sich der Gewinn entwickeln werde. Da der Gewinn des Jahres 1963 weniger als 1/4 des Jahresertrags 1962 und wenig mehr als 1/3 des vom FA errechneten Durchschnittsertrags betrage, könne davon ausgegangen werden, daß für die Zukunft ein wesentlich geringerer Durchschnittsertrag zu erwarten sei. Bei der Ertragsberechnung sei daher an Stelle des Gewinns des Jahres 1962 der niedrigere Gewinn des Jahres 1963 zugrunde zu legen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, die seit der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist. Die GmbH trägt zur Begründung ihrer Revision unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen ergänzend noch folgendes vor:

Nach zivilrechtlichen Grundsätzen sei es nicht erforderlich, daß eine GmbH am Gewinn der KG beteiligt werde; es sei noch nicht einmal von Bedeutung, ob der GmbH ihre Unkosten erstattet würden. Daß im Streitfall der GmbH als Komplementärin der KG beachtliche Gewinne zugebilligt würden, geschehe lediglich deshalb, weil nach allgemeiner Auffassung ein Gewinnverzicht der GmbH gegen § 19 KStDV verstoßen würde. Eine Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren scheide aus, da der Anteil einer nur als Komplementärin fungierenden GmbH nur einen Vermögens-, aber keinen Ertragswert haben könne. Das Stuttgarter Verfahren gehe aber gerade von der Bewertung nach einem Ertragswert aus. Eine Komplementärs-GmbH könne nicht einer Gesellschaft gleichgestellt werden, die selbständig am wirtschaftlichen Verkehr teilnehme, die durch Werbung und Leistung einen bekannten Namen und einen wertvollen Kundenstamm erwerbe und deren Anteile wesentlich geringeren Veräußerungsbeschränkungen unterlägen als die Anteile an einer Komplementärs-GmbH. Werde im Steuerrecht die GmbH & Co. KG als Personengesellschaft behandelt, so müsse dies allgemein und mithin auch für § 56 BewG gelten, da sonst die Kontinuität steuerrechtlicher Behandlungsweise ohne jeden Grund durchbrochen werde. Die Rechtsprechung zur Besteuerung der Familiengesellschaften könne auf den vorliegenden Fall einer Komplementärs-GmbH nicht übertragen werden. Für die Bewertung der Anteile an der GmbH könne nur die Tatsache, daß sie Komplementärfunktion habe, in der Bewertung ausschlaggebend sein. Bei der Bewertung der Anteile an der GmbH müsse daher berücksichtigt werden, daß im Streitfall nur Kommanditisten Stammanteile an der GmbH erwerben könnten. Würde die GmbH aus dem Verband der KG herausgelöst und verselbständigt, so hätte sie keine Einnahmen mehr und wäre nur ein leerer Mantel. Der Ansatz eines Ertragswertes sei daher nicht gerechtfertigt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 13 BewG sind Anteile an einer GmbH mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Der gemeine Wert der Anteile ist beim Fehlen von Verkaufspreisen unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. Auf die Ausführungen, die der Senat zur Berechnung des gemeinen Werts von GmbH-Anteilen unter Verwendung der AntBewR 1953 und 1957 in den Urteilen III 396/58 S vom 19. Dezember 1960 (BFH 72, 241, BStBl III 1961, 92) und III 261/59 U vom 6. April 1962 (BFH 74, 682, BStBl III 1962, 253) gemacht hat, wird Bezug genommen. Sie gelten auch für die hier vorgenommene Bewertung der Anteile in Anlehnung an die VStR 1963.

Das sogenannte Stuttgarter Verfahren (Abschn. 77 ff. VStR 1963) stellt bei der Bewertung auf den Vermögenswert ab und berücksichtigt die Ertragsaussichten grundsätzlich nur als Korrektivposten. Dieses Verfahren ist in ständiger Rechtsprechung des Senats als ein geeignetes und bewährtes Hilfsmittel zur Findung des gemeinen Werts und zur Herbeiführung einer gleichmäßigen Besteuerung angesehen worden (siehe z. B. Entscheidung des BFH III 21/64 vom 11. Juli 1967, BFH 89, 479, BStBl III 1967, 666).

Daß es Fälle geben kann, in denen bei Ermittlung des gemeinen Werts von nichtnotierten Anteilen die Ertragsaussichten außer acht gelassen werden können, ergibt sich aus Abschn. 81 Abs. 1 VStR 1963. Die hierzu in Abschn. 81 Abs. 2 VStR 1963 genannten Ausnahmefälle rechtfertigen jedoch nicht, bei der Bewertung der im Streitfall vorliegenden GmbH-Anteile die Ertragsaussichten außer acht zu lassen. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß es unbeachtlich ist, ob eine GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb hat und sich mit ihm am allgemeinen Wirtschaftsverkehr beteiligt, oder ob sie nur die Funktion einer Komplementärin bei einer KG hat. Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art sind veranlaßt durch die engen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern der GmbH und den Kommanditisten der GmbH & Co. KG, die häufig - wie auch im Streitfall - identisch sind. Die Kommanditisten können Anteile an der GmbH erwerben; bei der Bewertung der Anteile an der GmbH muß auf diesen Erwerberkreis abgestellt werden. Daß der Kreis der Erwerber nur klein ist, hat aus den weiter unten darzulegenden Gründen keinen Einfluß auf den gemeinen Wert der GmbH-Anteile. Der Kommanditist bezieht die Tatsache seiner gleichzeitig bestehenden Beteiligung an der GmbH in seine Überlegungen mit ein und berücksichtigt damit auch die Interessen "seiner" GmbH. Die Komplementärs-GmbH ist daher entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin kein "leerer Mantel", bei dem die Ertragsaussichten keine Berücksichtigung finden könnten.

Unstreitig fließen der GmbH im Streitfall nicht unbeachtliche Gewinnanteile der KG zu. Daß dies nur, wie die GmbH behauptet, deshalb geschehe, weil nach allgemeiner Auffassung eine Gewinnbeteiligung der GmbH im Hinblick auf § 19 KStDV notwendig sei, ist unbeachtlich. Daß es sich im Streitfall um eine Familien-GmbH handelt, ist in der Vorinstanz zutreffend festgestellt worden. Ist dies aber der Fall, so gelten auch die Grundsätze des erkennenden Senats über die Bewertung von nichtnotierten Anteilen bei Familien-GmbH. Soweit hierbei persönliche Verhältnisse auf die Vertragsgestaltung eingewirkt haben, müssen diese nach § 10 BewG außer Betracht bleiben. Schon der Reichsfinanzhof (RFH) hat in ständiger Rechtsprechung hervorgehoben, daß namentlich bei Familiengesellschaften die leichtere oder schwerere Verkäuflichkeit oder Abtretbarkeit des Anteils keine entscheidende Bedeutung habe. Er hat dies damit begründet, daß der aus der Eigenart der Familiengesellschaft sich ergebenden schwereren Beweglichkeit der Anteile auf der anderen Seite auch gewisse Vorzüge (innere Stärke, Straffung der Verwaltung, Geschäftspolitik auf lange Sicht) gegenüberstehen und weil die Bedingungen hinsichtlich der Anteile letzten Endes und regelmäßig persönliche Verhältnisse darstellten, die nach den Bewertungsgrundsätzen des § 10 BewG nicht zu berücksichtigen seien (RFH-Entscheidung III A 37/37 vom 8. Juni 1937, RStBl 1937, 929).

Hinsichtlich der beschränkten Veräußerungsmöglichkeit hat der RFH im Urteil III 202/37 vom 28. Januar 1938 (RStBl 1938, 363) unter anderem ausgeführt: "Der Kreis der Käufer für derartig gebundene Anteile wird stets nur sehr klein sein. Wer einen solchen Anteil kauft, wird seine Berechnung nicht allein nach dem Vermögen der Gesellschaft anstellen." Der Senat sieht keine Veranlassung, im Streitfall hiervon abzuweichen. Damit steht fest, daß weder die Tatsache, daß es sich bei der GmbH im Streitfall um eine Komplementärs-GmbH handelt, noch die weitere Tatsache, daß hinsichtlich der Veräußerung der GmbH-Anteile Beschränkungen bestehen, Umstände sind, die eine Außerachtlassung der Ertragsaussichten bei der Bewertung der Anteile der GmbH rechtfertigen könnten.

Was die Höhe der Bewertung angeht, so vermag der Senat der vom FG vorgenommenen Berechnungsart allerdings nicht zu folgen. Die Einbeziehung des Gewinnes des Jahres 1963 in den dreijährigen Ertragszeitraum widerspricht dem bewertungsrechtlichen Stichtagsprinzip. Es ist dem FG zuzustimmen, daß der auf außergewöhnlichen Verhältnissen beruhende hohe Gewinn des Jahres 1962 zu einer falschen Beurteilung der zukünftigen Ertragsaussichten führen würde. Der zukünftige Ertrag ist daher zu schätzen (siehe auch Abschn. 78 Abs. 2 VStR 1963). Der Senat ist aber der Ansicht, daß das FG bei einer erneuten Schätzung unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Streitfalles zu keiner - wesentlichen - Abweichung gegenüber dem von ihm ermittelten Wert kommen würde; er sieht daher von einer Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das FG ab. Die Revision erweist sich somit in vollem Umfang als unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68433

BStBl II 1969, 225

BFHE 1969, 535

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