Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Betriebsverlusten im Sinne der §§ 166, 194 LAG gehören auch Verluste, die einer KG durch eine in der sowjetisch-besetzten Zone liegende Betriebstätte entstanden sind.

 

Normenkette

LAG §§ 166, 194

 

Tatbestand

Die rechtsmittelführende Gesellschaft zu 2. ist durch Aussonderung eines Teiles des Betriebsvermögens aus der Abgabepflichtigen DX.-KG entstanden. Das ursprüngliche Unternehmen umfaßte Werke in Berlin-West, in der Bundesrepublik und ein Werk Y. in der sowjetischen Besatzungszone, im übrigen Werke, die nach Kriegsende unter polnische Verwaltung gekommen sind. In ihrer Kreditgewinnabgabeerklärung gab die Abgabepflichtige u. a. Betriebsverluste für die Zeit vom 1. Januar 1945 bis 25. Juni 1948 von 909.447,53 RM an, in denen die Verluste des Werkes Y. enthalten waren. Das Finanzamt versagte den Abzug der Verluste des Werkes Y., weil für dieses infolge der besonderen Regelung der Besteuerung in der sowjetischen Besatzungszone das Finanzamt Z. zuständig sei. Dieses Werk sei weder nach § 189 LAG abgabepflichtig noch könnten seine Verluste abgesetzt werden. Die Rechtsmittel begründeten die Bfinen. wie folgt: Es handele sich bei der DX.-KG um einen gewerblichen Betrieb, die KG habe auch nur eine Buchhaltung, aus der der Erfolg für die Jahre 1945 bis Mitte 1948 (Betriebsverluste) ermittelt worden sei. Der Betriebsleiter des Werkes Y. sei erst am 30. Juni 1952 ausgeschieden, bis zur Währungsreform seien alle Zahlungen über das Konto bei der B.-Bank bzw. durch die Kasse der Zentralverwaltung erfolgt. Das Werk Y. habe bis zum 25. Juni 1948 halbfertige Erzeugnisse für das Werk R. geliefert. Die Verhandlungen mit Kunden seien stets in A. geführt worden. Für dieses Vorbringen haben die Bfinen. Beweis angetreten. Die Betriebsverluste 1946 und 1947 seien nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelt und vom Finanzamt durch die Gewerbesteuerbescheide anerkannt worden. Das Einkommensteuerrecht habe sich ab 1. Januar 1946 bis zum 25. Juni 1948 nicht geändert.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht geht davon aus, daß das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone auch in steuerlicher Beziehung von den übrigen Gebieten der Bundesrepublik und Berlin-West vollständig getrennt worden sei, mit der Folge, daß die in der sowjetischen Besatzungszone belegenen Betriebe den in der sowjetischen Besatzungszone geltenden gesetzlichen Bestimmungen unterworfen seien und von den dortigen Finanzbehörden steuerlich selbständig erfaßt worden seien. Das gelte auch dann, wenn ein Betrieb bisher unselbständiger Zweigbetrieb eines in der Bundesrepublik oder in Berlin-West belegenen Unternehmens gewesen sei.

Die in der sowjetischen Besatzungszone belegenen und steuerlich dort erfaßten Betriebe unterlägen aus diesem Grunde nicht dem LAG. Sie hätten weder Ausgleichsabgaben zu tragen, noch würden in diesem Gebiet Ausgleichsleistungen gewährt (§§ 1 ff. LAG). Wirtschaftsgüter des Inlandsvermögens im Sinne des § 77 des Bewertungsgesetzes (BewG), die auf das Gebiet der sowjetischen Zone entfielen, seien bei der Veranlagung unbeschränkt Steuerpflichtiger außer Ansatz zu lassen, weil solche Wirtschaftsgüter in diesen Gebieten ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Steuerpflichtigen zur Vermögensteuer herangezogen würden. Das Y.-Werk sei aus dem Unternehmen tatsächlich ausgeschieden und werde durch einen Treuhänder selbständig geführt.

Da in der sowjetischen Besatzungszone belegene Betriebe bei Ermittlung der Lastenausgleichsabgaben nicht berücksichtigt werden könnten, könnten auch die in den Jahren 1946 - 1948 in solchen Betrieben entstandenen Betriebsverluste nach den §§ 166, 194 LAG nicht abgesetzt werden. Da in der zur Ermittlung der Schuldnergewinne und der Gläubigerverluste gegenüberzustellenden RM-Schlußbilanz und der DM-Eröffnungsbilanz das Werk Y. nicht mehr enthalten sei, könnten auch die Betriebsverluste des Werkes, die nach § 162 LAG dem Mehrbetrag an Schuldnergewinnen gegenüberzustellen seien, keine Berücksichtigung finden. Steuerlich festgestellte Verluste seien nur dann nach § 9 der Achten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (8. AbgabenDV-LA) zu berücksichtigen, wenn der Betrieb als solcher der Kreditgewinnabgabe unterliege. Y. unterliege nicht der Kreditgewinnabgabe.

In der Rb. wird die Annahme, Y. werde als selbständiges Unternehmen geführt und sei der Verfügungsmacht der Bfinnen. entzogen, als unrichtig bezeichnet. Das Finanzgericht habe die für das Gegenteil angebotenen Beweise nicht berücksichtigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen.

Bei der Ermittlung des Gewinnsaldos im Sinne des § 162 LAG sind nach näherer Bestimmung des § 194 LAG die für die Zeit vom 1. Januar 1945 bis zum 25. Juni 1948 nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts festgestellten Verluste des Betriebes abzuziehen. Unter Betrieb in diesem Sinne ist der abgabepflichtige Betrieb zu verstehen, den § 161 LAG als den gewerblichen Betrieb im Sinne des BewG umschreibt. Der Begriff des gewerblichen Betriebs richtet sich daher nach § 54 Abs. 1 BewG. Bei einer KG bilden alle Wirtschaftsgüter, die ihr gehören, einen gewerblichen Betrieb. Der Grundsatz, daß jeder in sich geschlossene gewerbliche Betrieb eine wirtschaftliche Einheit bildet, findet auf die KG keine Anwendung; bei ihr wird das gesamte Vermögen als ein Gewerbebetrieb behandelt, auch wenn es aus mehreren an sich selbständigen Betrieben besteht (vgl. auch Krekeler, Bewertungsgesetz, 6. Aufl., S. 386). Es ist aus diesem Grunde davon auszugehen, daß alle Betriebstätten der KG zu ihrem Betriebe im Sinne des § 161 LAG und damit auch im Sinne des § 194 LAG gehören, zumal unwidersprochen vorgetragen worden ist, daß die Bücher auch für das Werk Y. einheitlich bei der Abgabepflichtigen geführt, alle Zahlungen über ein einheitliches Konto gelaufen sind und in dieser Zeit das Werk Y. auch in eine Abstimmung der gesamten Produktion des Betriebes einbezogen war. Es kommt also für die Feststellung der Betriebsverluste auf die Verluste der KG an. Hat aber das Werk Y. zum Betriebsvermögen der abgabepflichtigen KG gehört, so kann dem Finanzgericht nicht in der Ansicht beigetreten werden, daß dieses Werk bei Ermittlung der Lastenausgleichsabgaben unberücksichtigt bleiben kann, wie ja auch von den Vorinstanzen die Einheit der übrigen im Gebiet der Bundesrepublik belegenen Betriebe nicht angezweifelt worden ist.

An dieser Tatsache hat sich aber auch nichts dadurch geändert, daß das Werk Y. in der sowjetischen Besatzungszone belegen ist. Es ist zunächst festzustellen, daß § 194 LAG die Verluste des Betriebes in den Jahren 1945 - 1. Halbjahr 1948 behandelt. Die Verluste können von der Abgabepflichtigen geltend gemacht werden, wenn sie nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts diese Verluste in den betreffenden Jahren gewinnmindernd berücksichtigen durfte. Zu dieser Frage hat der Oberste Finanzgerichtshof im Gutachten I D 6/49 vom 27. August 1949, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, Kontrollratgesetz Nr. 12 Art. VIII Rechtsspruch 7, ausgeführt, daß das gesamte Einkommen, gleichgültig ob es auch Quellen in der Westzone oder aus Quellen außerhalb der Westzone fließt, ermittelt werden muß. Verluste mindern deshalb - gleichgültig wo sie entstanden sind - das Einkommen. Dieser Rechtsstandpunkt liegt auch dem Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 23/49 vom 25. November 1949, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz § 1, Rechtsspruch 1, zugrunde und wird vom erkennenden Senat gebilligt. Diese Rechtslage galt mindestens bis zur Währungsreform. Wenn das Finanzgericht unter Berufung auf den Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz von Gürsching-Stenger, § 59 Anm. 5, meint, Wirtschaftsgüter im Gebiet der sowjetischen Zone blieben bei der Vermögensteuer außer Ansatz, so gilt dies erst seit dem Inkrafttreten der diesbezüglichen Vorschrift im Vermögensteuergesetz in der Fassung vom 16. Januar 1952 (BGBl 1952 I S. 28 ff.), das erstmals bei der Hauptveranlagung 1949 anzuwenden war. Auch in das EStG ist eine Vorschrift, die die Einkünfte aus der sowjetischen Zone einer besonderen Behandlung unterzieht, erst nach der Währungsreform (ß 1 Abs. 3 EStG 1950) aufgenommen worden. Vorschriften, die erst nach dem 25. Juni 1948 in Kraft getreten sind, können aber die hier in Rede stehenden Einkünfte und das Einkommen der Jahre 1945 - 1. Halbjahr 1948 nicht beeinflussen.

Das Finanzgericht führt zutreffend aus, daß das materielle deutsche Steuerrecht durch Anordnungen der sowjetischen Besatzungsbehörde nicht geändert worden ist. Wenn der in den Schriftsätzen zitierte "Kotikow-Befehl" anordnete, daß Betriebe in der sowjetischen Zone eine gesonderte Gewinnermittlung vorzunehmen hätten und durch Behörden der sowjetisch-besetzten Zone gesondert zu veranlagen seien, so hatte diese Anordnung keinen unmittelbaren Einfluß auf die Veranlagung in den Westzonen. Das Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 6/49 a. a. O. ist in Kenntnis dieses Befehls ergangen und betont, daß die Bestimmungen für die sowjetische Besatzungszone in den Westzonen keine Rechtsnormen darstellen.

Die Verluste des Werkes Y. mindern daher den Gewinn bzw. erhöhen den Verlust der Abgabepflichtigen in den in Rede stehenden Jahren. Auf diese Verluste kommt es an; daß das Werk Y. für sich nicht zur Kreditgewinnabgabe herangezogen wird, ist ebensowenig von ausschlaggebender Bedeutung wie die Bewertung dieses Werkes in den DM-Bilanzen.

Auch der Hinweis auf die Zweckbestimmung der §§ 166, 194 LAG greift nicht durch. Der Gesetzgeber hat sich in diesen Vorschriften zu einer vollen Anerkennung der Betriebsverluste ohne Rücksicht darauf entschlossen, ob sie mit Kreditaufnahmen nach dem Zusammenbruch in Zusammenhang stehen oder nicht (vgl. Harmening, Kommentar zum Lastenausgleichsgesetz, § 166 Anm. 1).

 

Fundstellen

Haufe-Index 409659

BStBl III 1960, 316

BFHE 1961, 183

BFHE 71, 183

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