Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung des betroffenen Gesellschafters bei Sonderbetriebsvermögen I

 

Leitsatz (NV)

1. Sind Absetzungen für Abnutzung eines im Alleineigentum eines Gesellschafters befindlichen, jedoch dem Betrieb der Personenhandelsgesellschaft dienenden Gebäudes (SBV I) streitig, ist der Gesellschafter notwendig zum Klageverfahren der Gesellschaft beizuladen.

2. Nur ausnahmsweise darf von einer notwendigen Beiladung abgesehen werden, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist oder der nicht klagende Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerrechtlich betroffen ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 360 Abs. 3; FGO § 48 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 60 Abs. 3, § 123

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Ihr Kommanditist A betrieb bis zum 31. Dezember 1987 eine Schleiferei in der Rechtsform eines Einzelunternehmens. Zum 1. Januar 1988 traten sein Sohn B als Komplementär und A als Kommanditist mit einer Einlage von 300 000 DM ein. Am Gewinn und Verlust sind Vater und Sohn im Verhältnis 70:30 v. H. beteiligt.

A hatte mit notariellem Vertrag vom 3. Februar 1986 das Grundstück X zu einem Kaufpreis von 250 000 DM erworben. Das aufstehende, 1958 erbaute Fabrikationsgebäude war für einen marmorverarbeitenden Betrieb genutzt worden. Er baute dieses Gebäude in den Jahren 1986 und 1987 mit einem Kostenaufwand von 365 923 DM um.

Das im Alleineigentum des A verbliebene Grundstück dient in vollem Umfang den betrieblichen Zwecken der Klägerin.

Die Klägerin begehrte für das Streitjahr 1988 mit der Begründung, infolge des Umfangs der Umbauarbeiten sei ein völlig neues Gebäude entstanden, eine degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 10 v. H. Im Anschluß an eine Außenprüfung ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) jedoch lediglich eine Abschreibung in Höhe von 2 v. H. der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten unter Zugrundelegung der gesetzlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 a EStG zu. Der Einspruch der Klägerin gegen den entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1988 blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), mangelnde Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) sowie die Verletzung der Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den geänderten einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1988 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und eine AfA von 10 v. H. zuzulassen, hilfsweise eine lineare AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG unter Zugrundelegung einer nur noch zehnjährigen Nutzungsdauer anzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), da das FG die notwendige Beiladung des Kommanditisten A unterlassen hat.

1. a) Nach § 60 Abs. 3 FGO ist eine Beiladung erforderlich, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt allerdings nur für klagebefugte Gesellschafter (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist in Streitigkeiten, die die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns eines Gewerbebetriebes betreffen, grundsätzlich nur die Gesellschaft, vertreten durch ihre Geschäftsführer, klagebefugt. Die nicht zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter können gegen den Gewinnfeststellungsbescheid nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 FGO klagen.

b) Der Rechtsstreit betrifft die Frage, in welcher Höhe AfA auf das im Alleineigentum des Kommanditisten A stehende, zu 100 v. H. dem Betrieb der klagenden KG dienende Gebäude X als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen sind.

Der Kommanditist hatte das Grundstück nebst aufstehendem Fabrikationsgebäude 1986 zu Alleineigentum erworben. Anläßlich der Gründung der KG hatte der Kommanditist eine Einlage in Höhe von 300 000 DM zu erbringen. Das betrieblich genutzte Grundstück ist nicht in das Gesamthandseigentum übergeführt worden. Dementsprechend ist das Grundstück nebst Gebäude zutreffend als notwendiges Sonderbetriebsvermögen I behandelt worden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 19. Februar 1991 VIII R 84/88, BFH/NV 1992, 161 m. w. N.; ferner Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. Januar 1994 III R 39/91, BFHE 173, 338, BStBl II 1994, 458) und die auf das Gebäude entfallende AfA als Sonderbetriebsausgabe des Kommanditisten zugrunde gelegt worden.

Damit betrifft der Rechtsstreit die Frage, in welcher Höhe der Gewinnanteil des Kommanditisten zu mindern ist (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Dieser war somit als klagebefugter Gesellschafter notwendig beizuladen (Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 1991 VIII R 123/85, BFH/NV 1992, 46).

c) Es liegen auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen ausnahmsweise von einer Beiladung abgesehen werden darf. Die Klage ist weder offensichtlich unzulässig, noch ist der nicht klagende Kommanditist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerrechtlich betroffen (BFH in BFH/NV 1992, 46, 47 m. w. N.).

d) Die notwendige Beiladung betrifft die Grundordnung des Verfahrens. Das Unterlassen der notwendigen Beiladung ist ein wesentlicher Verfahrensmangel. Der BFH kann eine Beiladung in der Revisionsinstanz auch nicht nachholen (§ 123 FGO).

Das Unterlassen der notwendigen Beiladung führt deshalb -- ohne weitere Sachprüfung -- zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (BFH in BFH/NV 1992, 46, 47, ständige Rechtsprechung).

Dies gilt auch dann, wenn das FG die Notwendigkeit einer Beiladung nicht nachgeprüft hat, obwohl der Sachverhalt eine solche Prüfung verlangt hätte (Urteil des Senats vom 21. Juni 1988 VIII R 93/87, BFH/NV 1989, 589).

e) Das FG wird die versäumte Beiladung des Gesellschafters A nachholen müssen. Damit ist zugleich die fehlende -- ebenfalls notwendige -- Hinzuziehung des Kommanditisten zum Vorverfahren nach § 360 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) geheilt (Urteil des erkennenden Senats vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359, 360).

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 684

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