Leitsatz (amtlich)

Eine zur Bildung einer Rückstellung führende Inanspruchnahme aus dem Wechselobligo im Sinne des BFH-Urteils III 238/63 vom 17. März 1967 (BFH 88, 554, BStBl III 1967, 486) ist nicht gegeben, wenn ein Wechsel vor dem Verfallzeitpunkt prolongiert wird.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 62

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Revisionsklägerin hat in ihrer Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1963 eine Rückstellung für Wechselobligo in Höhe von 67 793 DM eingesetzt. Im ersten Rechtsgang hat der Senat unter Bezugnahme auf das Urteil III 238/63 vom 17. März 1967 (BFH 88, 554, BStBl III 1967, 486) entschieden, daß eine Rückstellung für Wechselobligo nicht zulässig ist, wenn die Klägerin aus den zum Diskont weitergegebenen Kundenwechseln im Feststellungszeitpunkt noch nicht in Anspruch genommen worden ist. Das Urteil des FG, das von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausging, wurde aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Revisionsklägerin machte nunmehr im zweiten Rechtsgang geltend, eine wechselrechtliche Inanspruchnahme aus diskontierten Wechseln habe im maßgebenden Feststellungszeitpunkt vorgelegen; denn sie habe im Laufe des Jahres 1962 in einer Reihe von Fällen Wechsel prolongiert. Das bedeute, daß sie in diesen Fällen den Wechselakzeptanten, die am Fälligkeitstag den Wechsel nicht hätten einlösen können, den Gegenwert zur Verfügung gestellt habe. Die Einlösung der Wechsel durch die Revisionsklägerin habe dazu geführt, daß die Bezogenen neue Akzepte erteilt hätten. Die Notwendigkeit der Prolongation sei wirtschaftlich als Inanspruchnahme des Diskontnehmers auf Grund der Wechselhaftung zu betrachten, zumal die Hereinnahme der Prolongationspapiere nur zum Zwecke der Refinanzierung erfolgt sei.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung damit, daß eine Inanspruchnahme im Sinne des Urteils des BFH III 238/63 (a. a. O.) nur dann gegeben sei, wenn gegen den Verpflichteten nach den Vorschriften des Wechselgesetzes Rückgriff genommen werde. Der Wechsel müsse bei Verfall dem Bezogenen vorgelegt worden sein und der Bezogene müsse die Zahlung verweigert haben. Außerdem müßten die formellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verpflichteten, nämlich Protest und Benachrichtigung (Art. 44 und 45 des Wechselgesetzes), erfüllt sein. Eine derartige Inanspruchnahme der Revisionsklägerin sei unstreitig nicht erfolgt. Die von der Revisionsklägerin in einer Aufstellung verzeichneten Akzepte seien vielmehr jeweils geraume Zeit vor Fälligkeit prolongiert worden. Die Prolongationen seien keine Folge der wechselrechtlichen Haftung der Revisionsklägerin, sondern hätten auf den Grundgeschäften (Kaufverträgen) beruht und dazu gedient, die Entstehung von Rückgriffsansprüchen zu vermeiden. Die Notwendigkeit einer Prolongation könne aber einer Inanspruchnahme nicht gleichgestellt werden.

Mit der Revision wird unrichtige Anwendung von Vorschriften des BewG gerügt. Zur Begründung wird vorgetragen, das FG habe sich bei seiner Entscheidung ausschließlich von wechselrechtlichen Vorschriften bestimmen lassen, ohne zu berücksichtigen, daß bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Inanspruchnahme bereits erfolgt gewesen sei. Die Prolongationen seien nur eine Folge daraus gewesen, daß die Akzeptanten außerstande gewesen seien, die Wechsel bei Fälligkeit einzulösen.

Das FA beantragte, die Revison als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

In dem im ersten Rechtsgang ergangenen Urteil, das sich in der Begründung mit dem veröffentlichten Urteil III 238/63 (a. a. O.) deckt, hat der Senat entschieden, die Hereinnahme eines Wechsels und dessen Diskontierung führten dazu, daß die Forderung, derentwegen der Wechsel begeben wurde, wirtschaftlich zunächst als erloschen zu betrachten sei. Diese Auffassung entspreche den tatsächlichen kaufmännischen Gepflogenheiten. Eine Wertberichtigung der Grundforderung, die zur Wechselbegebung führte, wurde deshalb abgelehnt. Eine Rückstellung für das Wechselobligo wurde entsprechend der Rechtsprechung des Senats zur Rückstellung für Gewährleistungsansprüche, Haftungsansprüche usw. nur für den Fall anerkannt, daß der Steuerpflichtige im Feststellungszeitpunkt aus dem Wechsel in Anspruch genommen wurde.

Der Auffassung der Revisionsklägerin, die Prolongation eines Wechsels stelle eine Inanspruchnahme im Sinne des Urteils III 238/63 (a. a. O.) dar, tritt der Senat nicht bei. Die Prolongation ist die Vereinbarung, daß die Wechselschuld bei Verfall des Wechsels nicht in bar zu zahlen ist, sondern daß an Stelle der Zahlung ein Prolongationswechsel mit späterer Verfallzeit begeben wird. Wirtschaftlich entspricht die Prolongation einer Stundung der Wechselschuld, wobei diese in der Weise erfolgt, daß der Erstwechsel mit dem Diskonterlös des Prolongationswechsels eingelöst wird.

Die Prolongationsvereinbarung kann schon bei Begebung des Erstwechsels, aber auch nachträglich, und zwar sowohl vor Verfall als auch nach Verfall des Erstwechsels getroffen werden (Baumbach-Hefermehl, Wechselgesetz, Art. 17 Anm. 51, 53). Der wirtschaftliche Grund für eine Prolongation besteht häufig darin, daß Zahlungszeit und Verfallzeit nicht zusammenfallen. Der Zeitpunkt der Zahlung bestimmt sich nach der Grundforderung, der Verfallzeitpunkt nach Wechselrecht.

Der Handelswechsel ist nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch Kreditmittel und Sicherungsmittel. Die Funktion als Kreditmittel erfüllt er nur, wenn er diskontfähig ist, d. h. wenn er gegen Abzug der Zwischenzinsen verkauft werden kann. Für die Diskontierung kommen in erster Linie Banken in Betracht. Ein Wechsel ist nur dann zur Diskontierung uneingeschränkt geeignet, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, unter denen er bei der Deutschen Bundesbank rediskontiert werden kann (vgl. Baumbach-Hefermehl, a. a. O., Anhang zu Art. 11 Anm. 9 und 10). Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 26. Juli 1957 (BGBl I 1957, 745) müssen Wechsel, die bei der Bundesbank diskontiert werden sollen, vom Tag des Ankaufs an spätestens in drei Monaten fällig sein. Wenn der Wechsel seine Funktion als Kreditmittel uneingeschränkt erfüllen soll, ist es zweckmäßig, seine Laufzeit auf drei Monate zu begrenzen. Aus diesem Grund werden häufig für längerfristige Forderungen Dreimonatsakzepte mit Prolongationsabrede gegeben. In diesen Fällen, in denen der Aussteller den Erstwechsel mit Mitteln aus der Diskontierung des Prolongationswechsels einlöst, liegt eine Inanspruchnahme aus der Wechselhaftung, die zur Bildung einer Rückstellung in der Vermögensaufstellung führen könnte, nicht vor; denn der Aussteller weiß bei Hereinnahme des Erstwechsels, daß er erst auf Grund des letzten Prolongationswechsels Befriedigung erwarten kann. Wirtschaftlich ist dieser Fall so zu beurteilen, als ob die Verfallzeit des Erstwechsels von vornherein auf den Zeitpunkt festgelegt worden wäre, zu dem der Akzeptant endgültig zahlen muß.

Aber auch dann, wenn die Prolongation nicht schon bei Hingabe des Erstwechsels, sondern erst später vereinbart wird, sind die Voraussetzungen für eine Rückstellung aus dem Wechselobligo infolge der Prolongation regelmäßig nicht gegeben. Das trifft ohne Einschränkung zu, wenn die Prolongation zwar nach der Begebung, aber vor dem Verfall des Erstwechsels vereinbart wird. Denn mit der Begebung des Prolongationswechsels vor Verfall des Erstwechsels steht dem Akzeptanten gegenüber dem Aussteller die Einrede der Prolongation gegen die Geltendmachung der Rechte aus dem Erstwechsel zu (RGZ 104, 331), d. h. der Aussteller räumt dem Wechselhauptschuldner eine Rechtsstellung ein, die es diesem ermöglicht, die Zahlung zur Verfallzeit zu verweigern, ohne daß die wechselrechtlichen Folgen mangels Zahlung eintreten. Die Einlösung des Erstwechsels durch den Aussteller erfolgt also nicht auf Grund einer Inanspruchnahme aus diesem Wechsel, sondern auf Grund der Prolongationsabrede, die wirtschaftlich einer Stundung der Verpflichtung aus dem Erstwechsel gleichsteht, wenngleich sich wechselrechtlich an der Verfallzeit des Erstwechsels durch die Prolongation nichts ändert. Hinzu kommt aber noch, daß mit der Annahme des Prolongationswechsels dem Gläubiger auch die Befriedigung aus der Grundforderung verwehrt ist, denn dieser stände der Einwand der Wechselhingabe entgegen (RGZ 153, 180 [182]).

Nach den Feststellungen des FG, an die der BFH gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), sind die Akzepte, derentwegen die Revisionsklägerin eine Rückstellung geltend macht, geraume Zeit vor Verfall prolongiert worden. Eine Inanspruchnahme im Sinne des Urteils III 238/63 (a. a. O.) liegt bei diesem Sachverhalt nicht vor, so daß eine Rückstellung auf Grund des Wechselobligos nicht gerechtfertigt ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für die Bildung einer Rückstellung wegen Wechselhaftung, wie das FG es annimmt, alle formellen Voraussetzungen des Rückgriffs mangels Zahlung erfüllt sein müssen. Selbst wenn man dies für erforderlich hält, trifft es nicht zu, daß damit eine Rückstellung wegen Wechselobligos überhaupt ausgeschlossen sei, weil dann wirtschaftlich wieder die Grundforderung zu bewerten sei, die nach allgemeinen Grundsätzen wertberichtigt werden könne. Der Senat hat schon in seinem Urteil III 238/63 (a. a. O.) unter III. ausgeführt, im Fall des Kontokorrentverkehrs zwischen dem Diskontnehmer und dem Diskontgeber sei nur dann eine Rückbelastung mit der weiteren Folge möglich, daß die Grundforderung gegen den Akzeptanten wirtschaftlich wieder auflebt, wenn der Diskontnehmer einen entsprechenden Habensaldo hat. Ist dies nicht der Fall oder, was dem gleichsteht, hat der Diskontnehmer sein Kreditvolumen schon ausgeschöpft, so muß der Diskontgeber auf Grund der Rechte aus dem Wechsel gegen den Diskontnehmer vorgehen (vgl. Baumbach-Hefermehl, a. a. O., Anhang zu Art. 11 Anm. 12; Schubert, Das Diskontgeschäft der Banken, S. 28 in Rechts- und Wirtschaftspraxis Gruppe 5 Bank und Börse, D Wechselrecht, Einzelfragen 5). In einem solchen Fall wären die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung aus Wechselhaftung jedenfalls gegeben. Im übrigen kommt es für die Beantwortung der Frage, ob bewertungsrechtlich eine Rückstellung für Wechselobligo auf Grund der Inanspruchnahme aus einem Wechsel zulässig ist, nicht entscheidend auf die buchtechnische Behandlung an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68612

BStBl II 1969, 576

BFHE 1969, 276

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