Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährungsunterbrechung in Altfällen

 

Leitsatz (NV)

Nach § 147 Abs. 1 AO i. d. F. des AOÄG vom 15. September 1965, der gemäß Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EGAO 1977 für Streitjahre vor 1977 weiter anzuwenden ist, unterbrach die mit dem Einkommensteuerbescheid verbundene Zahlungsaufforderung die Verjährung nur dann, wenn der Steuerbescheid dem Steuerpflichtigen vor Eintritt der Verjährung zugegangen war (Anschluß an das BFH-Urteil vom 6. Mai 1975 VII R 109/72, BFHE 116, 2, BStBl II 1975, 723).

 

Normenkette

AO § 147; EGAO 1977 Art. 97 § 10

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Am 26. August 1973 schloß der Kläger mit jedem seiner fünf damals minderjährigen Kinder einen schriftlichen Vertrag, mit dem er jedem Kind an einem ,,Kapitalbetrag" von 25 000 DM schenkweise den Nießbrauch für die Zeit vom 1. Juli 1973 bis 31. August 1981 einräumte. Mit Vertrag vom 6. September 1973 gewährte der Kläger der Klägerin ein Darlehen von 125 000 DM zur Finanzierung des Erwerbs eines Mietwohngrundstücks. Der schriftliche Darlehensvertrag enthält den Hinweis, daß der Betrag mit je 25 000 DM für jedes der Kinder nießbrauchsbelastet und daraus mit jährlich 2 v. H. über dem Diskontsatz der Bundesbank zu verzinsen ist. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1973, die 1975 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) einging, machte die Klägerin die Zinsen für die Darlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das FA erkannte den Werbungskostenabzug zunächst in einem nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Einkommensteuerbescheid an; die Zinseinnahmen erfaßte es nicht.

Nach einer Betriebsprüfung änderte es die Einkommensteuerbescheide für das Streitjahr 1973 und für die Jahre 1974 bis 1976 und versagte den Werbungskostenabzug. Den geänderten Einkommensteuerbescheid 1973 gab es am 31. Dezember 1980 zur Post; er ging den Klägern am 5. Januar 1981 zu.

Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit der Begründung ab, die Einkommensteuernachforderung 1973 sei bei Erlaß des geänderten Einkommensteuerbescheides nicht verjährt gewesen. Denn das FA habe den Änderungsbescheid noch innerhalb der Verjährungsfrist abgesandt. Die Zinsen seien nicht als Werbungskosten abziehbar, weil die Nießbrauchsbestellung und die Darlehenshingabe einem Fremdvergleich nicht standhielten.

Dagegen wenden sich die Kläger mit der Revision. Sie tragen vor, die Einkommensteuernachforderung 1973 sei verjährt. Außerdem seien die Nießbrauchsbestellung und der Darlehensvertrag steuerlich anzuerkennen.

Die Kläger beantragen, unter teilweiser Abänderung des Urteils des FG, den geänderten Einkommensteuerbescheid 1973 vom 31. Dezember 1980 aufzuheben.Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der erkennende Senat hat mit Beschluß vom 19. Juli 1988 das Verfahren betreffend die Streitjahre 1974 bis 1976 von dem vorliegenden Verfahren abgetrennt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision betreffend das Streitjahr 1973 ist begründet. Insoweit werden die Entscheidung der Vorinstanz, die Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 1982 sowie der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 31. Dezember 1980 aufgehoben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Einkommensteuernachforderung für das Streitjahr 1973 bei Erlaß des Änderungsbescheides noch nicht verjährt war. Nach §§ 144, 145 Abs. 2 Nr. 1 AO i. d. F. des Gesetzes zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 15. September 1965 (BGBl I 1965, 1356, BStBl I 1965, 643), die auf den Streitfall anzuwenden sind (Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl I, 3341, 3381, BStBl I 1976, 694), begann die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres 1975, in welchem die Kläger ihre Einkommensteuererklärung für 1973 abgegeben hatten. Sie endete mit Ablauf des Jahres 1980. Die Verjährung ist durch die mit dem Steueränderungsbescheid vom 31. Dezember 1980 verbundene Zahlungsaufforderung nicht nach § 147 Abs. 1 AO unterbrochen worden. Die in einem Steuerbescheid enthaltene Zahlungsaufforderung unterbrach nach dieser Vorschrift die Verjährung nur dann, wenn der Steuerbescheid dem Steuerpflichtigen vor Eintritt der Verjährung zugegangen war (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6. Mai 1975 VII R 109/72, BFHE 116, 2, BStBl II 1975, 723). Da der geänderte Einkommensteuerbescheid für 1973 den Klägern unstreitig erst am 5. Januar 1981 zugegangen ist, konnte die in ihm enthaltene Zahlungsaufforderung die Verjährung nicht mehr unterbrechen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415891

BFH/NV 1989, 10

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