Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die durch das StändG 1961 geforderte Streitwertgrenze von 1.000 DM ist erstmals auf Fälle anzuwenden, in denen der Rechtsstreit nach dem 31. August 1961 beim Finanzgericht anhängig geworden ist. Der Rechtsstreit wird auch anhängig, wenn das Rechtsmittel gemäß § 249 Abs. 3 AO bei der Geschäftsstelle der Behörde angebracht ist, deren Bescheid angefochten wird.

 

Normenkette

AO § 249 Abs. 3; FGO §§ 64, 66; AO § 286; FGO § 115/1, § 121

 

Gründe

Zu prüfen war zunächst, ob die Rb. zulässig ist. Nach § 286 Abs. 1 AO in der Fassung des Art. 17 Nr. 14 des Steueränderungsgesetzes (StändG) 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl 1961 I S. 981) ist die Rb. nur gegeben, wenn der Streitwert mehr als 1.000 DM beträgt oder wenn das Finanzgericht die Rb. wegen der Grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat. Nach Art. 18 a. a. O. ist die Vorschrift über die Streitwertgrenze von 1.000 DM erstmals auf Fälle anzuwenden, in denen der Rechtsstreit nach dem letzten Tage des auf die Verkündung des StändG 1961 folgenden Kalendermonates bei Gericht anhängig wird. Das StändG 1961 ist im BGBl vom 20. Juli 1961 (Teil I S. 981) verkündet worden. Die Streitwertgrenze von 1.000 DM gilt deshalb für die Fälle, die nach dem 31. August 1961 bei Gericht anhängig geworden sind. Unter Gericht ist das Finanzgericht zu verstehen. Die Berufung vom 4. August 1961 wurde an das Finanzamt gerichtet und ist bei ihm am 5. August 1961 eingegangen. Das Finanzamt hat sie nach Eingang der Begründung am 13. Oktober 1961 dem Finanzgericht - an demselben Tage dort eingegangen - vorgelegt. Wesentlich ist sonach, ob der Rechtsstreit bereits mit dem Eingange der Berufung beim Finanzamt oder erst beim Finanzgericht - nach Weiterleitung durch das Finanzamt - bei "Gericht anhängig" geworden ist. Der Begriff "bei Gericht anhängig" ist der AO fremd. In der Zivilprozeßordnung (ZPO) wird "Anhängigkeit" (vgl. z. B. die §§ 64, 66, 176, 217 ZPO) im Sinne der Rechtshängigkeit gebraucht, die durch Erhebung der Klage und Zustellung durch das Gericht an den Beklagten begründet wird (§§ 263 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO). Aus diesen Vorschriften läßt sich für die hier zu entscheidende Frage nichts entnehmen. Für eine ausdehnende Auslegung des Begriffes "bei Gericht anhängig" im Sinne des Art. 18 StändG 1961 spricht § 249 Abs. 3 AO. Danach ist das Rechtsmittel bei der Geschäftsstelle der Behörde anzubringen, deren Bescheid angefochten wird; die Anbringung bei der Rechtsmittelbehörde "genügt". Nach den Vorschriften der §§ 155 und 251 a AO - eingefügt durch das StändG 1961 - beginnt die Verzinsung "vom Tag der Rechtshängigkeit bei Gericht an (§ 249)". In diesen Vorschriften ist also ausdrücklich auf § 249 AO hingewiesen. Nach der eindeutigen Vorschrift des § 249 AO kann der Begriff "bei Gericht anhängig wird" nur so ausgelegt werden, daß der Rechtsstreit mit der Anbringung der Berufung gemäß § 249 Abs. 3 AO anhängig wird, somit auch mit deren Einlegung bei der Finanzbehörde, deren Bescheid angefochten wird. Eine Auslegung des Art. 18 StändG 1961 im Sinne der Anbringung des Rechtsmittels bei der Rechtsmittelbehörde selbst würde dazu führen, daß es für die in der Zeit von der Verkündung des StändG 1961 bis zum 31. August 1961 bei den Verwaltungsbehörden angebrachten Berufungen weitgehend in deren Hand gelegen hätte, die Berufungen bis zum 31. August 1961 oder später dem Gericht vorzulegen und damit die Zulässigkeit der Rechtsmittel zu beeinflussen. Die Berufung ist vor dem 1. September 1961 beim Finanzamt eingegangen. Deshalb gilt für die Rb. noch die Streitwertgrenze von 200 DM. Der Streitwert für die Rb. beträgt 960 DM (20 v. T. des Kapitalwertes der Rente von 48.000 DM). Die Rb. ist deshalb zulässig.

 

Fundstellen

BStBl III 1962, 404

BFHE 1963, 382

BFHE 75, 382

StRK, AO:249 R 22

NJW 1962, 2271

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