Leitsatz (amtlich)

Ein Verspätungszuschlag kann auch bei der Festsetzung eines Gewerbesteuer-Meßbetrags festgesetzt werden. Rechtsgrundlagen dafür sind § 168 Abs. 2 und § 212 a Abs. 2 AO.

 

Normenkette

AO § 168 Abs. 2, § 212a Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob nach verspäteter Abgabe der Steuererklärung bei der Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrags ein Verspätungszuschlag gemäß § 768 Abs. 2 AO festgesetzt werden kann.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der bereits im Steuerermittlungs- und Festsetzungsverfahren durch seinen derzeitigen Prozeßbevollmächtigten (Bevollmächtigten) vertreten wurde, gab seine Steuererklärungen für 1964 nicht innerhalb der dafür vom Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein bestimmten Frist zur Abgabe von Steuererklärungen bei Steuerpflichtigen, die durch Angehörige der steuerberatenden Berufe vertreten werden – 30. September 1965 bzw. 31. Dezember 1965 –, ab. Nach einem entsprechenden Hinweis des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt – FA –) bat der Bevollmächtigte des Klägers, die Steuererklärungen für den Kläger im Dezember 1965 abgehen und die Reihenfolge der weiter in den folgenden Monaten noch abzugebenden Erklärungen für andere Mandanten untereinander austauschen zu können. Darauf antwortete das FA, daß es die Fristverlängerung genehmige. Mit Schreiben vom 11. Februar 1966 wies das FA den Bevollmächtigten darauf hin, daß die Steuererklärungen des Klägers noch nicht eingegangen seien und mit Schätzungen und Verspätungszuschlägen zu rechnen sei, wenn die Erklärungen nicht bis zum 25. Februar 1966 abgegeben würden.

Durch Bescheid vom 2. März 1966 setzte das FA mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen einen einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag für 1964 und wegen Nichtabgabe der Erklärung einen Verspätungszuschlag lest. Auf die Beschwerde wurde der Verspätungszuschlag auf 60 DM herabgesetzt.

Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1971 S. 295 (EFG 1971, 295) veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus: Zwar könne die Festsetzung eines Verspätungszuschlags wegen nicht rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung bei der Festsetzung eines Gewerbesteuer-Meßbetrags nicht unmittelbar auf § 168 Abs. 2 AO gestützt werden, da der Zuschlag nicht von einer Steuer festgesetzt werde. Ebensowenig könne die Festsetzung eines Verspätungszuschlags aus § 26 Abs. 1 GewStDV 1961 hergeleitet werden weil für diese Vorschrift eine Ermächtigungsgrundlage fehle. Für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei der Festsetzung eines Gewerbesteuer-Meßbetrags sei aber § 168 Abs. 2 AO über § 212 a Abs. 2 AO entsprechend anwendbar. Im Streitfall sei die Festsetzung des Verspätungszuschlags dem Grund und der Höhe nach gerechtfertigt da der Kläger seine Steuererklärung schuldhaft verspätet – das Verschulden seines Bevollmächtigten sei ihm zuzurechnen – abgegeben habe.

Mit der Revision wird unrichtige Anwendung der §§ 168 Abs. 2, 212 a Abs. 2 AO gerügt und geltend gemacht, § 168 Abs. 2 AO könne im Gewerbesteuer-Meßbetragsverfahren weder unmittelbar noch mittelbar über § 212 a Abs. 2 AO angewendet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der Vorentscheidung ist darin beizutreten, daß ein Verspätungszuschlag auch dann festgesetzt werden kann, wenn die verspätete Abgabe einer Steuererklärung nicht zur Festsetzung einer Steuer, sondern zur Festsetzung eines Gewerbesteuer-Meßbetrags fuhrt. Dies wurde bisher auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) angenommen (vgl. z. B. Urteile vom 18. April 1962 V 290/59, Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK –, Reichsabgabenordnung § 93, Rechtsspruch 11; vom 6. November 1969 IV 249/64, BFHE 97, 405, BStBl II 1970, 168).

a) Richtig ist, daß § 26 Abs. 1 GewStDV 1961 keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bietet. Eine Rechtsverordnung ist nur dann anwendbar, wenn ein förmliches Gesetz die Ermächtigung zu dieser Verordnung gibt und Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung mit hinreichender Deutlichkeit aus diesem Gesetz hervorgehen (vgl. z. B. BVerfGE 19, 354). Für § 26 Abs. 1 GewStDV 1961 gibt es keine derartige Ermächtigungsgrundlage im GewStG 1961, Soweit in § 35 c GewStG 1961 Ermächtigungen enthalten sind lassen sich insbesondere die unter Nr. 1 b) und c) dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestände auch bei Anwendung allgemeiner Auslegungsgrundsätze nicht als Grundlage für § 26 Abs. 1 GewStDV 1961 begreifen. Während die letztgenannte Vorschrift formelles Recht betrifft, wird in § 35 c Nr. 1 a) und b) GewStG 1961 der Wen für die Regelung von materiellen Steuertatbeständen eröffnet (vgl z. B. BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 I R 20/70, BFHE 102, 285, BStBl II 1971, 594).

b) Richtig ist auch, daß die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei der Festsetzung eines Gewerbesteuer-Meßbetrags nicht unmittelbar auf § 168 Abs. 2 AO gestützt werden kann. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut gestattet diese Vorschrift nur die Festsetzung eines Verspätungszuschlags von der Steuer. Ein Meßbetrag ist indessen keine Steuer i. S. von § 1 AO, sondern lediglich die Bemessungsgrundlage, nach der eine Steuer festgesetzt wird.

c) Zutreffend ist die Auffassung des FG, daß bei der Festsetzung eines Gewerbesteuer-Meßbetrags ein Verspätungszuschlag in entsprechender Anwendung von § 168 Abs. 2 AO festgesetzt werden kann, weil dies in § 212 a Abs. 2 AO vorgesehen ist.

Daß eine entsprechende Anwendung der Vorschrift über den Verspätungszuschlag aus § 212 a Abs. 2 AO abgeleitet werden kann ergibt sich aus dem Wortlaut der letztgenannten Vorschrift, mit dem eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Festsetzung der Steuern angeordnet wird. Es kann hier dahinstehen, ob § 212 a Abs 2 AO lediglich eine entsprechende Anwendung von Vorschriften über die Festsetzung der Steuern oder auch eine sinngemäße Anwendung aller Vorschriften über die Ermittlung der Steuern ermöglicht. Den Ermittlungsvorschriften steht § 168 Abs. 2 AO nicht naher als den Vorschriften über die Festsetzung der Steuern. Zwar ist Zweck dieser Vorschrift, den Steuerpflichtigen zur Erfüllung seiner Erklärungspflichten anzuhalten und einen ordnungsgemäßen Gang der Veranlagung zu sichern. Gleichwohl ist § 168 Abs. 2 AO keine reine Ermittlungsvorschrift, weil sie in einem engen Zusammenhang mit der Steuerfestsetzung steht. Die endgültig festgesetzte Steuer ist nicht nur Bemessungsgrundlage für den Verspätungszuschlag, eine Steuerfestsetzung – und entsprechend die Festsetzung eines Meßbetrags – ist notwendige Voraussetzung für die Festsetzung des Verspätungszuschlags.

2. Die Vorentscheidung ist auch sonst nicht zu beanstanden. Sie hat sich im einzelnen mit der Frage nach der Entschuldbarkeit der Fristüberschreitung sowie einer etwa unbilligen Erhebung des Verspätungszuschlags befaßt und dies unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände zutreffend verneint. Hiergegen sind mit der Revision auch keine Einwendungen erhoben worden.

 

Fundstellen

BFHE 1978, 13

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge