Leitsatz (amtlich)

Der Einheitswert einer Krankenanstalt bleibt, wenn die Voraussetzungen des § 73b BewG erfüllt sind, bei der Ermittlung des Gesamtvermögens und des Inlandsvermögens des Eigentümers nur dann außer Ansatz, wenn er positiv ist. Ein negativer Einheitswert einer gemeinnützigen Krankenanstalt ist dagegen bei der Ermittlung des Gesamtvermögens und des Inlandsvermögens des Eigentümers zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 73b

 

Tatbestand

Die Kläger wurden zusammen auf den 1. Januar 1960 zur Vermögensteuer veranlagt. Dabei ließ das FA den für die vom Kläger zu 1. betriebene Privatklinik zum 1. Januar 1960 festgestellten negativen Einheitswert von 484 000 DM außer Betracht. Es folgte der Auffassung, die der Betriebsprüfer bei einer im Jahre 1964 durchgeführten Betriebsprüfung vertreten hatte, daß dieser negative Einheitswert nach § 73b Abs. 1 BewG bei der Ermittlung des Gesamtvermögens außer Ansatz bleiben müsse. Das steuerpflichtige Vermögen wurde auf 247 000 DM und die Jahressteuerschuld ab 1. Januar 1960 auf 2 360 DM festgesetzt.

Die Sprungberufung, mit der die Kläger den Ansatz des negativen Einheitswerts beim Gesamtvermögen erstrebten, hatte keinen Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: § 73b BewG sei in seinem Wortlaut unmißverständlich. Deshalb komme eine Auslegung gegen den Wortlaut nur in Betracht, wenn der Streitfall einen Sonderfall beträfe, für den der Wille des Gesetzgebers nicht zum Ausdruck gekommen sei. Das treffe für § 73b BewG jedoch nicht zu. Diese Vorschrift habe den Zweck, die privaten Krankenanstalten den Krankenanstalten der öffentlichen Hand, die nach § 1 VStG nicht vermögensteuerpflichtig seien, und den Krankenanstalten der gemeinnützigen Körperschaften, die nach § 3 Nr. 6 VStG von der Vermögensteuer befreit seien, gleichzustellen. Dieser Zweck werde auch dann erreicht, wenn der negative Einheitswert nicht angesetzt werde.

Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, rügen die Kläger unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Sie sind nach wie vor der Auffassung, daß § 73b BewG eine Gesetzeslücke enthalte und deswegen gegen seinen Wortlaut ausgelegt werden müsse.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß nach dem eindeutigen Wortlaut des § 73b BewG auch der negative Einheitswert einer Privatkrankenanstalt bei der Ermittlung des Gesamtvermögens außer Ansatz bleiben müßte, wenn im übrigen die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Der Senat folgt jedoch nicht der Auffassung des FG, daß diese sich aus dem Wortlaut des § 73b BewG ergebende Folge auch nicht durch eine Auslegung gegen den Wortlaut beseitigt werden könne. Das FG hat zwar nicht verkannt, daß eine solche Auslegung nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zulässig ist. Es hält sie jedoch im Streitfall deswegen nicht für möglich, weil es der Ansicht ist, daß der mit § 73b BewG allein erstrebte Zweck auch dann erreicht werde, wenn der negative Einheitswert einer Privatkrankenanstalt nicht angesetzt wird. Diesen alleinigen Zweck sieht das FG in einer Gleichstellung der auf gemeinnütziger Basis betriebenen Privatkrankenanstalten mit den Krankenanstalten der öffentlichen Hand und den von gemeinnützigen Körperschaften unterhaltenen Krankenanstalten.

Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung mit Recht darauf hingewiesen, daß diese Gleichstellung nicht der einzige mit § 73b BewG erstrebte Gesetzeszweck ist. Mit dieser auf Grund eines Initiativantrags aus der Mitte des Bundestags eingefügten Vorschrift sollte vielmehr darüber hinaus den Inhabern von Privatkrankenanstalten, die auf gemeinnütziger Basis betrieben werden, ein steuerlicher Vorteil gegenüber den Inhabern von Privatkrankenanstalten, bei denen diese Voraussetzung nicht vorliegt, gegeben werden. Es handelt sich also um eine gezielte Steuervergünstigung, die mit Rücksicht darauf gewährt wurde, daß die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für die Inhaber dieser Krankenanstalten mit erheblichen finanziellen Beschränkungen verbunden ist. Diese beabsichtigte Steuervergünstigung würde aber in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man nach dem Wortlaut des § 73b BewG auch den negativen Einheitswert einer gemeinnützigen Privatkrankenanstalt außer Ansatz lassen würde. Denn dann würden die Inhaber gemeinnütziger Privatkrankenanstalten gegenüber den Inhabern anderer Privatkrankenanstalten nicht nur nicht begünstigt, sondern sogar benachteiligt werden. Die im Gesetz enthaltene, im Wortlaut zu weit gefaßte Regelung muß deshalb auf den nach dem Zweck des Gesetzes notwendigen Anwendungsbereich zurückgeführt werden. Diese sogenannte teleologische Restriktion ist eine in der Rechtslehre und Praxis anerkannte Methode bei der Anwendung und Auslegung der Gesetze (vgl. Urteil des BFH IV 26/62 S vom 21. Februar 1964, BFH 78, 490, BStBl III 1964, 188, und die dort angeführten Hinweise auf Schrifttum und Rechtsprechung). Sie führt hier dazu, daß § 73b BewG so ausgelegt werden muß, daß nur positive Einheitswerte gemeinnütziger Krankenanstalten bei der Ermittlung des Gesamtvermögens außer Ansatz bleiben, negative Einheitswerte dagegen zu berücksichtigen sind.

Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Nach Abzug des negativen Einheitswerts für die Privatkrankenanstalt des Klägers zu 1. auf den 1. Januar 1960 in Höhe von minus 484 000 DM verbleibt kein steuerpflichtiges Vermögen der Kläger auf diesen Stichtag. Die Vermögensteuer war deshalb ab 1. Januar 1960 auf 0 DM festzusetzen.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 200

BFHE 1970, 567

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