Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abziehbarkeit von Telefonkosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den als Werbungskosten abziehbaren Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung können auch die Kosten eines Telefongesprächs gehören, das an Stelle einer wöchentlichen Familienheimfahrt geführt wird.

2. Notwendig im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG ist ein solches Telefongespräch insoweit, als es dem Austausch der zur persönlichen Mitwirkung am Familienhaushalt erforderlichen Informationen dient. Im Regelfall ist eine fünfzehnminütige Gesprächsdauer in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5, § 12 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Bremen

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Telefongebühren zu den als Werbungskosten abziehbaren Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung gehören.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in B ihren Familienwohnsitz haben. Im September 1975 wurde die als Angestellte tätige Klägerin von B nach K versetzt. Sie ließ sich in der Wohnung in K ein Telefon installieren. Die angefallenen Telefonkosten (Grundgebühr und Gebühren für die Gesprächseinheiten) machten die Kläger in ihren Einkommensteuererklärungen 1977 und 1978 in Höhe von 611 DM bzw. 589 DM als Werbungskosten geltend. Sie hielten diese Kosten für notwendige Mehraufwendungen einer vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) nicht angezweifelten doppelten Haushaltsführung, da in Anbetracht der Entfernung und der ungünstigen Verkehrsverhältnisse regelmäßige Familienheimfahrten nicht möglich gewesen seien.

Das FA versagte den Abzug der Telefongebühren als Werbungskosten. Es war der Auffassung, Telefongebühren könnten nur dann als Mehraufwendungen wegen einer doppelten Haushaltsführung in Betracht kommen, wenn in den Telefongesprächen ausschließlich berufliche Angelegenheiten erörtert würden.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt. Es hielt die Telefongebühren für Mehraufwendungen, die im Rahmen einer steuerlich anerkannten doppelten Haushaltsführung angefallen und damit beruflich veranlaßt seien, kürzte aber die Kosten im Wege der Schätzung in Höhe von 10 v. H. für solche Gespräche, die die Klägerin innerhalb von K geführt habe. Zur Begründung seiner Auffassung führte das FG im wesentlichen aus: Mehraufwendungen aus Anlaß einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung seien zwar stets zugleich beruflich und privat veranlaßt. Ein Abzug als Werbungskosten scheitere aber deshalb nicht an dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil der Gesetzgeber die im Rahmen einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung anfallenden gemischten Aufwendungen durch § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG ausdrücklich als Werbungskosten zugelassen habe. Nach dieser Vorschrift seien zwar nur die notwendigen Mehraufwendungen abzugsfähig. Hierunter fielen die geltend gemachten Telefongebühren, da die Telefongespräche an die Stelle der nicht durchgeführten Familienheimfahrten getreten seien. Seien aber nach der Wertung des Gesetzgebers die Kosten einer wöchentlichen Familienheimfahrt notwendig, so könne für die Telefongespräche als dem Surrogat der Familienheimfahrten nichts anderes gelten. Dies müsse insbesondere dann angenommen werden, wenn die Telefonkosten niedriger seien als die Kosten einer zulässigen wöchentlichen Familienheimfahrt. Die Aufwendungen seien auch der Höhe nach glaubhaft. Da sie fast in voller Höhe durch Gespräche mit dem in der Familienwohnung verbliebenen Kläger entstanden seien, habe es auch wenig Sinn gehabt, über die Gespräche Aufzeichnungen zu führen. Soweit die Klägerin in geringem Umfang auch private Telefongespräche innerhalb des Beschäftigungsortes geführt habe, seien diese Kosten im Wege der Schätzung in Höhe von 10 v. H. vom Werbungskostenabzug auszunehmen.

Mit seiner Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es ist der Auffassung, Telefongespräche zwischen den einen doppelten Haushalt führenden Eheleuten könnten nicht die Stelle von Familienheimfahrten einnehmen. Gerade die Tatsache, daß Aufwendungen aus Anlaß einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung nur im Rahmen einer Sonderreglung als Werbungskosten abgezogen werden könnten, zwinge zu einer einschränkenden Betrachtungsweise. Dies verbiete die Schlußfolgerung, daß alles, was an die Stelle von Familienheimfahrten trete, diesen gleichzusetzen sei. Es sei daher der Auffassung des FG Hamburg (Urteil vom 25. April 1980 V 28/79, Entscheidungen der Finanzgerichte 1980, 436) zu folgen, nach der Gebühren für Telefongespräche privaten Inhalts im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nicht als Werbungskosten abzugsfähig seien.

Die Kläger haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Vorentscheidung geht zutreffend davon aus, daß die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG dem Grunde nach vorliegen. Abziehbar sind nach der vorgenannten Bestimmung die notwendigen Mehraufwendungen, die wegen der doppelten Haushaltsführung erwachsen. Der Senat geht mit dem FG davon aus, daß auch Telefonkosten notwendige Mehraufwendungen sein können, die wegen einer doppelten Haushaltsführung entstehen. Dabei ist jedoch folgendes zu beachten.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG können Aufwendungen nur für jeweils eine Familienheimfahrt wöchentlich als Werbungskosten abgezogen werden. Hierdurch kommt zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber nur eine wöchentliche Kontaktaufnahme zwischen dem auswärts beschäftigten Steuerpflichtigen und seiner Familie als beruflich veranlaßt und damit als notwendig im Sinne des Gesetzes ansieht. Dies hat zur Folge, daß z. B. die über eine wöchentliche Familienheimfahrt hinausgehenden Familienheimfahrten auch dann nicht als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden können, wenn sie aus dringenden familiären Gründen geboten waren. Das gleiche gilt für sonstige Kosten der Kontaktaufnahme des auswärts beschäftigten Arbeitnehmers zu seiner Familie, die neben den Kosten einer wöchentlichen Familienheimfahrt anfallen. Daher können solche Telefongespräche steuerlich nicht berücksichtigt werden, die neben der wöchentlichen Familienheimfahrt mit der Familie geführt worden sind (gleiche Ansicht v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. G 168).

Diese gesetzgeberische Entscheidung im § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG hält sich innerhalb der durch das Grundgesetz (GG) vorgegebenen Wertungsgrenzen. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 18. Februar 1966 VI 219/64 (BFHE 86, 39, BStBl III 1966, 386) ausgeführt hat, ist zu beachten, daß nach Art. 11 Abs. 1 GG alle Bürger im Bundesgebiet Freizügigkeit genießen und daher frei bestimmen können, wo sie wohnen wollen. Art. 12 Abs. 1 GG sichert ihnen das Recht auf freie Arbeitsplatzwahl. Ferner stehen nach Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der rechtlichen Ordnung. Die diesen Grundrechten immanenten Wertungen sind angemessen zu berücksichtigen. Dies ist dadurch geschehen, daß die Kosten der Kontaktaufnahme bzw. Zusammenführung des auswärts beschäftigten Steuerpflichtigen mit seinen am gemeinsamen Mittelpunkt der Lebensführung zurückgebliebenen Familienmitgliedern insoweit steuerlich als Kosten einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig sind, als sie jeweils nur auf eine Fahrt pro Woche entfallen.

Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß für eine Kontaktaufnahme des auswärts beschäftigten Arbeitnehmers zu seiner Familie ausschließlich die Kosten für Familienheimfahrten als notwendige Mehraufwendungen im Sinne einer doppelten Haushaltsführung steuerlich zu berücksichtigen sind. So hat der Senat bisher schon die Kosten einer Besuchsfahrt der Ehefrau als Werbungskosten des auswärts arbeitenden Ehemannes zum Abzug nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zugelassen, wenn der Ehemann nicht selbst eine steuerlich anzuerkennende Familienheimfahrt hat unternehmen können (z. B. Urteile vom 2. Juli 1971 VI R 35/68, BFHE 103, 333, BStBl II 1972, 67; vom 21. August 1974 VI R 201/72, BFHE 113, 444, BStBl II 1975, 64, und vom 28. Januar 1983 VI R 136/79, BFHE 137, 496, BStBl II 1983, 313). Nichts anderes kann gelten, wenn der auswärts beschäftigte Arbeitnehmer statt einer wöchentlichen Familienheimfahrt telefonisch Kontakt zu seiner Familie aufnimmt; dies muß um so mehr gelten, als der Senat als Voraussetzung für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung eine maßgebende persönliche Mitwirkung am Familienhaushalt verlangt, die bei längerer Abwesenheit von der Familie auch durch brieflichen oder telefonischen Kontakt bewirkt werden kann (z. B. Urteil vom 2. September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26).

Der Senat vermag aus dem Gesetz auch nicht etwa abzuleiten, daß der Gesetzgeber ausschließlich die in Abschn. 27 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) erwähnten Kosten für Familienheimfahrten, für Unterbringung am Beschäftigungsort und für Verpflegungsmehraufwand zum Werbungskostenabzug im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zugelassen hat. Wäre dies die Absicht des Gesetzgebers gewesen, so hätte es sich angeboten, diese Aufwendungen in § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG in abschließender Weise aufzuzählen. Stattdessen hat der Gesetzgeber jedoch im Satz 1 dieser Vorschrift allgemein ,,notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen", als Werbungskosten anerkannt.

Abziehbar sind, wie es das Gesetz allgemein formuliert, nur die ,,notwendigen Mehraufwendungen" und damit nur die notwendigen Telefonkosten. Wenn auch das Telefongespräch anstatt der sonst durchgeführten Familienheimfahrt geführt wird, so kann dennoch nicht an die Kosten einer solchen Familienheimfahrt angeknüpft werden. Im Interesse der steuerlichen Gleichbehandlung erscheint es geboten, die Frage nach der Notwendigkeit des Telefongesprächs losgelöst von subjektiven Vorstellungen des einzelnen Arbeitnehmers zu beantworten. Notwendig erscheint danach die wöchentliche Kontaktaufnahme durch ein Telefongespräch insoweit, als das Gespräch den Austausch der zur persönlichen Mitwirkung am Familienhaushalt erforderlichen Informationen ermöglicht. Im Regelfall wird es nicht zu beanstanden sein, wenn der Arbeitnehmer die Kosten eines fünfzehnminütigen Gesprächs wöchentlich als Werbungskosten geltend macht. Dabei können auch anteilige Grundgebühren für einen Telefonanschluß berücksichtigt werden. Nach der Lebenserfahrung kann regelmäßig ohne weiteren Nachweis davon ausgegangen werden, daß an Stelle einer wöchentlichen Heimfahrt dem in intakter Ehe lebenden Arbeitnehmer die Kosten eines solchen Telefongesprächs entstanden sind. Telefongespräche ins entfernte Ausland oder von dort ins Inland sind wegen der damit verbundenen höheren Kosten regelmäßig nachzuweisen.

Dem Abzug solcher Telefonkosten steht § 12 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Zwar ist der Inhalt der Telefongespräche privaten Charakters. Die Aufwendungen für die Telefongespräche dienen aber auch, da sie einen Beitrag zur persönlichen Mitwirkung am Familienhaushalt darstellen, der Haushaltsführung des Steuerpflichtigen i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Einen solchen Mischcharakter haben auch die Aufwendungen für Familienheimfahrten und die übrigen nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG abzugsfähigen Aufwendungen (Unterbringungskosten und Verpflegungsmehraufwand). Trotz ihres Mischcharakters sind diese Haushaltsaufwendungen als Werbungskosten abziehbar, weil der Gesetzgeber sie als aus beruflichen Gründen veranlaßte Mehraufwendungen anerkannt hat. Dies trifft auch für die an Stelle einer Familienheimfahrt geführten Telefongespräche zu.

Ob das FG von dem Rechtsstandpunkt des Senats ausgegangen ist, läßt sich aus der Vorentscheidung nicht entnehmen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache geht an die Vorinstanz zurück, damit die nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. Der Senat bemerkt, daß das FG zutreffend die auf die privaten Telefongespräche innerhalb von K entfallenden Telefonkosten nicht zum Abzug zugelassen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423977

BFH/NV 1989, 92

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