Leitsatz (amtlich)

Zur Tarifierung gewürzten Schinkenspecks.

 

Normenkette

GZT Zusätzliche Vorschrift 6 zu Kap. 2; GZT Vorschrift zu Kap. 16; GZT Tarifnr. 02.06; GZT Tarifnr. 16.02; EWGV 3678/83

 

Tatbestand

Die Beklagte (die Oberfinanzdirektion – OFD –) erteilte der Klägerin am 15. März 1984 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über „Südtiroler Bauernschinkenspeck – Marke X-Speck –”. Bei der Ware handelt es sich um ein annähernd dreieckig zugeschnittenes, ca. 4,5 cm dickes, rohes, gepökeltes Schinkenspeckteil mit Schwarte ohne Knochen, dessen Oberfläche mit Ausnahme der Schnittfläche überwiegend mit Pfeffer und grob gemahlenen Gewürzen bedeckt ist. Die OFD wies die Ware der Tarifst. 02.06 B I b 5 aa des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Mit ihrer Sprungklage – der die OFD zugestimmt hat – begehrt die Klägerin die Aufhebung dieser vZTA. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus:

Die Ware falle unter die Tarifst. 16.02 B III a 2 aa 11 GZT. Die OFD stütze sich für ihre Gegenauffassung zu Unrecht auf den Wortlaut der Zusätzlichen Vorschrift 6 c zu Kap. 2 GZT. Diese Vorschrift sei nicht anwendbar. Sie sei durch die Verordnung (EWG) Nr. 3678/83 (VO Nr. 3678/83) der Kommission vom 23. Dezember 1983 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – L 336/53 vom 28. Dezember 1983) in Kap. 2 GZT eingefügt worden. Diese Verordnung sei ungültig, da sie den Inhalt des GZT ändere und der Kommission für eine solche Änderung die Befugnis fehle. Aber auch wenn man von der Gültigkeit der VO Nr. 3678/83 ausgehe, könne die Ware nicht der Tarifnr. 02.06 GZT zugewiesen werden. Dem stehe die Zusätzliche Vorschrift 6 c zu Kap. 2 GZT entgegen. Durch die Würzung habe die Ware den Charakter eines Erzeugnisses der Tarifnr. 02.06 GZT verloren.

Die OFD beantragt, die Klage als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen. Sie macht geltend: Die VO Nr. 3678/83 sei gültig. Die Kommission sei zu ihrem Erlaß durch die Art. 24 Abs. 3 i. V. m. Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2759/75 (VO Nr. 2759/75) des Rates vom 29. Oktober 1975 (ABlEG L 282/1 vom 1. November 1975) ermächtigt worden. Überdies verändere die VO Nr. 3678/83 den Inhalt der Tarifnrn. 02.06 und 16.02 GZT nicht. Sie verdeutliche vielmehr nur die bis zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 17. März 1983 Rs. 175/82 (EuGHE 1983, 969) bestehende und auf die Erläuterungen zur Tarifnr. 02.06 GZT gestützte Tarifierung. Ihr Zweck sei, bestimmte, nicht auf der ganzen Oberfläche oder geschmacklich nicht wahrnehmbar gewürzte Fleischsorten den gleichen Abschöpfungsregelungen zu unterwerfen wie für ungewürzte Erzeugnisse. Dies geschehe durch die Zuweisung stark gewürzten Fleisches zur Tarifnr. 16.02 GZT. Daraus folge, daß schwach gewürztes Fleisch zur Tarifnr. 02.06 GZT gehöre. Dies hätte aber eine Änderung des Inhalts der Tarifnr. 02.06 GZT bedeutet, durch die bisher immer auch stark gewürzte Schinken erfaßt worden seien. Daher habe eine Ausnahme für derartige Waren geschaffen werden müssen. Sie sei in der Zusätzlichen Vorschrift 6 a Satz 1 zu Kap. 2 GZT mit den Worten „– außer den unter Buchstabe c beschriebenen Erzeugnissen –” ausgedrückt. Der Zusätzlichen Vorschrift 6 a sei zu entnehmen, daß es stark gewürztes Fleisch gäbe, das nicht unter die Tarifnr. 16.02 GZT falle. Stark gewürztes Fleisch verbleibe dann in der Tarifnr. 02.06 GZT, wenn die in der Zusätzlichen Vorschrift 6 c geregelte weitere Voraussetzung erfüllt sei. Es müsse sich also um eine Ware handeln, die ihrem Charakter nach in diese Tarifnummer passe, d. h. – abgesehen vom starken Würzen – lediglich gesalzen, getrocknet und/oder geräuchert sei. Die streitbefangene Ware habe durch die Würzung den Charakter eines Erzeugnisses der Tarifnr. 02.06 GZT nicht verloren. Dies ergebe sich unmittelbar aus ihrer Beschaffenheit.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die OFD hat die zu tarifierende Ware in der vZTA zu Unrecht der Tarifst. 02.06 B I b 5 aa GZT zugewiesen. Die vZTA war daher aufzuheben.

1. Das Kap. 2 GZT umfaßt nur Fleisch und genießbaren Schlachtabfall, die frisch, gekühlt, gefroren, gesalzen oder in Salzlake, getrocknet oder geräuchert sind. Wird Fleisch nach anderen als diesen in Kap. 2 GZT aufgeführten Verfahren zubereitet oder haltbar gemacht, so ist es in das Kap. 16 GZT einzuordnen. Das ergibt sich sowohl aus der Vorschrift zu Kap. 16 GZT als auch aus dem Wortlaut der Tarifnr. 16.02 GZT. Der EuGH hat diese Auffassung bestätigt (EuGHE 1983, 969, 976, Abs. 5 und 6 der Gründe).

Das Würzen von Fleisch – das nicht wie das Salzen der Haltbarmachung dient – ist ein Verfahren der Zubereitung, das in Kap. 2 GZT nicht aufgeführt ist. Es stellt also eine andere Art der Zubereitung i. S. der Tarifnr. 16.02 GZT dar.

Die Oberfläche der zu tarifierenden Ware ist – mit Ausnahme der Schnittfläche – überwiegend mit Pfeffer und anderen Gewürzen bedeckt. Die Ware ist also „anders zubereitet” i. S. der Tarifnr. 16.02 GZT. Ihre Zuweisung zu Kap. 2 GZT scheidet daher aus (vgl. das zitierte EuGH-Urteil und die Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens – ErlNRZZ – in Teil I der Erläuterungen zum Zolltarif – ErlZT – zur Tarifnr. 16.02, Rdnr. 6).

2. Diese Auffassung wird durch die Zusätzliche Vorschrift 6 zu Kap. 2 GZT bestätigt.

Nach Buchst. a Satz 1 dieser Vorschrift gehört „gewürztes Fleisch” zu Kap. 16 GZT. Das ist nach Satz 2 a. a. O. „ungegartes Fleisch, das im Inneren oder auf der ganzen Oberfläche derart gewürzt ist, daß die Würzstoffe mit bloßem Auge oder deutlich durch Geschmack wahrnehmbar sind”. Die zu tarifierende Ware erfüllt diese Voraussetzungen; die Würzung ist auf der ganzen Oberfläche (mit Ausnahme der Schnittfläche) verteilt, und die Würzstoffe sind mit bloßem Auge wahrnehmbar.

Nach Buchst. c der Zusätzlichen Vorschrift 6 zu Kap. 2 GZT verbleiben jedoch Erzeugnisse der Tarifnr. 02.06 GZT in dieser Tarifnummer, „wenn ihnen bei ihrer Herstellung Würzstoffe zugesetzt sind, sofern dadurch nicht der Charakter eines Erzeugnisses der Tarifnr. 02.06 verändert wird”. Es stellt sich die Frage, ob diese Vorschrift im Zusammenhang mit der Vorschrift des Buchst. a zu verstehen und dahin auszulegen ist, daß Fleisch, dem Würzstoff im Sinne des Buchst. a zugesetzt worden sind, stets den Charakter eines Erzeugnisses der Tarifnr. 02.06 verliert, oder ob – wie die OFD meint – nach der Vorschrift des Buchst. c in Abweichung von der Regelung des Buchst. a auch „gewürztes Fleisch” im Sinne des Buchst. a im Kap. 2 GZT verbleiben soll, wenn nur sich der Charakter der Ware als der eines Erzeugnisses der Tarifnr. 02.06 GZT durch die Würzung nicht verändert hat. Der erkennende Senat braucht diese Frage im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Denn bei richtiger Auslegung der Vorschrift des Buchst. c ist jedenfalls für das zu tarifierende Erzeugnis davon auszugehen, daß es durch die Würzung den Charakter eines Erzeugnisses der Tarifnr. 02.06 GZT verloren hat.

Die Zusätzliche Vorschrift 6 zu Kap. 2 GZT ist durch Art. 2 VO Nr. 3678/83 in den GZT eingeführt worden. Sie hatte, wie sich aus Absatz 1 ihrer Erwägungsgründe ergibt, zum Ziel, Fleisch, dessen Würzung nicht auf der ganzen Oberfläche verteilt und für das bloße Auge oder den Geschmack nicht wahrnehmbar ist, der Tarifnr. 02.06 GZT zuzuweisen. Solche Erzeugnisse, denen „kleine Mengen Würzstoffe … hinzugefügt” worden sind, sollten in der Tarifnr. 02.06 GZT verbleiben (Absatz 2 der Erwägungsgründe). Die Verordnung ist ersichtlich eine Reaktion auf das zitierte EuGH-Urteil in EuGHE 1983, 969. Sie wollte sicherstellen, daß jedenfalls eine Ware wie jene, die Gegenstand des EuGH-Urteils war (Würzung nur mikroskopisch feststellbar), im Gegensatz zur Auffassung des EuGH in der Tarifnr. 02.06 GZT verblieb.

Entsprechend dieser Entstehungsgeschichte ist die Zusätzliche Vorschrift 6 c zu Kap. 2 GZT dahin auszulegen, daß nur eine schwache Würzung – d. h. eine solche, die wegen ihrer geringen Intensität die Ware praktisch kaum verändert – den Charakter einer Ware der Tarifnr. 02.06 GZT unberührt läßt. Nur eine solche Auslegung ordnet sich auch ohne Schwierigkeiten in die Systematik ein, in der die Kap. 2 und 16 im Rahmen des GZT stehen. Nur wenn die Würzung wegen ihrer Geringfügigkeit vernachlässigt werden kann, ist davon auszugehen, daß das so gewürzte Erzeugnis noch den Charakter einer Ware der Tarifnr. 02.06 GZT behalten hat, einer Ware nämlich, die keiner anderen Zubereitung als der des Salzens, Trocknens oder Räucherns unterzogen worden ist

3. Bei dieser Auslegung der Zusätzlichen Vorschrift 6 zu Kap. 2 GZT stellt sich die Frage nach deren Gültigkeit nicht. Sie bestätigt nur das aus den übrigen Vorschriften des GZT gewonnene Auslegungsergebnis. Auch wenn sie ungültig wäre, wäre das Tarifierungsergebnis das gleiche.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510458

BFHE 1985, 174

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