Leitsatz (amtlich)

Weinbestände, die am Währungsstichtag im Lande Rheinland-Pfalz lagerten, sind mit 4 v. H. zur Soforthilfesonderabgabe heranzuziehen, wenn sich Wohnsitz oder Ort der Geschäftsleitung des Abgabepflichtigen außerhalb des Landes Rheinland-Pfalz befinden.

 

Normenkette

SHG § 18 Abs. 1; StDVO-SHG § 38

 

Tatbestand

Streitig ist, mit welchem Steuersatz die am Währungsstichtag in A. (Rheinland-Pfalz) gelagerten Weinbestände der Beschwerdegegnerin (Bgin.) zur Soforthilfesonderabgabe heranzuziehen sind. Die Bgin. vertritt die Auffassung, die betreffenden Weinvorräte seien im Hinblick auf ihre Lagerung in Rheinland-Pfalz nur mit 2 v. H. zur Soforthilfesonderabgabe heranzuziehen. Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des im ehemaligen Vereinigten Wirtschaftgebiet gelegenen Finanzamts X. geltend, die fraglichen Weinvorräte seien, da auf sie das Soforthilfegesetz des Vereinigten Wirtschaftsgebietes anzuwenden sei, mit dem Satz von 4 v. H. zu belegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Finanzamtsvorstehers ist begründet.

Der vorliegende Rechtsstreit ist dadurch entstanden, daß nach § 38 der Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des für Rheinland-Pfalz ergangenen Soforthilfegesetzes (StDVO-SHG) in Verbindung mit der Anlage 2 (Gesetz- und Verordnungsblatt Rheinland-Pfalz 1949 S. 477, 489) im Lande Rheinland-Pfalz Wein zu den nur mit 2 v. H. heranzuziehenden begünstigten Lebensmitteln gehört, während in der Anlage 2 zu § 38 StDVO-SHG für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet unter den begünstigten Lebensmitteln Wein nicht aufgeführt ist.

Der Ort der Geschäftsleitung der Bgin. lag im ehemaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiet. Die Abgabepflicht der Bgin. zur Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe richtet sich daher grundsätzlich nach dem für den Bereich des ehemaligen Vereinigten Wirtschaftsgebietes erlassenen Soforthilfegesetz, das nach Artikel 125 des Grundgesetzes innerhalb seines Geltungsbereichs Bundesrecht geworden ist. Nach § 4 des Soforthilfegesetzes (SHG) unterliegt der Abgabepflicht das gesamte im Währungsgebiet gelegene Vermögen der in § 3 SHG bezeichneten Vermögensarten. Es ist also nicht danach zu unterscheiden, in welchem Land des Währungsgebietes die in Betracht kommenden Wirtschaftsgüter sich befinden, insbesondere auch nicht danach, ob dieses Land zum damaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiet gehört hat oder nicht. Diese Grundsätze hat das angefochtene Urteil des Finanzgerichts nicht verkannt. Es hat jedoch dem Umstand, daß im Lande Rheinland-Pfalz Wein auf die Begünstigungsliste gesetzt worden ist, auch für seine nach dem Soforthilfegesetz des Vereinigten Wirtschaftsgebietes zu treffende Entscheidung Bedeutung beigelegt. Das Finanzgericht hat ausgeführt, daß die Bewirtschaftung von Verbrauchsgütern, darunter auch von Lebensmitteln, eine Angelegenheit der inneren Verwaltung des Landes sei, in dem sich die zu bewirtschaftenden Lebensmittel befinden. Dem Gedanken der Achtung der Staatshoheit eines anderen Landes würde es widersprechen, wenn dessen Verwaltungsanordnungen auf einem der inneren Verwaltung des Landes vorbehaltenen Gebiet als unverbindlich behandelt werden würden. Entsprechend den für das internationale Staats- und Privatrecht geltenden Grundsätzen, die auf die zwischenstaatlichen Rechtsverhältnisse der Länder und Zonen innerhalb Deutschlands zu übertragen seien, finde diese Auffassung nur da eine Grenze, wo die Beachtung der Anordnungen des anderen Landes gegen die Grundsätze des eigenen Staats- und Rechtslebens verstoßen würde, ein Fall, der hier nicht vorliege. Zur Unterstützung seiner Auffassung weist das Finanzgericht noch darauf hin, daß die Ablehnung der Anwendung der vom Lande Rheinland-Pfalz geschaffenen Begünstigungsvorschrift für Wein auf die Bgin. sinngemäß auch bei der Anwendung des § 30 Absatz 2 StDVO-SHG dazu führen müsse, die von der französischen Militärregierung getroffenen Blockierungsmaßnahmen in ihren abgaberechtlichen Auswirkungen ebenfalls nicht zu beachten.

Diesen Ausführungen des Finanzgerichts kann nicht gefolgt werden. Im vorliegenden Falle handelt es sich überhaupt nicht um die Frage, ob ein Land des Währungsgebietes Bewirtschaftungsmaßnahmen eines anderen Landes des Währungsgebietes zu beachten hat oder nicht. Vielmehr geht die Frage dahin, ob in einem Lande des Währungsgebietes bei der Anwendung abgabenrechtlicher Bestimmungen, die für den Bereich dieses Landes Geltung haben, anders geartete abgabenrechtliche Vorschriften eines anderen Landes des Währungsgebietes insoweit beachtet werden dürfen oder müssen, als bestimmte Vermögensgegenstände, die der Abgabe unterliegen, in dem anderen Lande belegen sind. Diese Frage ist zu verneinen. Unstreitig lag die Geschäftsleitung der Bgin. am Währungsstichtag in der zum Lande B. und damit zum damaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiet gehörigen Stadt X. Damit unterlag die Abgabepflichtige nach der für das Soforthilfegesetz getroffenen Zuständigkeitsregelung, der insoweit auch materiell-rechtliche Bedeutung zukommt, der Steuerhoheit des damaligen Vereinigten Wirtschaftsgebietes, und allein die Gesetze dieses Wirtschaftsgebietes konnten auf dem Gebiet der Personalsteuern, zu denen auch die Soforthilfeabgabe und die Soforthilfesonderabgabe trotz ihres objektsteuerartigen Einschlags gehören, Bestimmungen über Art und Umfang der Heranziehung zu diesen Abgaben treffen. Umgekehrt waren die Finanzbehörden und Finanzgerichte rechtlich nicht in der Lage, im Rahmen der Festsetzung und Erhebung dieser Abgaben andersartige Bestimmungen eines anderen Landes, die dort zu der gleichen, jedoch von dem anderen Lande durch eigene Gegesetze geregelten Materie erlassen waren, anzuwenden. Auch der Hinweis des Finanzgerichts auf etwaige Folgerungen bei der Anwendung des § 30 Absatz 2 StDVO-SHG geht fehl. Die Entscheidung darüber, ob Teile des Vorratsvermögens durch behördliche Maßnahmen blokkiert, d. h. über die allgemeinen Bewirtschaftungsvorschriften hinaus durch unmittelbare und ausdrückliche Entscheidung der Militärregierung usw. der freien Verfügung des Abgabepflichtigen am Währungsstichtag unverschuldet entzogen gewesen sind, kann gar nicht anders als nach den Bewirtschaftungsbestimmungen des Landes getroffen werden, in dem sich die betreffenden Gegenstände am Währungsstichtag befanden.

Die Begünstigung von Wein bei der Soforthilfesonderabgabe findet sich nur im Soforthilfegesetz samt Durchführungsbestimmungen des Landes Rheinland-Pfalz. Die beiden anderen Länder der französischen Zone, Baden und Württemberg-Hohenzollern, kennen eine entsprechende Begünstigung nicht, obwohl auch in ihnen am Währungsstichtag die Weinbestände durch die französische Militärregierung beschlagnahmt waren, und decken sich insoweit mit dem Soforthilfegesetz für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet. Nun könnte man allerdings für die Anwendung des begünstigten Steuersatzes auf im Lande Rheinland-Pfalz am Währungsstichtag gelagerte Weine noch anführen, daß dieses Land eine besondere Weinsteuer eingeführt hatte und möglicherweise auch aus diesem Grunde die Weinvorräte bei der Soforthilfesonderabgabe mit einem niedrigeren Steuersatz belegt wissen wollte. Solche Erwägungen könnten jedoch höchstens ein Entgegenkommen aus Billigkeitsgründen rechtfertigen, nicht aber zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung bei der Anwendung des in anderen Ländern geltenden Rechts führen.

Hiernach mußte die Rb. zur Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts führen mit der Maßgabe, daß gleichzeitig die Sprungberufung der Bgin. gegen den vorläufigen Abgabebescheid des Finanzamts X. vom 21. Dezember 1950 als unbegründet zurückzuweisen war. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

BStBl III 1951, 146

BFHE 1952, 369

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