Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung des Verfahrens wegen eines Änderungsbescheids; Zulässigkeit der Klage gegen Folgebescheid

 

Leitsatz (NV)

1. Durch den Beschluß des Großen Senats des BFH GrS 1/72 (BFHE 108,1 BstBl II 1973, 231), wonach das Verfahren über den ursprünglichen Bescheid bis zum Abschluß des Verfahrens über den Berichtigungsbescheid auszusetzen ist, wird nicht jeglicher Fortgang des bisherigen Verfahrens ausgeschlossen; der Zurückverweisung der Sache an das FG steht demnach nichts im Wege.

2. Eine gegen einen Folgebescheid gerichtete Klage, die auf Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid gestützt ist, ist zunächst unbegründet, nicht dagegen unzulässig.

 

Normenkette

FGO §§ 74, 42

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist über einen Treuhänder an einer Unterbeteiligungsgesellschaft beteiligt. Für diese Gesellschaft hat das zuständige Betriebsfinanzamt am 29. April 1983 einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr erlassen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat die geltend gemachten (gewerblichen) Verluste aus der Beteiligung des Klägers nicht berücksichtigt.

Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unzulässig ab. Zur Begründung führte es u. a. aus, die im negativen Gewinnfeststellungsbescheid als dem Grundlagenbescheid enthaltene Regelung sei im Einkommensteuerbescheid als dem Folgebescheid ,,automatisch" übernommen worden. Insoweit habe dieser Bescheid eine selbständige Regelung nicht getroffen. Den von dem Kläger gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens lehnte das FG ab, weil bei einer unzulässigen Klage eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht kommen könne.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 42, 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG). Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Grundlagenbescheid müsse das Verfahren ausgesetzt werden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Außerdem stellt er unter Hinweis auf den für das Streitjahr ergangenen Änderungsbescheid vom 3. Februar 1984 in einem weiteren Schriftsatz den Antrag, das Revisionsverfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einspruch gegen diesen Bescheid auszusetzen (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Die beantragte Aussetzung des Verfahrens kann für das Revisionsverfahren nicht in Betracht kommen. Wie sich aus den Gründen des Beschlusses des Großen Senats des BFH in BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231 ergibt, ist bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens über den Berichtigungsbescheid nicht jeglicher Fortgang des bisherigen Verfahrens ausgeschlossen, sondern nur dessen endgültiger Abschluß. Damit steht der Zurückverweisung der Sache - und der sich erst daran anschließenden Aussetzung des Verfahrens durch das FG - nichts im Wege. Mit der Aussetzung des bisherigen Verfahrens soll - insbesondere für den Fall der Aufhebung des Änderungsbescheids - die Fortführung des bisherigen Verfahrens ermöglicht werden. Im Revisionsverfahren erscheint die Aussetzung deshalb nur sinnvoll, wenn der BFH zu gegebener Zeit in der Sache selbst entscheiden könnte. Dieser Fall kann indes nicht eintreten, weil tatsächliche Feststellungen zur materiellen Rechtslage nicht vorliegen und der Senat gehindert ist, solche Feststellungen selbst zu treffen (§ 118 Abs. 2 FGO).

2. Das FG hat zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen. Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ergibt sich aus § 42 FGO nur die Rechtsfolge, daß eine gegen einen Folgebescheid erhobene Klage, die auf Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid gestützt ist, zunächst unbegründet, nicht dagegen unzulässig ist (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 2. September 1987 I R 162/84, BFHE 151, 104, BStBl II 1988, 142 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen. Der Senat teilt diese Auffassung. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen im Urteil I R 162/84 verwiesen.

Ob es die - danach zulässige - Klage als unbegründet abweist oder aber das Klageverfahren gemäß § 74 FGO aussetzt, steht dabei im Ermessen des FG. Dazu nimmt der Senat auf die BFH-Urteile vom 24. April 1979 VIII R 57/76 (BFHE 128, 136, BStBl II 1979, 678) und vom 14. Februar 1984 VIII R 126/82 (BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580) Bezug.

3. Das FG wird nunmehr im Hinblick auf den ergangenen Änderungsbescheid das Verfahren aussetzen müssen (BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Für das weitere Verfahren wird es erforderlichenfalls die Grundsätze unter 2. zu beachten haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415457

BFH/NV 1989, 309

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