Leitsatz (amtlich)

Scheiden alle bisherigen Gesellschafter aus einer KG aus und führt der gleichzeitig eingetretene neue Inhaber das Unternehmen fort, so liegt darin ein Wechsel der wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens. Ein solcher Inhaberwechsel des Unternehmens ist eine Geschäftsveräußerung im ganzen (§ 85 Abs. 1 UStDB 1951).

 

Normenkette

UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 4 Nr. 8; UStDB 1951 § 85 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) war bis zum 3. Januar 1963 eine KG mit den Gesellschaftern A als Komplementär und B und C als Kommanditisten.

Am 3. Januar 1963 schlossen die Gesellschafter mit dem jetztigen Alleininhaber D einen Vertrag ab, wonach D in die KG eintrat und gleichzeitig die bisherigen Gesellschafter aus der KG ausschieden. D führte die Steuerpflichtige als Einzelfirma fort. Für die Aufgabe seiner Einlage erhielt C von D 10 000 DM. Den beiden anderen ausscheidenden Gesellschaftern standen Ansprüche nicht zu. Alle drei ausscheidenden Gesellschafter wurden von etwaigen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft freigestellt. Nach der Bilanz der Steuerpflichtigen auf den 31. Dezember 1962 standen den Besitzposten in Höhe von 25 000 DM Schulden in Höhe von 35 000 DM gegenüber.

Das FA beurteilte den Vorgang als Geschäftsveräußerung im ganzen und zog ihn gemäß § 85 UStDB 1951 mit 1 v. H. zur Umsatzsteuer heran. Die Steuerpflichtige war der Auffassung, D sei als persönlich haftender Gesellschafter in die KG eingetreten, erst danach seien die ursprünglichen Gesellschafter A, B und C aus der Gesellschaft ausgetreten; D sei infolgedessen durch Anwachsen aller Gesellschaftsrechte in seiner Person Alleininhaber der Firma geworden, nicht aber durch eine Geschäftsveräußerung im ganzen.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Mit der als Revision zu behandelnden Rb. (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO) rügt die Steuerpflichtige, die Vorinstanz habe zu Unrecht den Sachverhalt nicht als Umsatz von Anteilen an Gesellschaften beurteilt, der gemäß § 4 Nr. 8 UStG umsatzsteuerfrei sei, und damit Bundesrecht verletzt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Zutreffend hat die Vorinstanz den Eintritt des D in die KG unter gleichzeitigem Ausscheiden der bisherigen Gesellschafter als Geschäftsveräußerung im ganzen beurteilt. Die Veräußerung eines Geschäfts im ganzen (§ 85 Abs. 1 UStDB) ist gegeben, "wenn ein Unternehmen ... im ganzen übereignet wird". Eine Übereignung im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn das Unternehmen in der Weise auf den Erwerber übertragen wird, daß dieser in der Lage ist, wirtschaftlich wie ein Eigentümer über das Unternehmen zu verfügen. Im vorliegenden Fall hat der wirtschaftliche Eigentümer des Unternehmens gewechselt. Damit aber ist der Tatbestand des § 85 Abs. 1 UStDB 1951 erfüllt. Wirtschaftlicher Kern des Vertrages, auf Grund dessen alle bisherigen Gesellschafter aus der KG ausgeschieden sind und der neue Inhaber das Unternehmen fortführt, ist nicht das Auswechseln von Gesellschaftern, sondern der Übergang des Unternehmens von der bisherigen Gesellschaft auf den jetzigen Alleininhaber. Hierin liegt nicht - wie die Steuerpflichtige meint - ein nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfreier Vorgang; denn die bisherigen Gesellschafter haben - wirtschaftlich gesehen - nicht ihre Gesellschaftsanteile an einen Dritten veräußert, sondern das gesamte Unternehmen dem Dritten übertragen, auch wenn die Vertragspartner diesen Vorgang in die Form eines Gesellschafterwechsels kleideten.

Das Ziel der Vereinbarungen zwischen den ursprünglichen Inhabern und dem jetzigen Alleininhaber bestand darin, das Unternehmen zu einem angemessenen Preis zu veräußern. Das ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern auch aus den Umständen des Falles (die Schulden des Unternehmers überwiegen die Besitzposten erheblich; außer einer Zahlung an einen der Gesellschafter werden alle Gesellschafter von allen etwaigen Verpflichtungen freigestellt).

Zu Unrecht beruft sich die Steuerpflichtige auf die Urteile des Reichsfinanzhofs V A 5/34 vom 18. Januar 1935 (Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 37 S. 196) und VI 145/41 vom 28. September 1944 (RStBl 1945, 28). In beiden Urteilen wird der Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters und die Fortführung des Unternehmens durch den anderen Gesellschafter oder die verbliebenen Gesellschafter behandelt, nicht aber Fälle des Unternehmerwechsels (siehe zu der hier streitigen Rechtsfrage auch das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats V 80/64 vom heutigen Tage).

Unerheblich ist für die Entscheidung, warum die ehemaligen Gesellschafter die Übertragung des Unternehmens auf den jetzigen Inhaber in die Form des Eintritts in die KG unter gleichzeitigem Ausscheiden der bisherigen Gesellschafter gekleidet haben. Denn umsatzsteuerrechtlich kommt es nur darauf an, ob eine Übertragung des Unternehmens stattgefunden hat.

Hiervon abgesehen handelt es sich bei dem diesbezüglichen Vorbringen der Steuerpflichtigen um neue Tatsachen, die im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden können (§ 118 FGO).

Die Geschäftsveräußerung ist entgeltlich erfolgt. Das Entgelt besteht außer in der Zahlung der 10 000 DM an C darin, daß die ausscheidenden Gesellschafter von allen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft freigestellt wurden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68042

BStBl II 1968, 507

BFHE 1968, 123

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