Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Begriffen Wohnung, einzelne Wohnräume und Wohnheime.

Die Grundsteuervergünstigung gilt auch für neugeschaffene einzelne Wohnräume. Diese können auch dann steuerbegünstigt sein, wenn sie nicht in eine vorhandene Wohnung einbezogen werden, sondern für sich bestehen (z. B. Wohnräume in Wohnheimen).

Bei Wohnheimen erstreckt sich die Steuervergünstigung auch auf die gemeinschaftlich genutzten Räume.

 

Normenkette

WoBauG § 7; 2-WoBauG 7; WoBauG § 47; 2-WoBauG 47

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für das Grundstück der Beschwerdeführerin (Bfin.) ab 1. April 1953 die Grundsteuervergünstigung nach dem Wohnungsbaugesetz (WoBauG) zu gewähren ist. Es handelt sich um ein Heim für Berglehrlinge, das im Jahre 1952 errichtet worden ist und außer der Wohnung des Heimleiters 30 Wohn- und Schlafräume, Speisesaal, Spielzimmer, Lesezimmer, Bastelraum, Wasch- und Küchenräume sowie sonstige Nebenräume enthält. Die Wohn- und Schlafräume liegen nebeneinander an langen Fluren. Sie werden von je 3 Lehrlingen zum Wohnen und Schlafen benutzt. Die in dem Heim untergebrachten Lehrlinge nehmen auch dort ihre Mahlzeiten ein. Sie werden von dem Heimleiter geistig und erzieherisch betreut. Die Unterkunft in dem Heim muß aufgegeben werden, sobald das Lehrverhältnis beendet ist.

Das Finanzamt hat die Grundsteuervergünstigung für das ganze Grundstück versagt. Das Finanzgericht hat auf die Sprungberufung der Bfin. hin die Steuervergünstigung nur für die Wohnung des Heimleiters gewährt. Diese Entscheidung beruht auf folgenden Erwägungen: Gemäß § 7 WoBauG seien neugeschaffene Wohnungen unter bestimmten Voraussetzungen auf die Dauer von 10 Jahren hinsichtlich der Grundsteuer begünstigt. Nach § 47 WoBauG seien die in diesem Gesetz für Wohnungen getroffenen Vorschriften auf einzelne Wohnräume entsprechend anzuwenden. Der Begriff des "Wohnraums" sei unbestritten. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. März 1954 I C 50/53 werde der Begriff des Wohnraums dahingehend erläutert, daß eine Person oder eine Personenmehrheit in ihm ein häusliches Leben führe. Da das WoBauG seinem Namen und Inhalt nach die Schaffung von Wohnraum erleichtern wolle, müsse es sich bei den einzelnen Wohnräumen um solche handeln, die den Insassen als Wohnung oder Wohnungsersatz dienten. Das habe vor allen Dingen zur Voraussetzung, daß die Inhaber der Wohnräume diese unter Umständen inne hätten, die darauf schließen ließen, daß sie die Wohnräume nicht nur vorübergehend behalten und benutzen wollten. Sie müßten also am Ort dieses Wohnraums ihren Wohnsitz begründen. Diese Voraussetzung sei bei Personen, die an dem Belegenheitsort des Ledigenheims ein nicht nur vorübergehendes Arbeitsverhältnis hätten, ohne weiteres gegeben. Unter diesen Gesichtspunkten habe auch das Finanzgericht bereits ein Ledigenheim als steuerbegünstigt im Sinne des WoBauG anerkannt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1955 S. 199); in diesem Falle habe es sich aber um ledige Bergknappen gehandelt, die in einem Gebäude der Bfin. in Einzelzimmern untergebracht seien. Der Sachverhalt sei im Streitfall ein ganz anderer. Es handle sich um Lehrlinge, die noch zur Ausbildung auf der Zeche beschäftigt seien und am Ort ihrer Ausbildung noch keinen Wohnsitz hätten. Im übrigen entspreche auch die bauliche Gestaltung (lange Flure, große Gemeinschaftsküche, Unterhaltungsraum, Speisesaal) durchaus nicht einem Wohnungsbau im verkehrsüblichen Sinne. Wenn ein derartiges Heim unter die Steuervergünstigung des § 7 WoBauG falle, seien die Grenzen zwischen wohnungsähnlichen Gebäuden und allgemeinen Beherbergungsstätten wie Hotels, Fremdenheime und ähnlichen Heimen verwischt. Auch für das Gebiet des Einkommensteuerrechts seien Altersheime, Ledigenheime, Schwesternheime und ähnliche Gebäude den Wohngebäuden im Sinne des § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gleichzustellen, wogegen Gebäude, die überwiegend zur vorübergehenden Beherbergung von Personen dienten, nicht zu den Wohngebäuden gehörten (Abschn. 45 Abs. 5 der Einkommensteuer- Richtlinien - EStR - 1953).

In der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird Verletzung des rechtlichen Gehörs und des materiellen Rechts gerügt. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall das Recht auf Gehör verletzt worden ist, da die Rb. in sachlicher Hinsicht Erfolg hat.

 

Entscheidungsgründe

I. -

Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Vorschriften der §§ 7 bis 11 WoBauG über die Grundsteuervergünstigung sich ihrem Wortlaut nach nur auf neugeschaffene Wohnungen beziehen. In § 47 WoBauG ist jedoch bestimmt, daß die in diesem Gesetz für Wohnungen getroffenen Vorschriften für einzelne Wohnräume entsprechend gelten; es muß daher in zutreffenden Fällen geprüft werden, ob und inwieweit die Vorschriften über die Grundsteuervergünstigungen auch auf einzelne Wohnräume angewendet werden können. Die Wohnheime werden im WoBauG nur im Zusammenhang mit der Gewährung öffentlicher Baudarlehen (§ 36 a. a. O.), nicht aber im Zusammenhang mit der Grundsteuervergünstigung erwähnt.

Die Begriffe "Wohnung", "Wohnräume" und "Wohnheime" sind im WoBauG nicht näher umschrieben. Auch andere Gesetze enthalten nur wenig zu diesen Begriffen: 1. In Schrifttum (z. B. Roquette, Kommentar zum Wohnraumbewirtschaftungsgesetz, Anm. 3 b zu § 2) wird als Wohnung die Zusammenfassung einer Mehrzahl von Räumen bezeichnet. Die Räume in ihrer Gesamtzahl müßten so beschaffen sein, daß sie die Führung eines selbständigen Haushalts möglich machten. Die Einheit, zu der die einzelnen Räume zusammengefaßt seien, müsse sich aus der baulichen Beschaffenheit und Lage der Räume und aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ergeben. Ferner gehöre zum Begriff einer Wohnung, daß sie gegen andere Wohnungen und Wohnräume abgeschlossen sei und einen selbständigen Zugang habe. Des weiteren schließe der Begriff der Wohnung das Vorhandensein der unerläßlichen Nebenräume ein: ein Raum für Kochgelegenheit und ein Abort sei wesentlich für den Begriff der Wohnung.

Diese Auslegung des Begriffs Wohnung entspricht ohne Zweifel dem, was in normalen Zeiten nach der Verkehrsauffassung in Deutschland als Wohnung anzusehen war. In dem zum Bewertungsgesetz ergangenen Urteil III 35/51 U vom 19. Juli 1951 (Slg. Bd. 55 S. 442, Bundessteuerblatt - BStBl 1951 III S. 176) ist jedoch der Bundesfinanzhof zu dem Ergebnis gekommen, daß bei der Beantwortung der Frage, was als eine Wohnung anzusehen sei, die nach dem Ausgang des Krieges tatsächlich bestehenden örtlichen Wohnverhältnisse berücksichtigt werden müßten. Einmal sei an dem Merkmal, daß eine Wohnung gegen andere Wohnungen und Wohnräume abgeschlossen sein müsse, nicht unbedingt festzuhalten. Außerdem sei für den Wohnungsbegriff nicht allgemein zu fordern, daß jede Mietpartei eigene Küche, eigenes WC habe; es könne auch bei Mitbenutzung dieser Einrichtungen durch mehrere Parteien steuerlich eine Wohnung vorliegen. Demgemäß ist auch in dem zur Grundsteuer ergangenen Urteil III 225/52 S vom 12. Juni 1953 (Slg. Bd. 57 S. 597, BStBl 1953 III S. 229) ausgeführt, daß mit Rücksicht auf die Verhältnisse, unter denen heute Haushaltungen eingerichtet würden, die Bedeutung des Fehlens einer Küche (Küche im alten Sinne) nicht überschätzt werden dürfe. Damit hat aber der Bundesfinanzhof die unbedingte Voraussetzung für den Begriff der Wohnung "Zusammenfassung von Wohnraum und Nebengelaß" nicht aufgegeben. Demgemäß könnte auch ein Einzelwohnraum nur dann als Wohnung angesprochen werden, wenn zu ihm entsprechendes Nebengelaß gehört.

Wohnräume sind zumeist Teile von Wohnungen. Es gibt aber auch Einzelwohnräume, die für sich bestehen und nicht zu Wohnungen gehören. Davon geht auch das Wohnungsbewirtschaftungsgesetz vom 31. März 1953 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 97) aus, das für seinen Bereich ebenfalls die für Wohnungen getroffenen Vorschriften im Prinzip auf Wohnräume ausdehnt. Nach § 2 Abs. 3 a. a. O. finden nämlich die Vorschriften dieses Gesetzes über Wohnungen entsprechend Anwendung auf einen einzelnen Wohnraum oder mehrere Wohnräume, wenn darin eine Person oder mehrere Personen gemeinschaftlich ihr häusliches Leben führen oder führen sollen. Dementsprechend kommt auch der Senat zu dem Ergebnis, daß unter "einzelnen Wohnräumen" im Sinn des WoBauG (soweit diese Räume nicht Teile einer Wohnung sind oder einer solchen zugeschlagen werden) solche Räume zu verstehen sind, in denen eine Person oder mehrere Personen bestimmungsgemäß ein häusliches Leben führen. Auch bei "einzelnen Wohnräumen" muß Nebengelaß vorhanden sein. Der Unterschied gegenüber "Wohnungen" besteht jedoch darin, daß für die Inhaber der "einzelnen Wohnräume" an dem Nebengelaß nur ein Mitbenutzungsrecht besteht.

Unter Wohnheimen werden in Schrifttum und Praxis solche Wohngebäude verstanden, in denen alleinstehende Personen oder auch Familien dauernd wohnen, jedoch im Unterschied zu sonstigen Wohnungen mit der Maßgabe, daß die Einzelpersonen oder Familien nicht ganz für sich abgeschlossene Haushalte bilden, sondern gewisse vorhandene Gemeinschaftseinrichtungen benutzen. Die den einzelnen Bewohnern von Wohnheimen zur Verfügung stehende Wohnfläche teilt sich auf in eine solche, die zu ihrer ausschließlichen Benutzung bestimmt ist, und in eine solche, an der sie nur Mitbenutzung haben (vgl. Fischer-Dieskau und Pergande, Kommentar zum Ersten Wohnungsbaugesetz, 2. Aufl. Anm. 2 zu § 36).

II. - Die Vorschrift des § 47 WoBauG, wonach die für Wohnungen getroffenen Vorschriften für einzelne Wohnräume entsprechend gelten, muß dazu führen, die Grundsteuervergünstigung auch für neugeschaffene, einzelne Wohnräume zu gewähren, die in bereits bestehende Wohnungen einbezogen werden. In derartigen Fällen müssen jedoch die sonstigen Voraussetzungen der Steuervergünstigung vorliegen (wenn z. B. eine bestehende Wohnung durch einen neugeschaffenen Wohnraum erweitert wird, muß sich die Wohnfläche der Wohnung einschließlich des neugeschaffenen Wohnraums innerhalb der maßgebenden Wohnflächengrenzen halten). Vergleiche hierzu auch Abschn. 6 Abs. 3 der Verwaltungsanordnung über die Grundsteuervergünstigung nach dem 1. Wohnungsbaugesetz vom 30. Juni 1951, BStBl 1951 I S. 238.

Die Fassung des § 47 WoBauG bietet keine Veranlassung, die Grundsteuervergünstigung für einzelne Wohnräume, die nicht in eine vorhandene Wohnung einbezogen werden (Abschn. I Ziff. 2 und 3 oben) zu versagen. Immer aber muß es sich - insofern ist der Vorinstanz zuzustimmen - um Wohnräume handeln, d. h. um Räume, in denen eine Person oder mehrere Personen ein häusliches Leben führen. Bei den sogenannten Wohnheimen ist das der Fall. Insoweit tritt der Senat der Auffassung der Vorinstanz bei. Er ist jedoch nicht der Auffassung, daß zwischen einem Wohnheim für Bergknappen und einem solchen für Berglehrlinge ein Unterschied gemacht werden muß. Es mag zutreffen, daß die Berglehrlinge in dem Heim der Bfin. in B. keinen Wohnsitz haben (zumindest werden sie dort aber ihren dauernden Aufenthalt haben). Darauf kann es aber nicht ankommen. Im Grundsteuerrecht wird stets auf die Benutzung des Grundbesitzes abgestellt. Entscheidend kann somit nur sein, ob das Gebäude der Bfin. Wohnräume enthält, in denen Personen ein häusliches Leben führen. Diese Frage muß für ein Berglehrlingsheim in gleicher Weise bejaht werden wie für ein Knappenheim. Auf die bauliche Gestaltung (ob das Heim mehr oder weniger einem Gebäude mit "Wohnungen" gleichkommt) kann es dabei nicht ankommen. In derartigen Fällen ist auch die Grundsteuervergünstigung nicht auf die eigentlichen Wohnräume zu beschränken, sondern muß auch auf die gemeinschaftlich benutzten Räume erstreckt werden.

Der Vorinstanz ist jedoch darin beizutreten, daß Einrichtungen, in denen Personen bestimmungsgemäß nur für kurze Dauer wohnlich untergebracht werden oder die nur zum Tagesaufenthalt dienen (z. B. Hotels, Fremdenheime, Jugendfreizeitheime) nicht zu den steuerbegünstigten Wohnheimen gehören. Es handelt sich hier nicht um Wohnräume, d. h. um solche Räume, in denen die in Betracht kommenden Personen ein häusliches Leben führen, obwohl das auch dort in besonderen Ausnahmefällen vorkommen kann.

Danach muß der Bfin. für das Gebäude des streitigen Grundstücks die Grundsteuervergünstigung nach den §§ 47 und 7 WoBauG zuerkannt werden. Die Sache ist spruchreif. Der Grundsteuermeßbetrag wird unter Aufhebung der Vorentscheidung und des Grundsteuermeßbescheids vom 3. August 1953 nach dem Stande vom 1. Januar 1953 auf 81.20 DM festgesetzt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 309 AO.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 47

BFHE 1956, 126

BFHE 62, 126

StRK, BewGDV:32 R 11

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