Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein landwirtschaftlicher Betrieb in der Weise planmäßig im Interesse des gewerblichen Hauptbetriebes (Gastwirtschaft und Metzgerei) geführt, daß diese Verbindung nicht ohne Nachteil für das Gesamtunternehmen gelöst werden kann, so liegt ein einheitliches gewerbliches Unternehmen vor.

Eine nachhaltige Ersparnis von Betriebsausgaben, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Sondereinnahmen stehen, kann durch einen Zuschlag nach § 7 VOL berücksichtigt werden. Die auf Grund des § 7 letzter Satz VOL erlassenen Bestimmungen der oberen Finanzbehörden über die Bemessung von Zuschlägen für nachhaltige Betriebseinnahmen sind keine Rechtsvorschriften, sondern der Vereinfachung der Veranlagung dienende Verwaltungsvorschriften, deren Anwendung nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen darf.

 

Normenkette

EStG §§ 13, 15; VOL § 7; GDL 8/1

 

Tatbestand

Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1954 bis 1958, ob Zuschläge nach § 7 der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 - VOL - (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949 S. 95) auch bei nachhaltiger Ersparung von Ausgaben zulässig und ob die Steuerbehörden berechtigt sind, von Richtsätzen für die Bemessung von Zuschlägen für übernormale Viehhaltung, die die Oberfinanzdirektionen auf Grund der Vorschrift des § 7 VOL erließen, abzuweichen.

Der Bf. betrieb eine Gastwirtschaft mit Metzgerei und eine Landwirtschaft (8 ha). Der Gewinn aus der Landwirtschaft wurde nach den Vorschriften der VOL ermittelt. Als Gewinne aus Landwirtschaft unterlagen der Besteuerung für die Streitjahre 1954 bis 1957 jeweils 1.873 DM. Für das Jahr 1958 erklärte der Bf. einen Gewinn von 1.506 DM.

Bei einer im Jahre 1960 durchgeführten Betriebsprüfung wurde für die Streitjahre ein nicht als Einkommen versteuerter Vermögenszuwachs von rd. 30.000 DM festgestellt. Nach den Ergebnissen der Prüfung beruhte der Vermögenszuwachs vor allem auf der Ersparnis von Betriebsausgaben. Der Bf. verarbeitete Metzgereiabfälle zu Naturdünger, den er in der Landwirtschaft verwendete. Außerdem ersparte er Futterkosten in größerem Umfange durch Verwendung von Metzgereiabfällen bei der Schweinemast. Der Bf. mästete jährlich 30 Schweine. Die Größe der landwirtschaftlichen Nutzfläche ermöglichte normalerweise die Haltung von nur 10 Schweinen. Der Bf. sparte außerdem Arbeitslöhne dadurch, daß er eine ihm im Rahmen wechselseitiger Nachbarschaftshilfe zur Verfügung gestellte Zugmaschine einsetzte.

Das Finanzamt erhöhte den Gewinn aus Landwirtschaft um einen jährlichen Zuschlag (§ 7 VOL) von 5.000 DM. Davon entfielen 700 DM auf ersparte Arbeitslöhne und auf den Wert des zusätzlich gewonnenen Düngers und 4.300 DM auf ersparte Futterkosten, die als Erlöse aus übernormaler Schweinezucht erfaßt wurden.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Berufung machte der Bf. geltend, daß nach § 7 VOL nur Zuschläge für Einnahmen, nicht aber für ersparte Ausgaben gemacht werden dürften. Ein über dem jährlichen Betrag von 700 DM für Erlöse aus übernormaler Schweinehaltung hinausgehender Zuschlag sei nicht gerechtfertigt. Denn nach den von der zuständigen Oberfinanzdirektion auf Grund der Vorschrift des § 7 VOL erlassenen Bestimmungen betrage der Zuschlag für ein Schwein jährlich 35 DM.

Die Vorinstanz gab der Berufung zum Teil statt. Die Vorentscheidung ist in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 12 veröffentlicht. Das Finanzgericht führte aus, daß nach Sinn und Zweck des § 7 VOL auch die nachhaltige ungewöhnliche Ersparnis von Ausgaben einen Zuschlag rechtfertige. Das treffe auf die Einsparung von Dünger- und Futterkosten zu. Diese sei mit jährlich 4.500 DM zu bemessen. Dagegen könne die durch die Inanspruchnahme von Nachbarschaftshilfe eingetretene Ersparnis an Arbeitslöhnen, die auf jährlich 500 DM geschätzt werde, nicht durch einen Zuschlag erfaßt werden, da es insoweit an einer konkreten Einnahmequelle fehle. Wegen der in dem Betrage von 4.500 DM enthaltenen Mehrerlöse aus der Schweinehaltung könne sich der Bf. nicht auf die Bestimmungen der Oberfinanzdirektion berufen. Bei diesen handle es sich lediglich um Richtlinien, die zur Vereinfachung der Veranlagung erlassen worden seien und die nicht angewendet werden könnten, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorlägen. Die Gewinne aus Landwirtschaft ermäßigten sich hiernach um jährlich 500 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Bf. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur erneuten Entscheidung.

Eine Entscheidung im Sinn des Rechtsbeschwerdebegehrens hat zur Voraussetzung, daß der Gewinn aus Landwirtschaft nach den Vorschriften der VOL zu ermitteln ist. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob es sich überhaupt um Einkünfte aus Landwirtschaft (§ 13 EStG) und nicht insoweit um einen Teil der Einkünfte aus einem einheitlichen gewerblichen Gesamtbetrieb (§ 15 Ziff. 1 EStG) handelt. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts wurden die Abfälle aus dem Gewerbebetrieb (Metzgerei und Gastwirtschaft) weitgehend in der Landwirtschaft und da vor allem bei der Schweinemast verwendet; umgekehrt kamen die Erträge aus der Landwirtschaft offenbar überwiegend dem Gewerbebetrieb zugute. Gewerbebetrieb und Landwirtschaft waren wirtschaftlich so eng verbunden, daß die Annahme nahe liegt, daß sie auch steuerlich als Einheit zu behandeln sind.

Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs kommt es für die Entscheidung, ob ein landwirtschaftlicher und ein gewerblicher Betrieb in der Hand desselben Unternehmens zwei selbständige Betriebe darstellen, darauf an, ob die Verbindung nur zufällig, vorübergehend und ohne Nachteil für das Gesamtunternehmen lösbar oder ob sie vielmehr planmäßig, im Interesse des Hauptbetriebes gewollt ist (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 455/41 vom 19. August 1942, RStBl 1942 S. 1110). Für die Behandlung einer Landwirtschaft als Teil eines Gewerbebetriebes ist es erforderlich festzustellen, daß dem Gewerbe im Rahmen des Gesamtbetriebes überwiegende Bedeutung, der Landwirtschaft dagegen die untergeordnete Bedeutung eines Hilfsbetriebes zukommt, dessen Aufgabe in der Förderung und Ertragserhöhung des Gewerbebetriebes besteht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III A 95/35 vom 26. März 1936, RStBl 1936 S. 540). Dieser Auffassung folgt der erkennende Senat. Die Prüfung, ob die bezeichneten Voraussetzungen vorliegen, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Die Vorentscheidung, die die eine Entscheidung ermöglichenden Feststellungen nicht traf, ist aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Für den Fall, daß das Finanzgericht bei der erneuten Entscheidung zu dem Ergebnis kommt, es liege ein landwirtschaftlicher Betrieb und nicht ein Teil eines gewerblichen Gesamtbetriebes vor, nimmt der Senat zu den in der Rb. aufgeworfenen Fragen wie folgt Stellung. Die Vorschriften der inzwischen durch § 18 des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen vom 15. September 1965 - GDL - vom 15. September 1965 (BGBl I S. 1350, BStBl 1965 I S. 552) aufgehobenen VOL sind noch anzuwenden (vgl. Grundsatzentscheidung des erkennenden Senats IV 11/64 S vom 5. November 1964, BStBl 1964 III S. 602, Slg. Bd. 80 S. 356).

Soweit sich die vom Finanzgericht angesetzten Zuschläge zum Grundbetrag (§§ 2 Abs. 1, 7 VOL) auf die bloße Ersparnis von Betriebsausgaben beziehen, sind sie nicht zulässig, da Zuschläge aus diesem Grund in der Regel sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck der Vereinfachungsvorschrift des § 7 VOL widersprechen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 252/59 U vom 5. September 1963, BStBl 1963 III S. 579, Slg. Bd. 77 S. 704 - betreffend § 9 Abs. 2 VOL -; IV 202/62 U vom 25. März 1965, BStBl 1965 III S. 431, Slg. Bd. 82 S. 509). Ausnahmen sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung im Einzelfall gebietet (Urteil des Bundesfinanzhofs I 52/60 U vom 13. März 1962, BStBl 1962 III S. 348, Slg. Bd. 75 S. 220). Diese Voraussetzung ist im Streitfall weder hinsichtlich der vom Finanzgericht bereits außer Ansatz gelassenen, ersparten Arbeitslöhne noch der Ersparnis an Düngerkosten erfüllt. Die Ersparnisse von Aufwendungen für Dünger schätzte das Finanzgericht auf jährlich 200 DM. Dieser Betrag ist nicht so hoch, daß er eine Ausnahme von der Regelung des § 7 VOL rechtfertigte. Die vom Finanzgericht angesetzten Gewinne aus Landwirtschaft sind daher um 200 DM zu kürzen.

Dagegen ist der Zuschlag auf Grund der Erlöse aus der erhöhten Schweinehaltung im Ergebnis zu bestätigen. Nach dem Wortlaut des § 7 VOL sind zwar "Betriebseinnahmen" zu erfassen. Es ist jedoch anerkannt, daß es sich dabei nicht um die Bruttoeinnahmen, sondern um die Nettoeinnahmen handelt, die sich nach Abzug der mit den Bruttoeinnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben ergeben. Der Zuschlag betrifft also nur das Ergebnis einer gesonderten Einnahmen- überschuss-Rechnung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 552, 556/54 S vom 20. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 131, Slg. Bd. 66 S. 341). Die Ersparnis von Betriebsausgaben, die mit Sondereinnahmen zusammenhängen, führt deshalb zu einer Erhöhung der Einnahmen im Sinne des § 7 VOL.

Bei der Bemessung des Zuschlags nach § 7 VOL wegen übernormaler Schweinehaltung ist das Finanzgericht nicht an die auf Grund des § 7 letzter Satz VOL erlassenen Bestimmungen der Oberfinanzdirektion gebunden. Diese Bestimmungen haben nicht die Rechtsnatur von die Steuergerichte bindenden Durchschnittsätzen. Es handelt sich um ergänzende Verwaltungsvorschriften (Richtsätze), nach denen die Steuerbehörden aus Vereinfachungsgründen verfahren, solange nicht im Interesse einer zutreffenden Besteuerung eine Abweichung geboten ist. Der Unterschied zwischen dem nach der Verwaltungsanweisung maßgebenden pauschalen Betrag und dem die geschätzten tatsächlichen Erlöse ergebenden Zuschlag ist im Streitfall so beträchtlich, daß ein Abweichen von der Verwaltungsanweisung gerechtfertigt ist. Die Anwendung von Richtsätzen darf nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 356/60 U vom 24. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 396, Slg. Bd. 75 S. 356).

 

Fundstellen

Haufe-Index 411907

BStBl III 1966, 193

BFHE 1966, 530

BFHE 84, 530

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